Rückbauverpflichtungen

09.07.2010  — Dirk J. Lamprecht.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Bei den Rückbauverpflichtungen handelt es sich um Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten am Bilanzstichtag in Form einer Außenverpflichtung des Unternehmens, bei denen i.d.R. Ungewissheit über die Höhe der Verpflichtung und nicht über das Bestehen existiert.

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Rückbauverpflichtungen

Bei den Rückbauverpflichtungen handelt es sich um Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten am Bilanzstichtag in Form einer Außenverpflichtung des Unternehmens, bei denen i.d.R. Ungewissheit über die Höhe der Verpflichtung und nicht über das Bestehen existiert.

Hierbei ist es nicht erforderlich, dass die Person bekannt ist, gegenüber der eine ungewisse Verbindlichkeit besteht. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob es sich um ein einklagbares Recht handelt. Die Verpflichtung kann aus einem öffentlichen Vertrag, einem Verwaltungsakt oder aus einem Gesetz erwachsen. Rückstellungen aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen können aus Rückbau oder Entsorgungsverpflichtungen, aber auch aus Rekultivierungsverpflichtungen entstehen. Unter den Begriff der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten fallen aber auch die gesetzlichen Verpflichtungen zur Erstellung und ggf. Prüfung eines Jahresabschlusses. Eine Rückstellung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen ist nur zulässig, sofern ein Gesetz oder eine Verfügung der zuständigen Behörde ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorschreibt und wenn an die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich das Unternehmen der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann.

Eine ungewisse öffentlich-rechtliche Verpflichtung ist nach Auffassung des BFH nur dann rückstellbar, wenn lediglich Ungewissheit hinsichtlich ihrer Höhe, nicht jedoch hinsichtlich ihres Bestehens existiert. dieser Auffassung widerspricht jedoch dem Grundsatz der Vollständigkeit und dem Vorsichtsprinzip des HGB. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung liegt somit bereits dann vor, wenn der Kaufmann die Verpflichtung kennt oder bei angemessener Sorgfalt kennen musste.

Eine faktische Verpflichtung ist ebenfalls ein Grund für die Bildung von Rückstellungen. Ein faktischer Leistungszwang ist gegeben, wenn sich der ordentliche Kaufmann auch ohne Rechtspflicht einer Leistung nicht entziehen kann oder will.

Faktische Verpflichtungen können in folgenden Fällen vorliegen:

  • Verpflichtungen aus nichtigen Verträgen, die aber durchgeführt wurden,

  • Verflechtungen aus dem Bestehen einer fehlerhaften Gesellschaft,

  • Umweltschutzmaßnahmen, die noch nicht gesetzlich vorgeschrieben sind,

  • Eingehen auf Ansprüche, um geschäftsschädigende, öffentliche Prozesse zu vermeiden.

Die Ungewissheit kann sich auf

  • die Höhe der Verbindlichkeit,

  • das Bestehen der Verbindlichkeit

  • oder auf beides beziehen.

In diesen Fällen liegen ungewisse Verbindlichkeiten vor. Somit setzen Rückstellungen nicht voraus, dass eine Verbindlichkeit dem Grunde nach gewiss ist. Eine Verpflichtung ist damit auch dann gegeben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass nach vernünftiger Beurteilung eine solche eintreten kann. Rückstellungen sind somit auch für Gewährleistungen zu bilden, bei denen ungewiss ist, ob eine rechtliche Verpflichtung besteht. Hierbei handelt es sich dann um Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, die nach § 285 Nr. 12 HGB im Anhang zu erläutern sind. Es handelt sich damit nicht um Rückstellungen i.S.d. § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 HGB.

Eine Verbindlichkeit ist dem Grunde nach ungewiss, wenn beispielsweise eine Gewährleistungsverpflichtung innerhalb der Garantiezeit eintreten kann. Der Höhe nach sind beispielsweise Pensionsverpflichtungen oder Verpflichtungen aus noch fehlenden Eingangsrechnungen als ungewiss anzusehen.

Nach Auffassung des Steuerrechts sind die Voraussetzungen für den Ansatz einer Rückstellung erfüllt, wenn mehr Gründe für als gegen das Bestehen einer Verbindlichkeit und eine künftige Inanspruchnahme sprechen. Hier versucht die Rechtsprechung die subjektiven Erwartungen des Kaufmanns zu entkräften und damit als Grundlage für die Bildung von Rückstellungen ein objektives Moment einzuführen. Andererseits sind jedoch Verpflichtungen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden, nicht passivierungsfähig, BFH vom 22. November 1988, VIII R 62 / 85, BStBl. II 89, 359 (361); BFH vom 9. Februar 1993, VIII R 21 / 92, BStBl. II 93, 543.

Der BFH führt im Urteil vom 19. Oktober 1993, VIII R 14 / 92, BStBl. II 93, 891 (893) aus, dass eine Passivierung von Altlasten erst zulässig ist, wenn eine Inanspruchnahme des Schuldners wahrscheinlich ist. Dieses ist dann gegeben, wenn die den Anspruch begründenden Tatsachen entdeckt sind und dem Geschädigten bekannt seien oder das Bekanntwerden unmittelbar bevorsteht. Aus handelsrechtlicher Sicht verdrängt der BFH hierbei das Vorsichtsprinzip.

Handelsrechtlich ist eine Rückstellung bereits zu bilden, wenn stichhaltige Gründe dafür sprechen, dass das Unternehmen voraussichtlich in Anspruch genommen wird. Die Gründe für die Bildung von Rückstellungen sind jedoch objektiv nachvollziehbar zu dokumentieren.

