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Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften und nachträgliche Anschaffungskosten (Kommentar von Udo Cremer)

04.12.2018  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Der BFH urteilte zur Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, nachträgliche Anschaffungskosten nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts und der Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme (Urteil vom 20.7.2018, IX R 5/15). Udo Cremer fasst den Fall für Sie zusammen.

  1. Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen.
  2. Aufwendungen des Gesellschafters aus einer Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme führen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr (2010) vom FA zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war seit 2003 neben seinen drei Brüdern (L, D und F) mit einem Anteil von je 12.782,30 EUR (25.000 DM) an der von seinem Vater im Jahr 1989 gegründeten A-GmbH beteiligt. Der Kläger und sein Bruder D waren als Geschäftsführer bestellt. Das Stammkapital der A-GmbH betrug 51.640,48 EUR. Der Vater des Klägers war zunächst noch mit einem Anteil von 511,28 EUR (1.000 DM) an der GmbH beteiligt. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2004 ging dessen Anteil auf die Mutter des Klägers über. Bereits im Jahr 1999 hatte der Kläger eine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der A-GmbH gegenüber einer Bank übernommen. Zum 31. Dezember 2003 beliefen sich die Verbindlichkeiten der A-GmbH gegenüber der Bank auf 207.921,83 EUR. Darüber hinaus stand der Bank eine Grundschuld auf einem der Mutter des Klägers gehörenden Grundstück von 177.418,28 EUR als Sicherheit zur Verfügung.

Die Verbindlichkeiten der A-GmbH gegenüber der Bank waren bis zum 31. Dezember 2009 auf 348.786,43 EUR angestiegen. In den Jahren 2008 und 2009 hat die A-GmbH lediglich Verluste in Höhe von 308.425 EUR bzw. 91.989 EUR erzielt. Zum Ende des Jahres 2009 stellte die A-GmbH ihren Geschäftsbetrieb ein und veräußerte ihr gesamtes Anlagevermögen sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und unfertige Erzeugnisse an die I-GmbH. An dieser waren neben dem Kläger sein Bruder D und ein Dritter zu gleichen Teilen beteiligt. Durch den Tod der Mutter im Februar 2010 ging deren Anteil an der A-GmbH ebenso wie das Grundstück im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Kläger und seine Brüder als Erbengemeinschaft zu gleichen Teilen über.

Im Laufe des Jahres 2010 leisteten der Kläger und seine drei Brüder (jeweils in gleicher Höhe) Zuführungen in die Kapitalrücklage der A-GmbH in Höhe von insgesamt 281.800 EUR, um eine ansonsten drohende Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden. Ein Teil der Einzahlung in Höhe von 222.000 EUR stammte aus der mit der Bank abgestimmten Veräußerung des Grundstücks an den Bruder F. Nachdem die Bank Ende 2010 einen Teilverzicht auf ihre gegenüber der A-GmbH bestehenden Forderungen in Aussicht gestellt hatte, zahlte die A-GmbH an die Bank einen Betrag von insgesamt 275.000 EUR. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14. Dezember 2010 veräußerten der Kläger und seine Brüder schließlich ihre Anteile an der A-GmbH zu einem Kaufpreis von 0 EUR an die I-GmbH. Die Grundschuld zugunsten der Bank wurde im Januar 2011 im Grundbuch gelöscht. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 machten die Kläger einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 83.232,30 EUR geltend, den sie aus einem anteiligen Verlust der Stammeinlage in Höhe von 12.782,30 EUR und nachträglichen Anschaffungskosten aus der Kapitalzuführung in Höhe von 70.450 EUR errechneten.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr berücksichtigte das FA lediglich den Verlust der eingezahlten Stammeinlage. Im anschließenden Einspruchsverfahren beantragten die Kläger zusätzlich, auch den auf den Kläger im Wege der Erbfolge übergegangenen Anteil der Mutter an der früheren Stammeinlage in Höhe von 127,82 EUR im Rahmen der nachträglichen Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Im Änderungsbescheid für das Streitjahr vom 9. August 2013 erkannte das FA nunmehr einen Veräußerungsverlust des Klägers in Höhe von (gerundet) 39.006 EUR an. Diesen ermittelte es, indem es die von allen Gesellschaftern geltend gemachten Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 333.440,48 EUR (281.800 EUR Kapitalrücklage zzgl. 51.640,48 EUR Stammkapital) um die zugunsten der Bank eingetragene verzinsliche Grundschuld von 177.418,29 EUR minderte und die verbleibenden 156.022,19 EUR auf den Kläger und seine Brüder verteilte. Mit Einspruchsentscheidung vom 13. September 2013 wies das FA den gegen den Änderungsbescheid gerichteten Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.

Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Die Revision ist begründet. Das FG hat die Einzahlungen in die Kapitalrücklage zu Unrecht nicht als nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers bei der Berechnung seines Veräußerungsverlusts berücksichtigt (BFH Urteil vom 20.7.2018, IX R 5/15).

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn (oder Verlust) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Veräußerung ist die Übertragung von Anteilen gegen Entgelt. Entgeltlich ist die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, wenn ihr eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. Das Gegenstück zur entgeltlichen Veräußerung ist die unentgeltliche Übertragung von Anteilen (s. § 17 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Sätze 5 und 6 Buchst. a EStG), die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Übertragende dem Empfänger eine freigiebige Zuwendung machen will. Letzteres ist bei Verträgen unter fremden Dritten im Allgemeinen nicht anzunehmen, sofern nicht Anhaltspunkte für eine Schenkungsabsicht des übertragenden Vertragspartners bestehen. Deshalb spricht insoweit eine (widerlegbare) Vermutung für das Vorliegen eines entgeltlichen Geschäfts.

Bei einander nahestehenden Personen wird demgegenüber der Nachweis der Unentgeltlichkeit erleichtert; denn bei ihnen kann nicht unterstellt werden, dass sie Leistung und Gegenleistung im Regelfall nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgehandelt haben. Eine Veräußerung kann auch vorliegen, wenn ein Entgelt nicht oder lediglich in symbolischer Höhe vereinbart und geleistet wird. Das ist der Fall, wenn der übertragene Anteil sowohl in den Augen der Vertragsparteien als auch objektiv wertlos ist. Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten.

Mit Blick auf die Aufhebung des in § 32a GmbHG a.F. kodifizierten Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG und der Einführung eines gesetzlichen Nachrangs sämtlicher Gesellschafterfinanzierungen im Insolvenzfall (vgl. Art. 9 MoMiG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 der Insolvenzordnung) hat der Senat neue Maßstäbe für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus bisher eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 EStG entwickelt. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe (BFH-Urteil in BFHE 258, 427) ist der handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten in Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz auch der Beurteilung nach § 17 Abs. 2 EStG zugrunde zu legen. Danach können den nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung grundsätzlich nur solche Aufwendungen des Gesellschafters zugeordnet werden, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen.

Darunter fallen insbesondere Nachschüsse i.S. der §§ 26 ff. GmbHG, sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage, Barzuschüsse oder der Verzicht auf eine werthaltige Forderung. Die (freiwillige und ohne Gewährung von Vorzügen seitens der Kapitalgesellschaft erbrachte) Einzahlung eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage ist handelsbilanzrechtlich als Zuzahlung i.S. des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu qualifizieren. Steuerrechtlich handelt es sich um eine Einlage des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen; hierdurch erhöhen sich auch die Anschaffungskosten des Gesellschafters für seine Beteiligung. Bei Anwendung dieser Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die vom Kläger geleisteten Zuführungen in die Kapitalrücklage der A-GmbH bei der Berechnung des Veräußerungsverlusts als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Das FG ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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