Die Folgen der Sklaverei – Kalifornien widmet sich der Entschädigung der Nachkommen

06.07.2023  — Samira Sieverdingbeck.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Während seiner Amtszeit sprach sich Barack Obama gegen die finanzielle Entschädigung der Nachfahren von versklavten Personen aus. Nicht, weil er nicht dafür war. In seinem Podcast mit Bruce Springsteen berichtete er: Er habe starken Widerstand erfahren – gegen jede Art von Maßnahmen, die People of Colour und Minderheiten im Allgemeinen geholfen hätten.

Der Bundesstaat Kalifornien wagt jetzt den Schritt. Vor zwei Jahren nahm eine Task Force die Arbeit auf, um eine Empfehlung für Reparationszahlungen zu entwerfen.
Wir beginnen mit einem Blick auf die Anfänge der USA:

Die Geschichte der Sklaverei in den USA

Schon Anfang des 17. Jahrhunderts versklavten europäische Siedler nordamerikanische Indigene, um möglichst günstig Tabak anbauen zu können. Ihr Ziel: größtmöglicher Profit. Viele der versklavten Arbeitenden sterben an den unzumutbaren Bedingungen. Da sich die Indigenen jedoch auch sehr gut in ihrem Land auskennen, können einige von ihnen immer wieder entkommen.

Arbeitskräfte, denen das Land fremd ist, sollen die Lösung sein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schätzen heute, dass zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert neun bis zwölf Millionen Afrikaner und Afrikanerinnen nach Nordamerika verschleppt wurden.

Die damaligen Europäerinnen und Europäer halten sich für erhaben, für zivilisierter und wertvoller als die Menschen, die sie verschleppen. Pseudo-wissenschaftliche „Rassenlehre“ unterstützt diese Vorstellung. Die versklavten Personen gelten als Eigentum der europäischen Siedler. Die Zustände, in denen sie leben, sind unzumutbar, sie haben keine Rechte und müssen nicht selten über die Erschöpfung hinaus bis zum Tod arbeiten.

Zwar erklären die Nordstaaten der USA Sklaverei als Sünde, doch die landwirtschaftlich geprägten Südstaaten halten daran fest. Sie sind überzeugt, es sei ihr gottgegebenes Recht und begründen dies unter anderem anhand der „Rassenlehre“.

1861 wird Abraham Lincoln Präsident. Er ist strenger Gegner der Sklaverei. Der Konflikt zwischen den Nord- und Südstaaten eskaliert – der Amerikanische Bürgerkrieg bricht aus. Vier Jahre dauert er an. Schließlich siegen die Nordstaaten und offiziell sind alle versklavten Personen frei. Gleichgestellt mit den weißen Amerikanerinnen und Amerikanern sind sie jedoch nicht. Eine regelrechte Rassentrennung, Racial Segregation, bürgert sich ein. In Schulen, Restaurants oder Kirchen wird streng zwischen „white“ und „coloured“ getrennt. In den Südstaaten sind People of Colour (POC) selbst auf offener Straße immer wieder Gewalt ausgesetzt, kommen teilweise sogar zu Tode.

Im Norden des Landes sind POC zwar ebenfalls Alltagsrassismus ausgesetzt, die Situation ist aber insgesamt besser. Anfang des 20. Jahrhunderts ziehen viele afroamerikanische Familien in den Norden und gründen dort mit weißen Amerikanerinnen und Amerikanern erste Bürgerrechtsorganisationen. Besonders der Zweite Weltkrieg und die Bekämpfung der deutschen Rassenideologie stellen die Segregation in den USA stark in Frage.

1954 entsteht das Civil Rights Movement. Martin Luther King wird zum bekanntesten Mitglied und Leiter der Bewegung. 1964 tritt der Civil Rights Act in Kraft und hebt die diskriminierenden Gesetze der Segregation auf. Rassismus lebt jedoch in den Köpfen weiter und die Unterschiede zwischen Afroamerikanerinnen und -amerikanern und weißen Amerikanerinnen und Amerikanern bleibt groß. Laut US Census Bureau wurden 2021 19,5 % der Afroamerikanerinnen und -amerikanern als arm eingestuft. Im Gegensatz dazu stehen 8,1 % der weißen Amerikanerinnen und Amerikaner.

