Bleiben Sie gelassen! (Teil 1 von 3)

28.04.2020  — Tobias Weilandt.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Durch die Pandemie werden wir alle mit neuen Herausforderungen konfrontiert – z. B. Homeoffice. Um Sie in dieser Zeit zu unterstützen, beginnen wir mit einer dreiteiligen Reihe. Und was könnte in dieser chaotischen Zeit besser helfen als ein wenig Philosophie? Wir präsentieren Ihnen die Reihe “Philosophie fürs Homeoffice” und beginnen mit dem derzeit entscheidenden Thema “Gelassenheit”.

Gelassenheit, so der Philosoph Wilhelm Schmid, sei ein Phänomen des Alters. Etwa ab 60 schauen wir gelassener zurück und nach vorn und erkennen, was wirklich relevant im Leben ist. Nun müssen wir freilich nicht so lange warten, um uns in Gelassenheit zu üben. Ein Blick in die Philosophiegeschichte zeigt uns, dass Gelassenheit ein Begriff ist, der auch unabhängig des Alters sinnvoll definiert und ausgeübt werden kann. So gilt sie als “eine Einstellung zum Leben im Ganzen, die einen vernünftigen Umgang mit dem Unverfügbaren ermöglicht”.

Gelassen sind wir also dann, wenn wir nicht nach dem streben, was sowieso temporär oder dauerhaft unerreichbar ist: Es ist vergebliche Liebesmüh, sich über den ausgefallenen Urlaub zu ärgern, während in der Welt tagtäglich Menschen an COVID-19 erkranken und sterben. Ab Ende 20 werden wir keine Profifußballer*innen mehr, wenn wir es bis dahin nicht geschafft haben. Solcherlei Ziele haben, wenn wir gelassen auf die Welt schauen, keinen Einfluss auf den “Sinn des Lebens”. Denn, so ist die philosophische Überzeugung des Philosophen Meister Eckhart (ja, der hieß wirklich so), es sei irrational, sich über die conditio humana hinwegzusetzen und es mit Ende 20 mit dem Profifußball doch noch einmal zu versuchen. Unglücklich muss derjenige werden, der “eine vernünftige Zukunft über ihre ernsthafte Vorbereitung hinaus garantiert sehen” will. Wenn wir uns also zeitlebens wünschen Profifußballer*in zu werden, aber nichts dafür tun, müssen wir uns eben mit Ende 20 nicht über diesen ausgelassenen Karriereschritt grämen.

Ganz ähnlich liegt die Sache bei externen Ursachen, wie dem Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie. Es ist ein rationales Kalkül, die Erholung, die man im Urlaub erfährt, gegen die Gefahr der eigenen Ansteckung und der daraus potentiell resultierenden Ansteckung Anderer gegeneinander abzuwägen. Gelassen ist dann, die Einsicht zu gewinnen, dass der Negativwert der Ansteckungsgefahr durch COVID-19, den Wert der Erholung, bei weitem übersteigt.

Als “Ruhe im Geiste” verstanden die Stoiker (u.a. Seneca und Marc Aurel) das Phänomen der Gelassenheit, die auf das “unbewegte Ertragen” der unverfügbaren Ereignisse und Situation des Lebens hinauslaufen. Gelassenheit darf allerdings nicht mit Fatalismus oder reiner Passivität verwechselt werden. Fatalismus und Passivität bedeuteten, stets auf das Beste zu hoffen, aber nichts oder nur sehr wenig dafür zu tun. Wir müssen nur unsere Potentiale und Möglichkeiten sinnvoll bewerten, um dennoch gelassen und damit rational zu handeln.

Wir werden keine Profifußballer*in mehr, wohl aber können wir bspw. auch noch mit 60 einen Fernstudiengang oder Online-Lehrgang auf dem VideoCampus absolvieren. Statt nach Mallorca zu fahren, können Sie für sich neue Hobbys und Interessen entdecken. Überlegen Sie, welche Optionen Sie derzeit haben – trotz der Beschränkungen! Und gerade im Lockdown-Fall sollte man sich stets gewahr werden, dass auch diese Zeit vorbeigehen wird und man dann die eigene Bewegungsfreiheit umso mehr zu schätzen weiß - ganz im Gegenteil zum Wunsch, einmal im Berliner Olympiastadion aufzulaufen und das Siegtor zu schießen.

Bild: bruce mars (Pexels, Pexels Lizenz)

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