Der Entwurf steht: Was verändert das Selbstbestimmungsgesetz?

31.08.2023  — Lara Fehrs.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Gesetzesänderung soll es trans-, intergeschlechtlichen und nicht binären Menschen erleichtern, ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen im Personenstandsregister ändern zu lassen. In Zukunft soll eine einfache Erklärung beim Standesamt ausreichen, um diese Änderung vorzunehmen.

Wen betrifft das Gesetz?

Bei transgeschlechtlichen bzw. trans Personen stimmt ihr gelebtes Geschlecht oder ihre Geschlechtsidentität nicht mit dem ihnen bei der Geburt im Personenstand eingetragenen Geschlecht überein. Bis heute ist die Änderung des Namens und Geschlechtseintrags für trans Personen durch das sogenannte Transsexuellen Gesetz (TSG) geregelt.

Das Selbstbestimmungsgesetz soll das alte Verfahren nun ersetzen und Betroffenen den Prozess deutlich vereinfachen. Am 23.08.2023 wurde ein Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen, welches das Transsexuellen Gesetz (TSG) von 1981, das mittlerweile in wesentlichen Teilen verfassungswidrig ist, ersetzen soll.

Es kann erst in Kraft treten, wenn der Deutsche Bundestag das Gesetz beschlossen und abgestimmt hat. Eine Zustimmung des Bundesrats ist nicht erforderlich. Das Innenministerium plant, dass das Gesetz am 1. November 2024 wirksam wird.

Wieso muss das TSG ersetzt werden?

Das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen die meisten Vorschriften des TSG von 1981 für verfassungswidrig erklärt. Es hat geurteilt, dass diese Vorschriften massiv gegen die Grundrechte von trans Personen verstoßen.

Angesichts der Tatsache, dass viele dieser Vorschriften nun nicht mehr gelten, wird die Einführung eines neuen Gesetzes gefordert. Aktuell müssen zwei psychiatrische Gutachten vorgelegt werden. Zwangsläufig wird Transgeschlechtlichkeit in den Kontext einer Krankheit oder psychischen Störung gestellt und somit pathologisiert.
Früher wurde Transsexualität im ICD der WHO als psychische Krankheit klassifiziert. Im Mai 2019 wurde sie von der Liste der psychischen Erkrankungen gestrichen.

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) e. V. äußerte sich folgendermaßen:

Die Begutachtung wird häufig als entwürdigend empfunden. Erwachsene berichten, dass intime Details aus der Kindheit und der sexuellen Vergangenheit abgefragt werden. Nach heute geltenden diagnostischen Kriterien sind aber weder die psychosexuelle Entwicklung in der Kindheit noch die sexuelle Orientierung ausschlaggebend für die Frage, ob aktuell eine transgeschlechtliche Identität besteht. Kleidung, die nicht den Geschlechterstereotypen der zu begutachtenden Geschlechtsidentität entspricht, wird nach den Berichten von transgeschlechtlichen Personen häufig kommentiert, Hobbys und Alltagsgestaltung auf ihre Übereinstimmung mit Geschlechterstereotypen geprüft.

Kernbereiche des Gesetzes – das soll sich ändern:

Das neue Gesetz soll folgende Änderungen beinhalten:

  • Vornamen und Geschlechtseintrag im Personenstandregister können leichter geändert werden. Dafür reicht dann eine einfache Erklärung beim Standesamt.

  • Künftig soll es im Personalstandsregister die Einträge "männlich", "weiblich" und "divers" geben.

  • Für Kinder unter 14 Jahren sollen Sorgeberechtigte die Erklärung abgeben. Erst nach drei Monaten tritt es in Kraft. Der Wille des Kindes muss berücksichtigt werden. Ist das Kindeswohl gefährdet, wird das Familiengericht eingeschaltet.

  • Jugendliche ab 14 Jahren brauchen die Zustimmung der Eltern. Gibt es hier innerfamiliäre Konflikte, kann das Familiengericht die Entscheidung treffen. Maßstab soll das Kindeswohl sein.

  • Es gilt eine Sperrfrist von einem Jahr. Nach Ablauf kann eine Änderung beim Standesamt erneut aufgenommen werden. Die Sperrfrist gilt nicht für Minderjährige.