Besteht die Ungewissheit nur bezogen auf die Höhe der Verbindlichkeit hinsichtlich der Höhe einer Verbindlichkeit, so ist der Teil der sicheren Verpflichtung als Verbindlichkeit auszuweisen.

Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. sind Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags anzusetzen. Rückstellungen sind somit mit dem Betrag auszuweisen, den der Schuldner der ungewissen Verbindlichkeit voraussichtlich aufbringen muss, unter Beachtung von zukünftigen voraussichtlichen Preis- und Kostenverhältnissen im Zeitpunkt der Verpflichtungserfüllung. Somit werden Entwicklungen, die sich nach dem Bilanzstichtag ereignen, bei der Bewertung von Rückstellungen zu berücksichtigen sein. Voraussetzung ist jedoch eine ausreichende objektive Beurteilung des möglichen Eintritts dieser Ereignisse. Um die zukünftigen Preis- und Kostensteigerungen zu prognostizieren, ist eine branchenspezifischer Trendfortschreibung vorzunehmen.

Da sich bei den Herstellungskosten die Behandlung von Gemeinkosten geändert hat, ist bei der Bemessung der Rückstellungen vom Vollkostenansatz auszugehen, da insbesondere eine Passivierung der insgesamt für die Erfüllung der Verpflichtung notwendigen Kosten zu erfolgen hat.

Unter Beachtung der Definition des Erfüllungsbetrags im Rahmen der internationalen Rechnungslegung sowie der nunmehr erfolgten handelsrechtlichen Anpassungsversuche an die IFRS sind konsequenterweise in die Berechnung des Erfüllungsbetrags zukünftige Ereignisse in Betracht zu ziehen, die den zur Erfüllung einer Verpflichtung erforderlichen Betrag beeinflussen können*.

Nach § 253 Abs. 2 HGB n.F. sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr grundsätzlich abzuzinsen. Es erfolgt so eine Annäherung an IFRS. Ziel dieser Regelung ist die Darstellung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens.

Die Abzinsung erfolgt auf der Grundlage des durchschnittlichen Marktzinssatzes der vergangenen sieben Geschäftsjahre. Damit sollen bilanzpolitische Spielräume eingeschränkt werden. Die Bundesbank veröffentlicht monatlich im Internet den anzuwendenden Zinssatz, die Berechnung erfolgt mithilfe einer so genannten Zinsstrukturkurve.

Das Bundesministerium für Justiz hat den Entwurf der RückAbzinsV sowie die auf dessen Basis ermittelten, vorläufigen Abzinsungszinssätze zur Verfügung gestellt:

http:// www.bundesbank.de / statistik / statistik_zinsen.php#abzinsung

oder:

http:// www.bmj.bund.de / enid / 46b674bcbd92308b5f55b0d63f85f9a0,c1b2c85f7472636964092d0935323933 / Bilanzrecht / Rueckstellungsabzinsungsverordnung_1mk.html

Durch die Verpflichtung zur Abzinsung kommt es zu Erträgen und Aufwendungen, die im Finanzergebnis unter den entsprechenden Posten Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge bzw. Zinsen und ähnliche Aufwendungen zu erfassen sind. In der Folge bleibt das operative Ergebnis und der EBIT (Earnings Before Interest and Taxes) unberührt.

Rückstellungen mit einer (Rest-)Laufzeit von einem Jahr und weniger sind nicht abzuzinsen, so bei der noch zulässigen Aufwandsrückstellung.

Liegt eine Rückstellung in Form einer Fremdwährungsverpflichtung vor und weicht der Marktzins wesentlich vom vorgegebenen Zinssatz ab, so kann dieser selbst ermittelt oder von privaten Anbietern bezogen werden*.

Damit die Entwicklung des Bilanzpostens Rückstellungen für den Abschlussadressaten transparenter wird, ist es sinnvoll, einen Rückstellungsspiegel zu erstellen.* In dem Rückstellungsspiegel werden die Auswirkungen aus der Ab- und Aufzinsung gesondert darstellt.

Für die buchhalterische Erfassung der Zinsen bestehen zwei Möglichkeiten:

  • Einerseits können die sonstigen Rückstellungen zunächst mit dem vollen Erfüllungsbetrag im operativen Ergebnis erfasst werden. Eine Abzinsung erfolgt im zweiten Schritt und berührt damit das Finanzergebnis. Letztlich führt diese Methode zu einem niedrigeren operativen Ergebnis und in gleicher Höhe zu einem höheren Finanzergebnis.

  • Andererseits kann die Rückstellung abgezinst und somit zu ihrem Barwert erfasst werden. Im Ergebnis führt dies dazu, dass das operative Ergebnis höher ist als im ersten Fall. Die Regelung des § 277 Abs. 5 S. 1 HGB steht dem nicht entgegen.

Beispiel:

Erfüllungsbetrag: 1.500 Euro
Laufzeit: 3 Jahre
Zinssatz: 4 Prozent
Barwert: 1.500 Euro / 1,043 = 1.333,50 Euro

Methode 1

Periode 01

Aufwand

1.500 Euro

an sonstige Rückstellung

1.500 Euro

sonstige Rückstellung

166,50 Euro

an Zinserträge

166,50 Euro

Periode 02

Zinsaufwand

53,33 Euro (03: 55,47 Euro, 04: 57,70 Euro)

an Rückstellung

53,33 Euro (03: 55,47 Euro, 04: 57,70 Euro)


Methode 2

Periode 01

sonstiger betrieblicher Aufwand

1.333,50 Euro

an sonstige Rückstellung

1.333,50 Euro

Periode 02

Zinsaufwand

53,33 Euro (03: 55,47 Euro, 04: 57,70 Euro)

an Rückstellungen

53,33 Euro (03: 55,47 Euro, 04: 57,70 Euro)



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