04.02.2015 — Lars Kaupisch. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Einen Freipinkelschein stellt das Urteil des AG Düsseldorf vom 20. Januar 2015 (42 C 10583/14) nicht dar. Denn die Frage, ob das Urinieren im Stehen Teil des vertragsgemäßen Gebrauchs der Wohnung ist, ließ das Gericht bewusst offen. Es beschäftigte sich nur mit der konkreten Frage, ob die Kläger für Urinschäden am im Bad verlegten Marmor zu Schadenersatz herangezogen werden könnten.
Diese Frage verneinte das Gericht im vorliegenden Fall sogar unter der expliziten Annahme, dass stehendes Urinieren nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch gehöre, da kein Verschulden der Mieter vorliege. Damit gab es den Klägern Recht, die auf Herausgabe der Mietsicherheit geklagt hatten. Diese war von der Vermieterin einbehalten worden, um davon die Kosten zu decken, die ihr nach dem Auszug der Mieter entstanden waren.
Der wesentliche Anteil der Kosten war aus dem Ersetzen der Marmorfliesen entstanden, die durch Urinspritzer abgestumpft waren. Dass Urin dafür verantwortlich war, hatte ein Gutachter bezeugt. Dieser hatte allerdings auch ausgesagt, dass er seine Kunden beim Verlegen vergleichbar empfindlicher Böden regelmäßig besondere Pflegehinweise mit auf den Weg gebe.
In dieser Pflicht sah das Gericht hier auch die Vermieter, denn Stehpinkeln sei noch weit verbreitet. Wörtlich lautete die Begründung, die wir Ihnen in all ihrer Schönheit nicht vorenthalten wollen, folgendermaßen:
"Jemand, der diesen früher herrschenden Brauch noch ausübt, muss zwar regelmäßig mit bisweilen erheblichen Auseinandersetzungen mit – insbesondere weiblichen – Mitbewohnern, nicht aber mit einer Verätzung des [...] verlegten Marmorbodens rechnen."
Da die Auswirkungen von Urin auf Marmorboden nicht zum Allgemeinwissen der mehrheitlichen Bevölkerung gehöre, hätten die Mieter vom Vermieter gesondert darauf hingewiesen werden müssen.
Über diesen Punkt gehen die Meinungen in Reaktion auf das Urteil allerdings weit auseinander. In Foren und Blogs diskutieren Nutzer intensiv darüber, ob man dem normalen Menschen nicht durchaus zumuten könne zu wissen, dass gewisse Säurekonzentrationen, wie sie auch im Urin enthalten sein können, für Marmor gefährlich werden. Hier werden bereits amerikanische Verhältnisse befürchtet, nach denen man selbst vor der Hitze heißen Kaffees gewarnt werden kann.
Andere vertreten die Auffassung, Spritzer und daraus resultierende Abnutzungen solle man als Teil des normalen Gebrauches betrachten. Dritte halten schlicht das Verlegen von empfindlichen Materialien im Badezimmer für Quatsch.
Potenzial für weitere Prozesse und Urteile besteht also – und damit auch die Aussicht auf ein Grundsatzurteil zur Frage, ob der Mieter frei ist zu pinkeln, wie er will.
Lesen Sie » hier einen weiteren kuriosen Gerichtsfall zu Sauberkeitsproblemen im Badezimmer.
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