Berechnung und Bewertung latenter Steuern

24.01.2012  — Cliff Einenkel.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Bildung latenter Steuern nach § 274 HGB a.F. sowie nach BilMoG entspricht grundsätzlich der Liability-Methode.

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Die Bildung latenter Steuern nach § 274 HGB a.F. sowie nach BilMoG entspricht grundsätzlich der Liability-Methode. Dieser Ansatz wird auch bei den IFRS im IAS 12 verfolgt. Das HGB sieht eine Steuerlatenz in Höhe der voraussichtlichen Steuerbelastung oder -entlastung künftiger Geschäftsjahre vor. Die Steuerabgrenzungen sind aufzulösen, sobald sie sich umkehren oder mit diesen nicht mehr zu rechnen ist. Dies gilt auch, wenn mit einer anderen Steuerbelastung oder -entlastung als der ursprünglich ermittelten Höhe zu rechnen ist. Bei der Ermittlung latenter Steuern ist also die im Zeitpunkt der Umkehrung der zeitlichen Differenzen effektive Steuerbelastung oder -entlastung zugrunde zu legen.

Der Unterschied im Vergleich zur Bildung latenter Steuern nach HGB a.F. ist die Anwendung des Temporary-Konzept. Nach § 274 Abs. 1 HGB werden die handelsrechtlichen Wertansätze von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten den steuerlichen Wertansätzen gegenübergestellt. Aus § 274 HGB lässt sich folgendes Berechnungsschema ableiten.

Abbildung: Berechnungsschema latenter Steuern nach § 274 HGB*

Ausgehend von dem Ergebnis der Berechnung ist in der Bilanz ggf. eine latente Steuer auszuweisen.

Steuersatz

§ 274 Abs. 2 Satz 1 HGB bestimmt, dass latente Steuern unter Zugrundelegung des im Zeitpunkt der Umkehrung der Differenzen gültigen unternehmensindividuellen Steuersatzes zu ermitteln sind. Der Gesetzgeber wählte aufgrund der Konzernrechnungslegung den Begriff der unternehmensindividuellen Steuersätze. Für die Abgrenzung von latenten Steuern bei Konsolidierungsmaßnahmen sind auch die Steuersätze der Tochterunternehmen heranzuziehen. Bezüglich der Zugrundelegung des Steuersatzes im Zeitpunkt der Umkehrung der Differenzen – also in der Zukunft – dürften sich Schwierigkeiten für die Bilanzierungspraxis ergeben, da in der Regel keine konkrete Aussagen über zukünftige Steuersatzänderungen getroffen werden können.

Bei der Prognose eines künftig anzuwendenden Steuersatzes ist der gegenwärtige Kenntnisstand am Bilanzstichtag maßgebend. Änderungen der Steuersätze sind zu berücksichtigen, wenn der Bundesrat einem Steuergesetz vor oder am Bilanzstichtag zugestimmt hat.* In der Praxis ist demzufolge der jeweilig gültige Ertragssteuersatz am Abschlussstichtag maßgebend, sofern eine Änderung noch nicht vollzogen wurde. Für die Bildung des Steuersatzes zur Verrechnung der latenten Steuern bei KapGes ist grundsätzlich die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer einzubeziehen. Der Körperschaftsteuersatz beträgt derzeit 15 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5 Prozent. Für die Gewerbesteuer wird von einem durchschnittlichen Belastungssatz ausgegangen. Zur Vereinfachung wird von Kürzungen und Hinzurechnungen abgesehen und es wird von einem durchschnittlichen Hebesatz von 400 Prozent sowie einer Steuermesszahl von 3,5 Prozent ausgegangen. Werden Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer unter diesen Prämissen berücksichtigt, so ergibt sich ein Gesamtsteuersatz von 29,83 Prozent. Zur Vereinfachung wird von einem aufgerundeten Steuersatz von 30 Prozent ausgegangen.

Besonderheiten bei Kapitalgesellschaften (& Co.):

Bei der Besteuerung von KapCoGes ist die Besonderheit zu beachten, dass die Einkünfte den Mitunternehmern zugerechnet werden. Bei dem Unternehmen als Steuersubjekt ist demzufolge nur die latente Gewerbesteuer zu berücksichtigen.

Abzinsung

Nach § 274 Abs. 2 Satz 1 HGB sind latente Steuern nicht abzuzinsen. Dieser Verzicht wird damit begründet, dass der Realisationszeitpunkt nicht verlässlich bestimmt werden kann. Darüber hinaus würde dies zu Verzerrungen in der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage führen. Der Gesetzgeber folgt damit den internationalen Gepflogenheiten, IAS 12.

