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Wirtschaftliches Eigentum an Leasingobjekten im Rahmen von Sale-and-lease-back-Gestaltungen (Kommentar von Udo Cremer)

22.05.2018  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer informiert über ein Urteil zur Sale-and-lease-back-Gestaltung.

Wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO des Leasingnehmers an dem Leasingobjekt kommt nicht in Betracht, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes länger als die Grundmietzeit ist und dem Leasinggeber ein Andienungsrecht eingeräumt ist.

Der Kläger ist Gesamtrechtsnachfolger und ehemaliger Gesellschafter der X GmbH & Co. KG (KG). Geschäftsgegenstand der KG war das Verleasen von Wirtschaftsgütern. Der Kläger war als einziger Kommanditist mit einer Kommanditeinlage von 150.000 EUR zu 100 % am Kapital der KG beteiligt. Komplementärin der KG ohne Kapitalbeteiligung war bis zum 30. August 2008 die G GmbH und ab dem 31. August 2008 die V GmbH. Die Komplementärin schied mit Wirkung zum 16. Dezember 2010 aus der KG aus. Die KG wurde am 29. Dezember 2010 im Handelsregister gelöscht. Sowohl die frühere als auch die spätere Komplementärin befinden sich wegen Insolvenz oder Liquidation in Auflösung. Zwischen Dezember 2006 und Mai 2007 schlossen die KG als Käuferin und zukünftige Leasinggeberin und die P GmbH als Verkäuferin und zukünftige Leasingnehmerin mehrere gleichlautende Kauf- und Leasingverträge ("sale and lease back") über sog. Informationssysteme oder Medienrechner (Leasingobjekte).

Das System bestand jeweils aus einem handelsüblichen Rechner, einer Wandhalterung und TFT-Monitor(en) und diente dazu, an werbewirksamen Standorten von Kunden ("Abonnenten") des Leasingnehmers aufgestellt zu werden und dort Informationsprogramme und Werbesendungen auszustrahlen. Das Geschäftsmodell wurde auch in einer Vielzahl von weiteren, zu diesem Zweck gegründeten Leasinggesellschaften verfolgt und war von der G GmbH als "Renditemodell" konzipiert worden. Das Konzept sah eine prognostizierte Laufzeit der Leasinggesellschaft von acht Jahren vor. Es sah den Erwerb von mobilen neuwertigen Wirtschaftsgütern vor, die zum Teil fremdfinanziert werden könnten. Der Erwerb sollte erfolgen, wenn die Hersteller (oder Verkäufer) eine Rücknahmeverpflichtung eingehen oder das Wirtschaftsgut einen geregelten Gebrauchtmarkt hat. Die Leasingverträge sahen im Streitfall eine Vertragslaufzeit von 48 Monaten vor. Geregelt wurde jeweils ein Kaufpreis (für den Erwerb durch die KG), monatliche Leasingraten (der P GmbH) und ein Restwert in Höhe von 20 % des Kaufpreises bei Vertragsende. Der Kaufpreis der Systeme (Beispiel System 542: Kaufpreis pro Einheit bestehend aus Monitor, Rechner und Halterung von 8.000 EUR netto) und der in den Standortverträgen mit den Abonnenten angegebene Wert der Einheit (beim System 542: 3.800 EUR netto) unterschieden sich erheblich.

Für den Kauf des Leasingobjekts gewährte die Verkäuferin und Leasingnehmerin (P GmbH) als Darlehensgeberin der Käuferin und Leasinggeberin (KG) als Darlehensnehmerin jeweils einen Lieferantenkredit. Außerdem schlossen die KG (als Rückverkäuferin) und die P GmbH (als Rückkäuferin) zeitgleich Rückkaufvereinbarungen, in denen sich die Rückkäuferin verpflichtete, die Leasingobjekte bzw. bei einem Austausch die Ersatzobjekte "auf Verlangen" der KG zurückzukaufen, wenn der Leasingvertrag endet, gleich aus welchem Grund. In der Folgezeit wurde der Leasingvertrag im September 2008 wegen Zahlungsschwierigkeiten der P GmbH außerordentlich von der KG gekündigt. Über das Vermögen der P GmbH wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Eine Verwertung der Leasingobjekte durch die zahlreichen Leasinggesellschaften (Kommanditgesellschaften) konnte in vielen Fällen nicht erfolgen, da die Gegenstände nicht mehr auffindbar oder beschädigt und Ansprüche gegen die P GmbH sowie die Abonnenten teilweise wertlos waren.

