Sicherung tragfähiger öffentlicher Finanzen bleibt eine Daueraufgabe

25.03.2024  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Bundesministerium der Finanzen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat dem Bundeskabinett heute den Sechsten Bericht zur Tragfähigkeit der Öffentlichen Finanzen vorgelegt. Damit informiert das BMF einmal pro Legislaturperiode über die langfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen.

Die Projektionen schreiben die demografiebedingten Ausgaben des gesamtstaatlichen Haushalts unter verschiedenen Annahmen fort. Der Sechste Bericht zeigt: Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen ist kein Selbstläufer. Es gilt nun, die notwendigen Reformen anzustoßen, die die Entwicklung der öffentlichen Finanzen positiv beeinflussen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner:

„Die Ergebnisse des Sechsten Tragfähigkeitsbericht sind ein Appell an die Politik, Strukturreformen in allen relevanten Politikbereichen anzustoßen. Die aktuelle Ausgestaltung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ist in ihrer jetzigen Form langfristig nicht finanzierbar. Bei der Rentenversicherung haben wir mit dem Generationenkapital bereits einen ersten Schritt gemacht. Die Renditepotenziale der Kapitalmärkte werden wir für die gesetzliche Rente nutzen und damit einen neuen Baustein einführen, der das System weniger abhängig macht von der demografischen Entwicklung in Deutschland. Wir sind gefordert, auch in anderen Bereichen Reformen auf den Weg zu bringen. Für den Arbeitsmarkt müssen wir vorhandene Potenziale aktivieren und zusätzlich Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen. Außerdem gilt: Das Fundament für einen zukunftsfesten Sozialstaat ist eine starke Wirtschaft. Daher müssen wir den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig stärken, indem wir wichtige Standortfaktoren endlich wieder in den Blick nehmen. Dazu gehören weniger Bürokratie, ein wettbewerbsfähiges Steuersystem und eine moderne Infrastruktur. Wir haben jetzt die Chance, mit den richtigen Stellschrauben die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen langfristig zu sichern.“

Öffentliche Finanzen vor großen Herausforderungen

In Deutschland setzt sich der demografische Alterungsprozess weiter fort. Trotz einer durch Zuwanderung deutlich günstigeren Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts steht den jüngeren Jahrgängen unverändert eine sehr große Babyboomer-Generation gegenüber. Bedingt durch den Austritt der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt zeigt sich bereits jetzt, dass der Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter mit einem Anstieg der Bevölkerung im Ruhestand einhergeht.

Die Ergebnisse des Sechsten Tragfähigkeitsberichts zeigen deutlich, dass der demografische Wandel unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zunehmend beeinträchtigt.

Die alterungsbedingten öffentlichen Ausgaben könnten bis zum Jahr 2070 unter ungünstigen Bedingungen von 27,3 % des BIP in 2022 auf 36,1 % in 2070 steigen. Unter günstigen Bedingungen erreichen sie bis zum Jahr 2070 30,8 % des BIP. Die steigenden Ausgaben werden zu einem Anstieg der gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizite führen. Unter günstigen Annahmen könnte der Schuldenstand nach den Projektionen bis zum Jahr 2070 auf rund 140 % des BIP steigen, unter eher ungünstigen Annahmen auf rund 365 % des BIP. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Projektionen die verfassungsrechtliche Schuldenregel unberücksichtigt lassen.

Die fiskalische Tragfähigkeit hat sich damit im Vergleich zum vorangegangenen Tragfähigkeitsbericht aus dem Jahr 2020 trotz günstigerer Bevölkerungsvorausberechnung verschlechtert. Die Tragfähigkeitsrisiken konzentrieren sich vor allem auf die Bundesebene. Das ergibt sich sowohl aus der Verantwortung des Bundes für die Liquidität der Sozialversicherungen als auch durch direkte Effekte für den Bundeshaushalt. Die Finanzen der Länder und Gemeinden sind hingegen insgesamt weniger stark von der demografischen Alterung betroffen.

Die Verschlechterung der Tragfähigkeit im Vergleich zum letzten Bericht ist unter anderem die Folge einer verschlechterten Ausgangslage der deutschen Wirtschaft und der öffentlichen Finanzen infolge der jüngsten Krisen. Die Anstrengungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und der durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Energiekrise haben sich deutlich auf die Tragfähigkeit ausgewirkt. Darüber hinaus führt die Verlängerung des Simulationszeitraums von 2060 auf 2070 für sich genommen zu einem Anstieg der Tragfähigkeitslücke. Letztlich tragen auch einige geänderte Annahmen und Fortschreibungsmethoden sowie der aktualisierte Rechtsstand zur Verschlechterung bei.

Den demografischen Wandel mit Strukturreformen auffangen

Der vorliegende Bericht ist ein Beleg dafür, dass strukturelle Reformen unabdingbar sind, um die Zukunftsfestigkeit der öffentlichen Finanzen zu sichern. Die Berechnungen senden ein deutliches Signal für strukturelle Veränderungen in allen relevanten Politikbereichen:

  • Kurz- und mittelfristig müssen mit einer konjunkturgerechten Haushaltskonsolidierung fiskalische Puffer wiederaufgebaut werden, um künftige Krisen überwinden und Spielräume für die Finanzierung von Zukunftsaufgaben erarbeiten zu können. Daneben ist es Aufgabe einer effizienten und vorausschauenden Finanzpolitik, die Qualität der öffentlichen Finanzen durch einen effizienten staatlichen Mitteleinsatz zu verbessern und so zur Dynamisierung der wirtschaftlichen Entwicklung und Stärkung der Tragfähigkeit beizutragen.
  • Zur Sicherung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind Strukturreformen erforderlich, die der alterungsbedingten Ausgabenentwicklung entgegenwirken und die gesetzlichen Sozialversicherungen zukunftsfest machen: Zum einen durch eine stärkere Ausschöpfung des inländischen Erwerbstätigenpotenzials, indem Anreize für einen längeren Verbleib im Arbeitsleben und für eine weiter steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen verbessert werden. Zum anderen durch eine erleichterte Zuwanderung für qualifizierte Fachkräfte und schnelle Integration in den Arbeitsmarkt.
  • Im Bereich der Altersvorsorge bedarf es darüber hinaus gezielter Reformen. Das BMF leitet mit dem Generationenkapital dafür einen ersten wichtigen Schritt ein. Erstmals wird die Umlagefinanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung um eine kapitalgedeckte Komponente ergänzt. So wird ein von der demografischen Entwicklung in Deutschland weitestgehend unabhängiger, langfristiger Finanzierungsbaustein aufgebaut. Weitere Schritte und Verbesserungen, etwa bei der privaten Vorsorge, bleiben notwendig.
  • Auch im Bereich Gesundheit und Pflege ist mit Blick auf die langfristige Tragfähigkeit künftig noch stärker darauf zu achten, den demografisch bedingten Anstieg der Gesundheitsausgaben, insbesondere über das Heben von Effizienzpotenzialen zu begrenzen.
  • Die im Grundgesetz verankerte Schuldenregel bildet dafür das Fundament. Ihre Einhaltung fordert die Politik fortlaufend auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den aus dem demografischen Wandel resultierenden steigenden Ausgaben zu begegnen.
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