Regelmäßige Überprüfung der Steuerabgrenzungen

Da latente Steuern für die Zukunft gebildet werden, ist eine Prognose dahingehend anzuschließen, ob die errechneten Werte unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Entwicklung in den folgenden Geschäftsjahren adäquat sind. Bei dieser Prognose ist das Vorsichtsprinzip zu beachten. Bei der Aktivierung von latenten Steuern ist zu prüfen, dass in ausreichender Höhe zeitliche Differenzen zu versteuern sind, die sich in den Folgejahren voraussichtlich umkehren oder dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausreichend hohe steuerpflichtige Gewinne anfallen. Ein Nachweis zur Dokumentation der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist insbesondere erforderlich, wenn das Unternehmen in der Vergangenheit nicht über nachhaltige Gewinne verfügte. Das Vorsichtsprinzip des HGB impliziert, dass für Passivüberhänge grundsätzlich latente Steuern anzusetzen sind, wenn nicht durch besondere Umstände nicht mit dem Entstehen einer Steuerbelastung zu rechnen ist.

Von besonderer Bedeutung ist ein Nachweis bei aktivierten aktiven latenten Steuern, also Steuerentlastungen. Das Vorsichtsprinzip verlangt eine gewisse Sicherheit der Realisierbarkeit. Als Nachweis kann eine Steuerplanung, die von der operativen Unternehmensplanung zu erstellen, ist dienen.

Für die Bewertung gilt weiterhin folgender Grundsatz: Umso größer der Zeitraum bis zur Umkehrung der Differenzen ist, umso vorsichtiger sind die latenten Steuern zu bewerten; fgf. sind Steuerabgrenzungen auch in einem späteren GJ nachzuholen. Die Annahmen, Schätzungen und Wahrscheinlichkeiten für die Bewertung müssen an jedem Bilanzstichtag neu überprüft werden; ggf. sind die latenten Steuerabgrenzungen neu anzupassen. Bei der Überprüfung sind auch quasi-permanente Differenzen einzubeziehen. Es ist dabei von der erkennbaren Entwicklung am Bilanzstichtag auszugehen.

Latente Steuern in Verlustjahren

Grundsätzlich unterscheidet sich die Bildung von latenten Steuern in Verlustjahren nicht von der in Gewinnjahren. Allerdings kann es erforderlich sein, im Rahmen der Bewertung und Prognose gewisse Anpassungen zu vollziehen.

Entstehen in Verlustjahren temporäre Differenzen, die sich in künftigen Gewinnjahren umkehren, sind die latenten Steuern nach den allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Dies gilt auch dann, wenn der latente Steueraufwand aufgrund eines Verlustrücktrags und des damit verbundenen Erstattungsanspruches bereits Null oder negativ ist. Dieser Ansatz resultiert daraus, dass auch eine Ertragssteuer von Null oder ein Steuerertrag bei verrechnungsorientierter Betrachtung ein zu hoher Steueraufwand sein kann.

Eine planmäßige Auflösung von latenten Steuern in einem Verlustjahr erhöht oder mindert wiederum den Steueraufwand in der Handelsbilanz. Dies geschieht unabhängig davon, ob dieser bereits aufgrund eines Verlustrücktrags bereits Null oder negativ ist. Durch diese Vorgehensweise wird erreicht, dass in Verlustsituationen der buchmäßige und nicht der steuerrechtliche Rücktrageffekt gezeigt wird und der „Sonderposten“ auch im Verlustjahr dem kumulierten Betrag der zeitlichen Abweichungen entspricht.

Zeitliche Differenzen, die sich in voraussichtlich künftigen Verlustjahren umkehren, führen im Geschäftsjahr der Umkehrung zu einer Erhöhung bzw. Verminderung des steuerrechtlichen Verlustvortrags. Die Nutzungsfähigkeit dieser Verlustvorträge ist in die Prognose einzubeziehen. Sind keine in hinreichendem Maße zu versteuernde Ergebnisse vorhanden, sind die latenten Steuern wertzuberichtigen.

Eine Wertberichtigung ist nicht erforderlich, wenn nach der Verlustphase mit hinreichend zu versteuernden Ergebnissen gerechnet werden kann. Für die Beurteilung ist ein Planungshorizont von fünf Jahren zu berücksichtigen.

Eine Wertaufholung in den Folgejahren ist geboten, wenn künftig mit ausreichenden Gewinnen bei hinreichender Wahrscheinlichkeit gerechnet werden kann.

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