Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Verlust aus der Veräußerung von Aktien (Kommentar von Udo Cremer)

23.10.2018  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wie wird ein Verlust aus der Veräußerung von Aktien verbucht? Und liegt durch ein steuersparendes Vorgehen ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vor? Auch bei der Veräußerung von Aktien gilt: Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine Gestaltung noch nicht unangemessen. Udo Cremer kommentiert.

  1. Eine Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig
  2. Es steht grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen, ob, wann und mit welchem Ertrag er Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert. Dadurch macht der Steuerpflichtige lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch, missbraucht diese aber nicht.

Der Kläger hatte in den Jahren 2009 und 2010 über die Sparkasse X 800 Inhaber-Stammaktien der G-SE zu Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 5.759,78 EUR erworben. Einen Teil dieser Aktien (auf die Anschaffungskosten in Höhe von 3.817,40 EUR entfielen) veräußerte er am 21. Oktober 2013 zu einem Gesamtverkaufspreis von 8 EUR an die Sparkasse X, wobei diese in gleicher Höhe Transaktionskosten einbehielt. Die restlichen Aktien (auf die Anschaffungskosten in Höhe von 1.942,38 EUR entfielen) veräußerte er am 20. Dezember 2013 zu einem Gesamtverkaufspreis von 6 EUR an die Sparkasse X, wobei diese wiederum Transaktionskosten in Höhe des Kaufpreises berechnete. Die Sparkasse X buchte den Verlust in Höhe von insgesamt 5.759,78 EUR unter Verweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013 (BStBl I 2012, 953, Rz 59), nunmehr ersetzt durch BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016 IV C 1-S 2252/08/10004 (BStBl I 2016, 85, Rz 59), nicht in die sog. Verlustverrechnungstöpfe ein und stellte über den Verlust auch keine Bescheinigung aus.

In seiner Einkommensteuererklärung 2013 erklärte der Kläger den Verlust in Höhe von 5.759,78 EUR bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und stellte u.a. den Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts gemäß § 32d Abs. 4 EStG. Daneben gab er positive Kapitalerträge in Höhe von 9.541 EUR an, davon entfielen 6.839 EUR auf Gewinne aus Aktienveräußerungen. Das FA berücksichtigte die Verluste im Einkommensteuerbescheid 2013 vom 22. Oktober 2014 wegen der fehlenden Steuerbescheinigung nicht. Den Einspruch des Klägers wies das FA mit der Begründung, es liege keine Veräußerung vor, weil der Veräußerungspreis die Transaktionskosten nicht übersteige (BMF-Schreiben in BStBl I 2012, 953), als unbegründet zurück. Der dagegen gerichteten Klage gab das FG mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 132 veröffentlichten Urteil vom 26. Oktober 2016 2 K 12095/15 statt.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (BFH Urteil vom 12.6.2018, VIII R 32/16). Das FG ist zu Recht von einem steuerlich anzuerkennenden Verlust gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 EStG ausgegangen, der aufgrund des Antrags des Klägers im Rahmen der (Antrags-)Veranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG mit Gewinnen des Klägers aus Aktienveräußerungen zu verrechnen ist (§ 20 Abs. 6 Satz 4 EStG). Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien. Vom Anwendungsbereich des Gesetzes ist gemäß § 20 Abs. 4 und Abs. 6 EStG auch ein negativer Gewinn (ein Veräußerungsverlust) erfasst. Eine Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist die entgeltliche Übertragung des (zumindest wirtschaftlichen) Eigentums auf einen Dritten. Eine entgeltliche Anteilsübertragung in diesem Sinne liegt auch vor, wenn wertlose Anteile zwischen fremden Dritten ohne Gegenleistung oder gegen einen lediglich symbolischen Kaufpreis übertragen werden. Weitere Tatbestandsmerkmale als den entgeltlichen Rechtsträgerwechsel stellt das Gesetz nicht auf. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist daher insbesondere weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig.

Nach den bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger die Anteile an der G-SE im Streitjahr gegen einen Kaufpreis von 8 EUR bzw. 6 EUR und damit entgeltlich auf einen Dritten übertragen. Es liegen deshalb Veräußerungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG vor, was auch das FA und das BMF im Revisionsverfahren nicht mehr in Abrede gestellt haben. Der nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG zu ermittelnde Verlust aus den Veräußerungsgeschäften beträgt unstreitig insgesamt 5.759,78 EUR.

Entgegen der Auffassung des FA und des BMF liegt kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO vor. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine Gestaltung noch nicht unangemessen. Der Steuerpflichtige darf seine Verhältnisse grundsätzlich so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen und dabei zivilrechtliche Gestaltungen, die vom Gesetz vorgesehen sind, frei verwenden. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Das ist z.B. der Fall, wenn durch mehrere Geschäfte, die sich wirtschaftlich gegenseitig neutralisieren, lediglich ein steuerlicher Vorteil erzielt werden soll oder wenn die Gestaltung in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert wird und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist.

Selbst wenn, wie das FA meint, wegen der Höhe der Transaktionskosten wirtschaftlich eine Veräußerung zum Preis von 0 EUR anzunehmen wäre, läge kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vor. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH stellte vielmehr auch diese Gestaltung ohne Weiteres (als Übertragung wertloser Anteile ohne Gegenleistung) eine Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG dar. Die Argumente des FA, es liege ein wirtschaftlich sinnloses Geschäft vor, geht ebenfalls fehl. Das anzuerkennende wirtschaftliche Ziel des Klägers bestand in der Veräußerung der Aktien als solcher, unabhängig vom erzielbaren Ertrag. (Mutmaßliche) Vor- oder Nachteile des Erwerbers aus dem Veräußerungsgeschäft sind im Rahmen der vorliegenden Prüfung unerheblich. Der Kläger durfte sich im Hinblick auf mögliche steuerliche Auswirkungen auch für die Veräußerung noch im Streitjahr entscheiden. Soweit das Steuergesetz an freie wirtschaftliche Dispositionen (hier Aktienveräußerungen) anknüpft, liegt es in der Natur der Sache, dass der Steuerpflichtige den Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Besteuerung bestimmen kann. Es steht grundsätzlich in seinem Belieben, ob, wann und mit welchem Ertrag er Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert. Auch dadurch macht der Steuerpflichtige lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch, missbraucht diese aber nicht.

Nach zutreffender Auffassung des FG steht die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG der Verlustverrechnung nicht entgegen. Diese Vorschrift, nach der Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, nur verrechnet werden dürfen, wenn eine Bescheinigung der auszahlenden Stelle i.S. des § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG vorliegt, dient der Verhinderung eines doppelten Verlustabzugs. Eine solche Gefahr ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Sparkasse X ging aufgrund der veröffentlichten Auffassung der Finanzverwaltung davon aus, dass der erzielte Verlust einkommensteuerrechtlich unbeachtlich war. Es ist daher ausgeschlossen, dass der Verlust doppelt berücksichtigt wird. Es wäre reiner Formalismus, in diesem Fall für die Verlustverrechnung eine Bescheinigung i.S. des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG zu verlangen.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

Die aktuellen Seminartermine von Udo Cremer finden Sie hier »


nach oben