07.04.2016 — Melanie Eilers, Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Probleme zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer können vielfältig sein. In der Praxis wird die Vertragsbeziehung nicht selten zusätzlich dadurch verkompliziert, dass weitere Auftraggeber Nachunternehmer beteiligt sind. Nicht selten liegen die Ansichten der beteiligten Parteien über die geschuldeten Leistungen oder die Mangelfreiheit der Leistung soweit auseinander, dass eine gemeinsame Fortführung des Bauvorhabens nicht mehr gewünscht ist.
In diesem Fällen müssen sich die Parteien damit beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen der Bauvertrag gekündigt werden kann und welche Folgen diese Kündigung für den Auftragnehmer und den Auftraggeber hat. Wegen des Umfangs dieses Thema beziehen sich die folgenden Ausführungen nur auf die Kündigungsrechte nach der VOB/B.
Die sogenannte freie Kündigung kann bis zur Vollendung der Leistung jederzeit erklärt werden. Es bedarf weder eines Grundes noch einer Ankündigung oder Fristsetzung. Die freie Kündigung gibt mithin die Möglichkeit, sich ohne Begründung vom Bauvertrag zu lösen. Sie ist in § 8 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B geregelt.
Die Kündigung aus wichtigem Grund kann nur erklärt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der den Kündigenden zur Beendigung des Vertrages berechtigt. Das ist in der Regel der Fall, wenn der andere Vertragsteil eine Pflichtverletzung begeht, die so schwerwiegend ist, dass dem anderen Vertragsteil die Fortführung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann. Die VOB/B regelt die wichtigen Gründe für den Auftraggeber in § 8 VOB/B und für den Auftragnehmer in § 9 VOB/B.
Nein, die freie Kündigung kann gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B nur vom Auftraggeber erklärt werden. Deshalb spricht man in der Praxis häufig auch von einer „freien Auftraggeberkündigung“.
Grund für das freie Kündigungsrecht des Auftraggebers ist, dass der Bauvertrag durch seine lange Laufzeit Ähnlichkeit mit einem Dauerschuldverhältnis hat. Es kommt nicht selten vor, dass sich die Entscheidungsgrundlagen für das Bauvorhaben nach Vertragsschluss derart ändern, dass der Auftraggeber sich von dem Vertrag mit dem Auftragnehmer ändern will/muss. Derart geänderte Verhältnisse können beispielsweise vorliegen, wenn die Bauherren sich scheiden lassen und das Bauvorhaben deshalb nicht mehr ausgeführt werden soll oder wenn der Bauherr einzelne Gewerke in Eigenleistung erbringen will.
Entscheidet sich der Auftraggeber dazu, eine freie Kündigung auszusprechen, geschieht das, ohne dass der Auftragnehmer sich Etwas hat zuschulden kommen lassen. Der Auftraggeber kann sich nach freiem Belieben vom Vertrag lösen, ohne dass der Auftragnehmer dadurch benachteiligt werden oder einen Schaden erleiden darf.
Deshalb sieht § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B i.V.m. mit § 649 BGB vor, dass der Auftragnehmer im Falle einer freien Auftraggeberkündigung berechtigt ist, die vereinbarte Vergütung zu verlangen. Das bedeutet, dass der Auftragnehmer im Grundsatz den im Vertrag festgelegten Werklohn verlangen kann, ohne dass er die Werkleistung erbringen muss.
Weil der Auftragnehmer aber auch nicht besser gestellt werden soll als bei der Durchführung des Vertrages, muss er sich diejenigen Aufwendungen anrechnen lassen, die er infolge der Kündigung erspart (sogenannte „ersparte Aufwendungen“) oder durch die anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben hat bzw. böswillig zu erwerben unterlässt. Kann der Auftragnehmer seine Arbeitskraft bzw. seine Mitarbeiter also bei einem anderen Auftrag gewinnbringend einsetzen oder gelingt es ihm, einen Ersatzauftrag zu erhalten, muss er sich die dort erzielten Einnahmen anrechnen lassen. Das gilt auch, wenn der Auftragnehmer Ersatzaufträge bewusst nicht annimmt oder keinerlei Anstrengungen unternimmt, um neue Ersatzaufträge zu erhalten. In diesem Fall verletzt er seiner Verpflichtung zur Minderung des Schadens beim Auftraggeber, so dass auch die böswillig nicht erzielten Einnahmen angerechnet werden.
Darlegung und Durchsetzung des Vergütungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B bereiten in der Praxis oft Schwierigkeiten. Der Auftragnehmer muss eine nachvollziehbare Abrechnung vorlegen, aus der sich 1) die vor der Kündigung erbrachten und 2) die nicht erbrachten Leistungen ergeben. Die erbrachten Leistungen müssen gemäß den vertraglichen Vereinbarungen abgerechnet werden. Bezüglich der nicht erbrachten Leistungen muss der Auftragnehmer darstellen, welche Aufwendungen er erspart bzw. welche anderweitigen Einnahmen er erzielt hat.
Gemäß § 8 VOB/B liegt ein wichtiger Grund für eine Kündigung vor,
Neben den in § 8 VOB/B genannten Gründen liegt ein wichtiger Kündigungsgrund vor, wenn die Fortführung des Vertrages für den Auftraggeber bei Abwägung aller Umstände unzumutbar ist. Bei diesem wichtigen Grund handelt es sich jedoch um einen Auffangtatbestand, der nur in Ausnahmefällen vorliegt. Eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, die dazu führt, dass es dem Auftraggeber nicht mehr zugemutet werden kann, weiter mit dem Auftragnehmer zusammenzuarbeiten wird durch die Gerichte nur in Einzelfällen bejaht. Beispiele aus der Rechtsprechung sind die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung durch den Auftragnehmer, das Festhalten des Auftragnehmers an einer den Regeln der Technik widersprechenden Ausführung oder die Bestechlichkeit des Auftragnehmers. Bei diesen Beispielen wird klar, dass diese in der Praxis nicht zweifelsfrei vorliegen werden. Deshalb ist bei einer Kündigung wegen Unzumutbarkeit Vorsicht geboten.
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