Lernen lernen – Theorien und Alltag Teil 4

24.06.2020  — Jasmin Dahler.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ein Leben lang lernen. Das wird in der Arbeitswelt von einem erwartet, doch wie lernen wir überhaupt? Eine Frage, die sich schon viele Psychologen und Psychologinnen gestellt haben. Erfahren Sie etwas über verschiedene Theorien und Möglichkeiten, um sich selber das Lernen zu vereinfachen. Heute geht es um kognitive Lernprozesse.

In den vergangenen Teilen (alle zu finden im Videocampus-Newsletter) wurde deutlich, dass eine große Bandbreite von Verhalten in der Psychologie bereits als Produkt einfacher Lernprozesse verstanden wird. Nun ist doch die Frage, gibt es bestimmte Formen des Lernens, die deutlich komplexere kognitive Arten von Prozessen erfordern?

Als Kognition bezeichnet man jede mentale Aktivität, die für die Verarbeitung von Wissen eingesetzt wird. Darunter fallen das Denken, Erinnern, aber auch das Warnehmen von Dingen und die Verwendung von Sprache.

Räumliches Denken: Wo habe ich nur?

Begeben wir uns für das erste Beispiel wieder in die Tierwelt. In Amerika lebt eine Vogelart aus der Gattung der Tannenhänner, die sich im späten Sommer bis zu 6000 Verstecke für Pinienkörner im Bergland des amerikanischen Südwestens anlegen. Im darauffolgenden Frühling holen sie das Futter aus ihren Verstecken. Dabei finden sie diese nicht per Zufall wieder, sondern mit einer Trefferquote von 84 %. Hinzukommt, dass sie Orte, die sie bereits geleert haben, nicht erneut anfliegen. Das bedeutet, dass diese Vögel ein räumliches Gedächtnis haben. Nicht ungewöhnlich für Tiere, die für ihre Nahrungssicherung sehr stark von Futterverstecken abhängig sind.

Auch Ratten haben ein räumliches Gedächtnis. Edward C. Tolman (1886-1959) stellte in seinen Experimenten fest, dass Ratten, wenn sie sich in einer Umgebung auskannten, bei einer unerwarteten Wegblockierung immer den kürzesten Umweg um das Hindernis herum nahmen. So wie wir beim Autofahren in vertrauten Umgebungen auch eher auf unsere kognitive Landkarte als auf das Navi achten.

Ein Rose ist eine Blume: Dinge kategorisieren

Im Laufe der Jahre lernen wir neue Konzepte und Kategorien kennen. Wir wissen, dass Hunde Tiere und keine Blumen sind und dass Tische künstliche, von Menschen hergestellte Dinge sind. Doch nicht nur wir wissen das.

In einem Experiment wurden Tauben verschiedene Farbfotografien von Menschen, Blumen, Autos und Stühlen präsentiert. Damit die Tauben etwas zu Essen erhielten, mussten sie eine von zwei korrekten Reaktionen zeigen. Bei der ersten Hälfte des Versuchs mussten die Tauben auf eine von vier Tasten picken. Handelt es sich bei dem Bild um einen Menschen, eine Blume, ein Auto oder einen Stuhl? Bei der zweiten Hälfte gab es nur noch zwei Tasten und die Tauben mussten bestimmen, ob es sich beim Gezeigten um einen natürlichen Reiz (Mensch und Blume) oder um einen künstlichen Reiz (Stuhl und Auto) handelte. Die Fotos wurden zufällig ausgespielt.

Tatsächlich fiel es den Tauben sehr leicht, die Kategorieabfragen nach einem kurzen Lernprozess zu bestehen. Im Anschluss des Experiments erweiterten die Forscher*innen die Bilder mit weiteren Fotografien (Tiere etc.). Und auch diese Fotos konnten die Tauben überdurchschnittlich oft ohne Training richtig zuordnen.