Mangels Abgabe einer Feststellungserklärung für den Feststellungszeitraum 2008 (Streitjahr) schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Gewinnfeststellungsbescheid vom 13. Dezember 2010. Das FA beurteilte die Vereinbarungen als bloße Finanzierungsvereinbarungen und rechnete der KG einerseits Zinsanteile aus den Leasingzahlungen zu und zog andererseits als Aufwand insbesondere Zinsen für den Lieferantenkredit sowie weitere Aufwendungen ab. Die Zinsanteile wurden aus den Leasingverträgen und Lieferantenkreditverträgen errechnet. AfA auf die Leasingobjekte berücksichtigte es bei der KG nicht. Diese Berechnung ist zwischen den Beteiligten für den Fall, dass die Leasingobjekte der P GmbH steuerrechtlich zuzuordnen sein sollten, der Höhe nach unstreitig. Der Gewinnfeststellungsbescheid wurde dem damaligen steuerlichen Vertreter als Empfangsbevollmächtigtem der KG bekanntgegeben. Hiergegen legte dieser Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren wurde in der Folgezeit mit dem Kläger fortgeführt, den das FA als Gesamtrechtsnachfolger betrachtete. Am 15. August 2011 erließ das FA unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einen geänderten Schätzungsbescheid. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG wies die Klage mit Urteil vom 1. September 2016 15 K 446/12 als unbegründet ab. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (BFH Urteil vom 21.12.2017, IV R 56/16).

Die Entscheidung des FG, wonach das (wirtschaftliche) Eigentum an den Leasingobjekten nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO im Rahmen des gewählten "Sale-and-lease-back-Verfahrens" nicht auf die KG übergegangen sei und deshalb diese Wirtschaftsgüter nicht in ihrer Steuerbilanz als abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auszuweisen seien, beruht auf einer fehlerhaften Auslegung dieser Zurechnungsnorm. Entgegen der Auffassung des FA bedarf es im Streitfall zur Beantwortung der Frage, ob die Leasingobjekte dem Betriebsvermögen der KG steuerrechtlich zuzurechnen waren, keiner Klärung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den handelsrechtlichen Zurechnungsgrundsätzen und der steuerrechtlichen Zurechnung nach § 39 AO. Denn jedenfalls vor Geltung des § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB wurde die handelsrechtliche Zurechnung von Vermögensgegenständen anhand von § 39 AO bestimmt. Gemäß § 5 Abs. 1 EStG ist bei Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen GoB auszuweisen ist. Für den Ausweis von Wirtschaftsgütern in der Steuerbilanz sind daher im Grundsatz die handelsrechtlichen GoB maßgeblich. Danach hat der Kaufmann nur "seine" Vermögensgegenstände auszuweisen.

Es ist allgemein anerkannt, dass Bestandteil des Vermögens des Kaufmanns nicht nur die ihm zivilrechtlich gehörenden Vermögensgegenstände, sondern auch solche sind, die zivilrechtlich zwar einer anderen Person gehören, die aber nach der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu dem zivilrechtlichen Rechtsinhaber und nach den tatsächlichen Verhältnissen wirtschaftlich Bestandteil seines Vermögens sind. Nach dieser Vorschrift sind Wirtschaftsgüter grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Mit der Einfügung des § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB i.d.F. des BilMoG existiert nunmehr neben § 39 AO eine eigenständige handelsrechtliche Zurechnungsnorm. Nach dieser Vorschrift sind Vermögensgegenstände in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen (Halbsatz 1); ist ein Vermögensgegenstand nicht dem Eigentümer, sondern einem anderen wirtschaftlich zuzurechnen, hat dieser ihn in seiner Bilanz auszuweisen (Halbsatz 2).

In Leasingfällen (auch beim "Lease" im Rahmen eines "Sale-and-lease-back") geht der BFH bei Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO insbesondere von folgenden Grundsätzen aus:

Wirtschaftliches Eigentum des Leasingnehmers ist gegeben, wenn der Herausgabeanspruch des Leasinggebers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat, d.h. dem Leasingnehmer Substanz und Ertrag des Wirtschaftsguts für die voraussichtliche Nutzungsdauer zustehen. Hieran fehlt es im Allgemeinen, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer länger als die Grundmietzeit ist. Denn in einem derartigen Fall ist der Herausgabeanspruch des Leasinggebers gerade nicht wirtschaftlich bedeutungslos. Kann der Leasingnehmer den Leasinggeber hingegen auch für die verbleibende Zeit von der Einwirkung auf das Leasingobjekt ausschließen, ist das Leasingobjekt dem Leasingnehmer zuzurechnen. Allerdings muss der Leasingnehmer hierzu aufgrund einer eigenen, rechtlich abgesicherten Position (z.B. Kauf- oder Verlängerungsoption) in der Lage sein. Ein lediglich dem Leasinggeber eingeräumtes Andienungsrecht reicht hierfür nicht aus. Eine Sondersituation besteht beim Spezialleasing. In diesem Fall kann der Leasinggeber das Leasingobjekt (unabhängig von dem Verhältnis der Grundmietzeit zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer) nicht anderweitig nutzen oder verwerten. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der Leasingnehmer über eine rechtlich abgesicherte Position zum Ausschluss des Leasinggebers verfügt. Denn der Herausgabeanspruch des Leasinggebers ist in diesen Fällen von vornherein wertlos. Hiervon ausgehend hat der Senat in dem Urteil in BFHE 255, 386, BStBl II 2018, 81 entschieden, dass wirtschaftliches Eigentum des Leasingnehmers nicht in Betracht kommt, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasingobjekts länger als die Grundmietzeit ist und nur dem Leasinggeber ein Andienungsrecht zusteht. In einem derartigen Fall fehlt es an einer rechtlich abgesicherten Position des Leasingnehmers, die es ihm ermöglicht, den Leasinggeber für die verbleibende Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Leasingobjekt auszuschließen.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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