Macht e-Learning wirklich immer Sinn? Nein! – Transkript eines Interviews

18.12.2018  — Eva Selan.  Quelle: HRweb e.U..

E-Learning ist schnell, hip, vielerorts einsetzbar, individualisierbar, uvm. Und doch ist es nicht für Jedermann und für jeden Zweck geeignet. Ich bin heute auf der Suche nach den Grenzen von eLearning. Ein Experteninterview.

Bevor wir ins Interview einsteigen, ein Blick aus einem anderen Betrachtungswinkel:

Mag. Paul Krumböck (Institute of Microtraining): Grundsätzlich bevorzuge ich es statt dem Begriff „eLearning“ von „Digitalisierung der Weiterbildung“ zu sprechen. Der Einfluss digitaler Technik für Bildung und Wissenschaft ist so weitreichend, dass die Auseinandersetzung mit digitalen Lernmedien den gesamten Transformationsprozess in den Blick nehmen sollte. Die Frage, die sich in diesem Kontext hinsichtlich der Kontraproduktivität des Einbezuges digitaler Lernmedien in unternehmerischen Lernprozesse stellt, entfernt eher von der Frage wie sich digitale Weiterbildung in der Breite verankern lässt, als dass sie zur nachhaltigen Veränderung von Lernkulturen beiträgt.

Für wen & wann macht eLearning keinen Sinn und ist sogar kontraproduktiv?

Reinhard Krechler, MSc (Beraterkreis): Für alle Mitarbeiter eines Unternehmens, die nicht aus freiwilligen Stücken an einem Trainings-/Weiterbildungsprogramm teilnehmen.

Mag. Roland Pichler (Aspire Education): Wenn jemand unbedingt den Rahmen eines Seminarraums benötigt und der persönliche Austausch mit den anderen Kursteilnehmern im Vordergrund steht.

Für welche Mitarbeiter-Ebene empfehlen Sie eLearning besonders?

Mag. Roland Pichler (Aspire Education): Ein E-Learning zum Thema Compliance, das gut aufbereitet wurde und das vollkommen zeit- und ortsunabhängig absolviert werden kann, ist für jede Mitarbeiter-Ebene geeignet. Ich würde also hier keine Mitarbeiter-Ebene besonders hervorheben, sondern den Inhalt des Trainings und die Bedürfnisse der Zielgruppe als entscheidend erachten.

Reinhard Krechler, MSc (Beraterkreis): Das hängt vom Thema ab. Im Krankenhaus werden zB die Reinigungskräfte sehr erfolgreich mittels Lehrvideos über die richtige Gebahrung und Mischungsverhältnisse von Desinfektionsmitteln geschult. Generell aber lässt sich sagen, dass fachlich engagierte Mitarbeiter oder Führungskräfte auf Team- und Bereichsleiterebene eine geeignete Zielgruppe darstellen. Wenn digitale Lernmedien im Unternehmen zur Verfügung stehen, führt dies nicht automatisch zu ihrer Nutzung. Es bedarf einer Aufbereitung, die einerseits selbstgesteuertes Lernen fördert und gleichzeitig eine Lernprozessbegleitung durch Trainer sicherstellt.

Mag. Paul Krumböck (Institute of Microtraining): Reines digitales Lernen kann insbesondere dann einen Beitrag leisten, wenn Prozessabläufe wie bspw. die Bedienung neuer Maschinen in der Produktion oder Handbücher in der Hotellerie vom Mitarbeiter gelernt werden sollen. So lässt sich der Lernprozess zeitlich und örtlich flexibel organisieren, was wiederum keine Ausfälle erforderlich macht.

In welchen Branchen macht eLearning besonders viel Sinn?

Reinhard Krechler, MSc (Beraterkreis): Alle Branchen mit Filialwesen, die vor der logistischen und zeitlichen Herausforderung zentral stattfindender Trainingsmaßnahmen stehen.

Mag. Paul Krumböck (Institute of Microtraining): Heute kreist die Diskussion im Weiterbildungssektor um die Frage, in welchen Branchen digitale Lernmedien besonders viel Sinn machen. Die Antwort ist ganz einfach: In jenen Branchen, in denen alle Akteure von der Geschäftsführung, über HR bis zum Mitarbeiter die Chancen digitaler Lernmedien nutzen wollen.

Mag. Roland Pichler (Aspire Education): Ich würde die Sinnhaftigkeit eher über die Art der Inhalte und die Bedürfnisse der Lernenden als über die Branchen definieren: eignen sich die Inhalte gut für die Aufbereitung als eLearning? Welche Erwartungen hat meine Zielgruppe?

Wann würden Sie eLearning den Vorzug geben, wann eher Blended Learning?

Mag. Paul Krumböck (Institute of Microtraining): Die alleinige Bereitstellung traditioneller Unterrichtsmethoden in digitaler Form führt keineswegs zur Veränderung einer Lernkultur. An dieser Stelle muss eine Entwicklung von Lernprozessen, die von digitalen Lernmedien profitieren, aktiv angestoßen werden. Das kann in Form von Blended Learning-Settings umgesetzt werden, die als Auftakt zur digitalen Lernphase dienen und Lernende in neue Themen sowie die Phase des selbstgesteuerten Lernens einführen.

Mag. Roland Pichler (Aspire Education): Wenn kein persönliches Nachfragen bzw. persönlicher Austausch zu einem Thema notwendig ist, würde ich auf eLearning setzen: kleine Lerneinheiten, deren Beherrschung jederzeit mit spielerischen Tools überprüft werden kann. Wenn der Lernerfolg von persönlichen Anmerkungen und dem Erfahrungsaustausch der Teilnehmer verstärkt werden, empfiehlt sich eine Live-Learning oder Präsenzeinheit.

Reinhard Krechler, MSc (Beraterkreis): Ich würde reines E-learning nur jenen empfehlen, die von sich aus nach Lerninputs suchen und die auch die persönliche Bereitschaft (Committment) mitbringen, sich auf selbstorganisiertes Lernen einzulassen. Ich verwende im Führungskräftetraining einen Mix aus Onlinevideotraining für die Managementtools und Präsenzterminen zu Reflexion sowie Einzelcoaching zB über Skype.

Das Interview wurde von Eva Selan geführt. Gesprächspartner waren Mag. Paul Kurmoböck - Senior Partner am Institute of Microtraining und Reinhard Krechler, MSc - Eigentümer und Geschäftsführer von RK COR Beraterkreis e.U.

Quelle: HRweb e.U.

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