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Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht klärungsbedürftig (Kommentar von Udo Cremer)

09.04.2019  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Udo Cremer informiert Sie über die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes bei innergemeinschaftlichen Lieferungen. Wieder einmal wird klar: Die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beinhaltet auch, sich bei Lieferung der Waren nicht nur den Empfang der Ware, sondern auch das Verbringen ins übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigen zu lassen.

  1. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen, trägt der Unternehmer
  2. Die Rechtsprechung des BFH, wonach sich die Frage nach der Gewährung von Gutglaubensschutz gemäß § 6a Abs. 4 UStG erst dann stellt, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist, ist nicht auf die Lieferung von Fahrzeugen beschränkt.

Die Klägerin nahm an, dass sie in den Streitjahren (2012 bis 2014) mehrere nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen von Döner-Imbiss-Zutaten, -Zubehör und Getränken an A und an die B, beide mit Sitz in X, Tschechische Republik, ausgeführt habe. Das FA vertrat nach Durchführung einer Außenprüfung in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom 10. August 2017 die Auffassung, dass die vorliegend streitigen Umsätze steuerpflichtig seien. Die Klägerin habe den Belegnachweis (§ 6a Abs. 3 UStG) nicht geführt. B habe angegeben, keine Geschäfte mit der Klägerin getätigt zu haben. A habe geringere innergemeinschaftliche Erwerbe erklärt als die Klägerin innergemeinschaftliche Lieferungen erklärt habe. Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 9. März 2018).

Das FG wies die Klage in seinem in juris veröffentlichten Urteil ab und ließ die Revision nicht zu. Es entschied, die Lieferungen der Klägerin seien schon deshalb nicht nach § 6a Abs. 1 UStG steuerfrei, weil nicht feststehe, dass die Gegenstände der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt seien. Der Klägerin sei auch kein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG zu gewähren; denn sie habe nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt. Sie habe sich bei Lieferung der Waren lediglich den Empfang der Ware und nicht das Verbringen ins übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigen lassen. Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (BFH Beschluss vom 12.10.2018, XI B 65/18). Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein. Die Beschwerde führt dazu aus, Kernpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung seien die Fragen, welche Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Belegnachweis für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG zu stellen sind und unter welchen Voraussetzungen sich der Lieferant auf Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG berufen kann.

Die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung, die die Beschwerde nicht zitiert, beziehe sich nahezu ausschließlich auf die Lieferung von Kraftfahrzeugen, also langlebige Wirtschaftsgüter von hohem Wert. Vorliegend gehe es hauptsächlich um leicht verderbliche Waren von geringem Wert. Die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns sei nach Auffassung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung der einzelnen Berufs- und Gewerbezweige zu beurteilen. Diese Rechtsfragen sind in Bezug auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 UStG schon deshalb nicht klärbar, weil sich das FG nicht davon überzeugen konnte, dass die Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden sind, was nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG Voraussetzung einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ist. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen, trägt der Unternehmer.

Aber auch hinsichtlich des Gutglaubensschutzes des § 6a Abs. 4 UStG ist der Streitfall nicht grundsätzlich bedeutsam. Der Senat kann dabei offen lassen, ob die Klägerin in Bezug auf § 6a Abs. 4 UStG und die dabei zu beachtende Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns überhaupt eine abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen hat. Jedenfalls ist die Frage, ob die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beachtet wurde, durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden und hat daher keine grundsätzliche Bedeutung. Außerdem stellt sich die Frage nach der Gewährung von Gutglaubensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG nach der ständigen Rechtsprechung des BFH erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist. Daran fehlt es nach den tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitfall.

Es entspricht außerdem nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch zu nehmen, ohne die schriftliche Versicherung des Abnehmers, den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern oder zu versenden, zu besitzen und ohne der Finanzbehörde dies bei der Abgabe der Steueranmeldungen mitzuteilen, so dass in einem solchen Fall die Lieferungen nicht aus Gründen des Gutglaubensschutzes als steuerfrei zu behandeln sein können. Weshalb für die vorliegende Sachverhaltskonstellation zusätzliche oder andere Rechtsgrundsätze entwickelt werden müssten, wird aus dem Vortrag der Klägerin nicht deutlich. Weitergehenden abstrakten Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf; insbesondere sind die genannten abstrakten Rechtssätze der Rechtsprechung des BFH nicht auf die Lieferung von hochwertigen Fahrzeugen beschränkt. Ausführungen, aus denen sich ergibt, der BFH habe über eine bestimmte, dem Streitfall entsprechende Sachverhaltskonstellation noch nicht entschieden, genügen den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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