Kinder durchlaufen übrigens einen ähnlichen, aber weitaus komplexeren Prozess, wenn sie neue Wörter lernen. Wenn eine Mutter auf eine Katze zeigt und sagt: „Das ist eine Katze“, muss das Kind einen Entscheidungsprozess durchlaufen. Auf welchen Ausschnitt der Realität bezieht sich das Wort Katze? Ein Lebewesen mit vier Beinen? Ein Wesen mit Fell? Das Miauen? Kinder müssen eine Hypothese aufstellen, um das Wort Katze dem richtigen Ausschnitt der Realität zuzuordnen. Dabei kann es vorkommen, dass sie Wörter überdehnen (Alle Tiere sind Katzen) oder überspezifizieren: (Nur dieses eine Lebewesen ist eine Katze).

Achtung vor dem Fernsehe

Der Mensch durchlebt noch viele andere kognitive Prozesse und das eigentlich jeden Tag. Eine andere Form der kognitiven Verarbeitung kennen Sie vielleicht unter dem Begriff Beobachtungslernen.

Wir erinnern uns an die Konditionierung und die damit verbundenen Verstärker und Bestrafungen. Nun müssen wir diese nicht selbst erleben. Es genügt, wenn wir sie bei anderen Personen beobachten, um zu dem Schluss zu kommen: Wenn ich genau das tue, was er tut, werde ich den gleichen Verstärker oder die gleiche Bestrafung erhalten. Oder anders gesagt: Wir lernen von den Fehlern und Erfolgen anderer und sparen damit Zeit.

Albert Bandura machte übrigens 1963 ein Experiment mit Kindern. Diese beobachteten Erwachsene dabei, wie sie eine große Clownspuppe aus Plastik gestoßen, geschlagen und getreten haben. Die Kinder zeigten im Gegensatz zu einer Kontrollgruppe ein erhöhtes aggressives Verhalten gegenüber der Puppe. Spätere Studien sollten zeigen, dass es bereits genügt, wenn Kinder dieses Verhalten gefilmt oder als Cartoon sehen, um es zu imitieren. Man sollte daher die Theorie, dass Kinder durch das, was sie im Fernsehen sehen, lernen – auch positive Verhaltensweisen, ernst nehmen.

So hilft kognitives Lernen im Alltag

Wenn Sie nochmal aufmerksam die Experimente durchgehen, werden Sie feststellen, dass kognitives Lernen aus mehreren Teilelementen besteht:

Aufmerksamkeit: Das Gehirn muss täglich entscheiden, welche Eindrücke und Informationen relevant sind und welche nicht. Ansonsten könnten sich die Vögel zum Beispiel nicht merken, wo sie etwas versteckt haben

Wahrnehmung: Die bewusste Informationsaufnahme, bei der die verschiedenen Sinnesorgane zum Einsatz kommen. Wenn wir das erste Mal in unserem Leben ein neues Objekt sehen, nehmen wir nicht nur sein Aussehen war, sondern auch dessen Geräusche, die Gerüche oder wie sich etwas anfühlt.

Lernen: Die Lernfähigkeit beschreibt die Fähigkeit des Menschen, sich Verhaltensweisen anzueignen. Wenn wir als Kind sehen, wie sich jemand auf einen Stuhl setzt, werden wir uns künftig auch vermehrt auf einen Stuhl setzen, anstatt auf diesem zu stehen.

Erinnern: Das ist die Fähigkeit von Menschen, Informationen im Gedächtnis zu speichern, um sie später wieder hervorzurufen. Unser Gehirn speichert: Ein Stuhl hat vier Beine, besteht aus Holz und man kann darauf sitzen.

Abstraktion: Hier kann das Gehirn Situationen oder Erlebtes auf allgemeingültige Eigenschaften reduzieren. Auch Stühle mit nur drei Beinen oder aus Metall werden als diese anerkannt.

Wer seine kognitive Leistung täglich 10 Minuten schult, wird schneller neue Dinge lernen, deutlich aufmerksamer sein und seine Gedächtnisleistung steigern. Zum Beispiel können Sudoku und Kreuzworträtsel dabei helfen. Auch auf unserem YouTube-Kanal finden Sie einige hilfreiche Übungen.

Ausblick: Lesen Sie im nächsten Teil etwas über das Gedächtnis.

Bild: Pixabay (Pexels, Pexels Lizenz)

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