  • Offenbarungsverbot: Um Personen vor einem Zwangsouting zu schützen, soll es auch künftig verboten sein, frühere Geschlechtseinträge oder Vornamen auszuforschen und zu offenbaren.
    Wird eine betroffene Person durch die Offenbarung absichtlich geschädigt, soll der Verstoß bußgeldbewehrt sein. Das Gesetz legt nicht explizit fest, ob die absichtliche Verwendung eines falschen Pronomens oder des vorigen Namens, bekannt als "Misgendern" oder "Deadnaming", zulässig ist.

Das ändert sich konkret

  • Die Personenstandsänderung nicht mehr vor Gericht – jetzt beim Standesamt
  • Ein Gerichtsverfahren und Gutachten bzw. Atteste oder eine verpflichtende Beratung im Vorhinein entfällt
  • Die Bundesregierung setzt ein wichtiges Zeichen, indem sie den bürokratischen Prozess für trans Personen deutlich vereinfacht

Kritische Perspektiven

Skeptiker befürchten, dass beispielsweise Cis-Männer im Sport eine Änderung des amtlichen Geschlechtseintrags für ihren persönlichen Vorteil missbrauchen könnten. Die Autonomie des Sports soll durch das Gesetz nicht angetastet werden.

Über die Teilnahme an Sportveranstaltungen bestimme nicht die Politik, sondern die Sportverbände. Ein Selbstbestimmungsgesetz hätte somit keinen Einfluss darauf, wer bei der nächsten Fußball-WM der Frauen mitspielt oder die nächste Goldmedaillengewinnerin im Schwimmen wird.

Auch Politiker äußern Bedenken. Stimmen aus der Union und der AfD befürchten, dass sich Menschen durch eine Änderung des Geschlechtseintrags Vorteile erschleichen könnten. Vorgebracht wird das vor allem immer wieder von der Union und der AfD.

Auch Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht warnte vor Gefahren für Frauen. „Ich halte das für eine von Ideologie getriebene Politik […]“, sagte Wagenknecht dem "Spiegel". Sie fragte: „[…] wie stark Frauenräume noch geschützt sind, wenn sich jeder Mann beliebig zur Frau erklären kann“.

Die FDP-Organisation Liberale Schwule, Lesben, Bi, Trans und Queer hingegen unterstreicht, dass das geplante Gesetz alle Eventualitäten berücksichtige, um Missbrauch insbesondere durch Cis-Männer zu verhindern.
Für die Antidiskriminierungsbeauftragte, Ferda Ataman, ist die Debatte um Saunen eine irrationale. „Wir haben in Deutschland überwiegend gemischtgeschlechtliche Saunen. Kein Mann muss seinen Geschlechtseintrag ändern lassen, um in Deutschland eine nackte Frau zu sehen,“ sagte sie.

Ebenso Dr. Marco Buschmann, Bundesminister der Justiz, unterstützt den Entwurf und ist positiv eingestellt:

Der Entwurf wahrt Hausrecht und Privatautonomie – und lässt Raum für sachgerechte Differenzierungen. Ich bin überzeugt: Wir haben damit eine Lösung gefunden, die eine Chance hat auf breite gesellschaftliche Zustimmung. Transgeschlechtliche Menschen sind schon viel zu lange betroffen von Diskriminierung und würdeloser Behandlung – diesen Zustand werden wir endlich hinter uns lassen.

Ein Internationaler Vergleich

Um eine weitere Perspektive zu gelangen, kann es helfen auf andere Länder zu schauen. Wie wird es dort geregelt? Laut BMFSFJ wurde bisher in insgesamt 15 Ländern ein vergleichbares Gesetz eingeführt. Über die Sorge, dass Menschen ihren Geschlechtseintrag des Öfteren wechseln würden, gibt es bislang keine Berichte.

Schlussfolgerung

Während Kritiker berechtigte oder auch ideologisch geprägte Bedenken äußern, ist es wichtig, den Kern des Gesetzes zu berücksichtigen: Die Anerkennung der Selbstbestimmung und Würde des Menschen. Das geplante Gesetz betrifft lediglich die Änderung im Personalausweis und keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Operationen.

Das geplante Selbstbestimmungsgesetz kann dazu beitragen, Diskriminierung und Hürden für trans Personen in Deutschland zu reduzieren und ein inklusiveres, respektvolleres Miteinander in der Gesellschaft zu fördern.


Das Selbstbestimmungsgesetz haben wir schon einmal für Sie beleuchtet. Lesen hier den Vorgängerartikel Wer hat Angst vor Selbstbestimmung.

In unserem Handbuch erklärt unsere Expertin Frau Dr. Sabine Berghahn die juristischen und gesellschaftlichen Nuancen für Sie.

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Bild: Alexander Grey (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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