Über eine erbrachte Mehrleistung wird erst im nächsten Jahr Einigung erzielt und diese vom Kunden abgenommen. Wann ist der Umsatz realisiert?

08.03.2018  — Von Dirk J. Lamprecht. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH

Zur Fertigstellung einer vom Kunden beauftragten Leistung haben wir Mehrleistungen erbracht, die der Kunde zunächst nicht abnehmen will. Im folgenden Jahr kommt es zur Einigung und der Kunde nimmt die Leistung vollumfänglich ab. Wann ist für uns der Umsatz realisiert?

Eine Forderung – und damit die Realisierung der Umsatzerlöse – liegt vor, wenn die Erfüllung des Vertrags durch das bilanzierende Unternehmen ganz erfolgt ist, während die Leistung des Schuldners, i. d. R. die Kaufpreiszahlung, noch aussteht.

Der Zeitpunkt der Aktivierung von Forderungen bestimmt sich nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG bei buchführenden Gewerbetreibenden nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz des Handelsgesetzbuchs (HGB) sind Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Nach dem darin kodifizierten Realisationsprinzip als Ausprägung des Vorsichtsprinzips dürfen Vermögensmehrungen nur erfasst werden, wenn sie disponibel sind (BFH-Urteil vom 12. Mai 1993 XI R 1/93, BFHE 171, 448, BStBl II 1993, S. 786).

Bei Lieferungen und anderen Leistungen wird der „Gewinn“ (besser: Umsatz) realisiert, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen „wirtschaftlich erfüllt" hat und ihm die Forderung auf die Gegenleistung (die Zahlung) – von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen – so gut wie sicher ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11.Dezember 1985 I B 49/85, BFH/NV 1986, S.595).

Ohne Bedeutung ist hingegen, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist (BFH-Urteil vom 28.Januar 1960 IV 226/58 S, BStBl III 1960, S. 291), ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen (BFH-Urteil vom 27.Juni 1963 IV 111/59 U, BStBl III 1963, S. 534) oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird (BFH-Urteil vom 15.April 1970 I R 107/68, BStBl II 1970, S. 517).

Damit kann festgehalten werden, dass der maßgebende Zeitpunkt für die Entstehung einer Forderung bei Veräußerungsgeschäften die Bewirkung der Lieferung bzw. Werklieferung ist, bei Werkverträgen die Abnahme und bei Dienstverträgen die Bewirkung der Dienstleistung ist. Der Ansatz von Forderungen ist also unabhängig davon vorzunehmen, ob der Vertragspartner seinerseits geleistet (zahlt) hat bzw. leistungsfähig (zahlungsfähig) ist. Den Risiken des Zahlungseingangs ist erforderlichenfalls durch eine Abschreibung der Forderung Rechnung zu tragen. Auch Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen sind im Ausmaß ihrer Realisierung anzusetzen. Bei Mietzinsansprüchen hat der bilanzierende Unternehmer den Gewinn (besser Umsatz) aus Leistungen des Vermieters fortlaufend während der Mietzeit verwirklicht.

Zu beachten ist, dass eine Uneinbringlichkeit einer Forderung in erster Linie erst durch die Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) des Schuldners verursacht wird. Eine Uneinbringlichkeit kann auch vorliegen, wenn der offene Betrag einer Rechnung wegen bestimmter Vorbehalte des Schuldners nur mit Kosten und Risiken beizutreiben ist, die in keinem Verhältnis zum Forderungsbetrag stehen oder die Forderung verjährt ist.

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