Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte verzögert sich

19.12.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: SH C - Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.

Falsche Daten und Softwarefehler führen zum Chaos bei der anstehenden Umstellung des Lohnsteuerabzugsverfahrens.

„Die geplante Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM), die ab dem 1. Januar 2012 die bisherige Lohnsteuerkarte ersetzen sollten, wird sich um ein weiteres Jahr verzögern“, sagt Thomas Herrmann, Steuerberater und Partner bei der Münchner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft SH+C. Als möglicher neuer Starttermin ist nun der 1. Januar 2013 im Gespräch, allerdings ist der tatsächliche Termin bis jetzt ebenso unsicher wie die genaue Vorgehensweise für die Übergangszeit. Auch die bei den Finanzämtern gespeicherten Lohnsteuermerkmale für die Arbeitnehmer sind noch in vielen Fällen fehlerhaft. Das zeigen die Schreiben mit den gespeicherten Daten, die die Arbeitnehmer in den letzten Wochen vom Finanzamt erhalten haben.

Bisher gab es zur ELStAM-Einführung von offizieller Seite nur wenige Erklärungen des Bundesfinanzministeriums: Am 31. Oktober teilte das Ministerium mit, dass sich die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte auf Grund von Verzögerungen bei der technischen Erprobung des Abrufverfahrens verschieben wird. Bund und Länder würden daher einen neuen Termin und die weitere Vorgehensweise für den Start abstimmen. Am 02. Dezember gab nunmehr das Bundesfinanzministerium als neuen Starttermin für die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte den 1. Januar 2013 bekannt.

Damit folgt das Bundesfinanzministerium dem Rat des Deutschen Steuerberaterverbandes, den Start von ELStAM um ein weiteres Jahr zu verschieben. Für die Arbeitgeber bedeutet dies, dass auch im kommenden Jahr die Lohnabrechnungen auf der Grundlage der Lohnsteuerkarte 2010 anzufertigen sind.

„Wenn sich die für den Lohnsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse geändert haben, können Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber auch das ELStAM-Informationsschreiben für den Lohnsteuerabzug zur Verfügung stellen“, erläutert SH+C-Steuerexperte Herrmann. Das teilt das Sächsische Finanzministerium in einer Pressemitteilung mit. Arbeitnehmer, die eine Korrektur der ELStAM-Daten veranlasst haben, sollen demnach noch im Dezember 2011 ein korrigiertes Schreiben erhalten.

Wird stattdessen weiterhin die Lohnsteuerkarte 2010 verwendet, kann es zu gravierenden Steuernachzahlungen kommen, wenn ein jetzt noch auf der Lohnsteuerkarte eingetragener Freibetrag für 2012 nicht neu beantragt wurde oder weggefallen ist. Der Freibetrag wird dann nämlich vorerst weiter berücksichtigt, die zu wenig einbehaltene Lohnsteuer wird dann aber mit der Umstellung auf das neue Verfahren fällig.

„Den Freibetrag für ein Jahr können Arbeitnehmer übrigens bis zum 30. November des laufenden Jahres beantragen“, führt Herrmann aus. Auch wer also jetzt vergisst, einen Antrag für 2012 zu stellen, hat noch fast das ganze Jahr 2012 die Möglichkeit, sich einen Freibetrag eintragen zu lassen. Für 2011 endet die Möglichkeit, einen Freibetrag zu beantragen, entsprechend mit dem 30. November 2011.

Auch wenn die Finanzverwaltung die Verzögerung in erster Linie mit Softwareproblemen bei der Datenschnittstelle für die Arbeitgeber begründet, gibt es noch ein weiteres Problem bei ELStAM: Mittlerweile hat ein Gutteil der Arbeitnehmer vom Finanzamt ein Schreiben mit den ab 2012 für sie gültigen Lohnsteuerabzugsmerkmalen erhalten. Dabei hat sich gezeigt, dass in vielen Fällen die derzeit beim Finanzamt gespeicherten Lohnsteuermerkmale nicht korrekt sind. Die Betroffenen müssen dann aktiv werden und bei ihrem Finanzamt eine Korrektur beantragen.

Besonders häufig gibt es Probleme mit der Steuerklasse bei Ehepaaren, die bisher die Steuerklassen III und V hatten. Oft ist jetzt bei beiden Ehegatten die Steuerklasse IV gespeichert. Auch bei der Anzahl der Kinderfreibeträge und den Angaben für den Kirchensteuerabzug wurden häufiger Fehler gemeldet. Weil die Finanzämter inzwischen mit Korrekturanträgen überflutet werden und der Versand der Schreiben an die Arbeitnehmer noch nicht einmal abgeschlossen ist, konnte der 01. April 2012 als ELStAM-Starttermin nicht gehalten werden, weil die Finanzämter mit der Bearbeitung der Korrekturen nicht nachkommen.

„Eine Redensart sagt, dass man aus Fehlern klug wird. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass es eine Ausnahme gibt, die diese Regel bestätigt: Es gelingt der deutschen Verwaltung beim besten Willen nicht, ein großes IT-Projekt fehlerfrei zum anvisierten Starttermin umzusetzen. Die Beispiele dafür sind mittlerweile Legion - von der Einführung der Lkw-Maut über die Steueridentnummer bis zum jetzt wieder abgeschafften ELENA.“, fasst SH+C-Steuerberater Herrmann die Situation zusammen.

Angesichts dieser Bilanz fragt man sich, was die Verantwortlichen in der Finanzverwaltung wohl geritten haben muss, als sie noch bis Ende Oktober von einer reibungslosen Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte (ELStAM) ausgegangen sind. Man hätte jedenfalls viel Chaos vermeiden und die Nerven aller Beteiligter schonen können, wenn man in der Finanzverwaltung früher auf die offenbar doch recht gravierenden Probleme reagiert hätte.

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