Kalifornien will die Nachfahren entschädigen

2020 tötet ein Polizist auf offener Straße den Afroamerikaner George Floyd. Sein Hilferuf „I cannot breathe“ wird weltweit zur Überschrift zahlreicher Proteste und Bewegungen. Erschüttert vom Tod des 46-Jährigen, stimmt das kalifornische Parlament einem bahnbrechenden Gesetzesentwurf zu. Die „Task Force to Study and Develop Reparation Proposals for African Americans“ soll eingerichtet werden, die Afroamerikanerinnen und -amerikaner in Kalifornien für Rassismus und Sklaverei entschädigt. Trotz positiver Beispiele im kleineren Rahmen, wie das Wohnungskauf-Programm für afroamerikanische Familien in Evanston, Illinois, ist Kalifornien der erste Bundesstaat in den Vereinigten Staaten, der eine solche Task Force einrichtet.

Zwar gehörte Kalifornien nicht zu den Staaten, die Sklaverei befürworteten, doch trotzdem wurden mehr als 4.000 Menschen Mitte des 19. Jahrhunderts dazu gezwungen als Sklavinnen und Sklaven in Goldmienen zu arbeiten. Viele von ihnen blieben auch nach ihrer Befreiung in Kalifornien, wurden sesshaft und erwarben Eigentum. Jedoch waren sie mit Diskriminierung, Enteignung, Segregation, polizeilicher Schikane und dem fehlenden Zugang zu Bildungseinrichtungen konfrontiert.

Die zentrale Aufgabe der Task Force bestand darin die anhaltenden Folgen der Sklaverei für Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner sowie für die Gesellschaft zu untersuchen. Außerdem sollte sie Maßnahmen zur Entschädigung von Afroamerikanerinnen und -amerikanern empfehlen.

Zwei Jahre lang hat die neunköpfige Task Force geforscht und Betroffene angehört, um zu einer Empfehlung zu kommen. Die Frage, wer ein Recht auf Reparationszahlungen hat, stieß auf starke Meinungsunterschiede. Die frühere Abgeordnete und Initiatorin des Gesetzesentwurfs, Shirley Weber, sprach sich dagegen aus, möglichst viele Menschen zu entschädigen. In einer virtuellen Anhörung sagte sie, dann blieben für jede und jeden einzelnen am Ende nur 50 Cents.

Um diese schwierige Frage beantworten zu können, hörte die Task Force Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, befragte Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen. In einer finalen Abstimmung entschied die Kommission mit knapper Mehrheit, dass nur die Menschen Anspruch auf Entschädigung haben, die von einer versklavten Person oder einer freien schwarzen Person, die vor Ende des 19. Jahrhunderts in den USA lebte, abstammen.

Darüber hinaus sammelte die Kommission zahlreiche Beweise für die Zerstörung von Gemeinden der überwiegend afroamerikanischer Bevölkerung, an deren Stelle Autobahnen, Bildungseinrichtungen und Parks traten, die überwiegend den weißen Bürgerinnen und Bürgern zugutekamen. Auch neue Erkenntnisse förderte die Task Force durch ihre Nachforschungen zutage. Zum Beispiel fanden sie heraus, dass Wissenschaftler im 19. Jahrhundert afroamerikanische Frauen für medizinische Versuche missbrauchten.

In der Empfehlung, die sie am 1. Juli 2023 vorlegte, ging es neben der direkten Geldauszahlungen auch um die Rückgabe von enteignetem Land und dem bevorzugten Zugang zu Bildungsangeboten und Gesundheitsversorgung.

Konkrete Geldbeträge empfiehlt die Kommission nicht. Indigenen Gruppen, denen ihr Land geraubt wurde, zahlten die USA insgesamt 1,3 Milliarden Dollar. Den Opfern des 11. Septembers wurden mehr als 7 Milliarden Dollar ausgezahlt. Für die Nachfahren von versklavten Personen empfahlen Ökonomen Summen zwischen 150.000 und 1 Millionen Dollar pro Person. Der Bundesstaat Kalifornien könnte so viel Geld nicht aufbringen. Wichtig sei es deshalb, überhaupt Zahlungen zu initiieren, auch wenn diese zunächst niedriger ausfielen. Dadurch erhielten Betroffene Zuwendung und gleichzeitig würde ein Schritt gegen die starke Wohlstandslücke getan.

Die Kommission hofft durch ihre Nachforschungen und Empfehlungen einen „blueprint“, eine Vorlage, für andere Bundesstaaten und letztendlich für das gesamte Land bei der Entschädigung der Opfer von Sklaverei und ihrer Nachkommen zu bilden.

Hier finden Sie eine Zusammenfassung oder den vollständigen Bericht.
Weitere Informationen zur Task Force finden Sie hier.

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Bild: HealthWyze (Pixabay, Pixabay License)

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