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Sprinter- oder Turboklausel

24.05.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Zwingendes Schriftformerfordernis für die Erklärung des vorzeitigen Ausscheidens: In einer aktuellen Entscheidung hat das BAG die übliche Praxis zu den sogenannten „Sprinterklauseln“ bestätigt.

Danach kann ein Abwicklungsvertrag für den Arbeitnehmer die Möglichkeit vorsehen, sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu erklären. Eine Bindung an die Mindestkündigungsfristen des § 622 Abs. 1 BGB besteht insoweit nicht. Allerdings bedarf die Erklärung über die Ausübung der vorzeitigen Beendigungsmöglichkeit zwingend der Schriftform gemäß § 623 BGB.

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I. Einleitung

Nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung werden oft Vereinbarungen über die Abwicklung des Arbeits­verhältnisses geschlossen – sei es gerichtlich oder außergerichtlich. Ziel solcher Abwicklungsvereinbarungen ist es, eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Kündigung zu vermeiden oder eine solche Auseinandersetzung zu beenden: der Arbeitnehmer erkennt in der Abwicklungsvereinbarung die Beendigungswirkung der arbeitgeberseitigen Kündigung zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist an. Hierfür lässt er sich vom Arbeitgeber regelmäßig finanzielle Vorteile in Form einer Abfindungszahlung einräumen. Häufig enthalten diese Abwicklungsvereinbarungen zusätzlich sogenannte „Sprinterklauseln“, auch „Turboklausel“ genannt: der Arbeitnehmer erhält die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis vorzeitig mit einer kurzen Ankündigungsfrist – oft nur wenige Tage – zu beenden. An der Vereinbarung einer solchen Klausel haben regelmäßig beide Parteien ein Interesse: der Arbeitnehmer, der im Falle der erfolgreichen Suche nach einer Anschlussbeschäftigung ggf. kurzfristig die neue Tätigkeit aufnehmen will und der Arbeitgeber, der sich die Entgeltzahlungen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist spart. Nicht selten sehen Abwicklungsverträge daher für den Fall der Ausübung des Beendigungsrechts durch den Arbeitnehmer eine Erhöhung der vereinbarten Abfindung vor.

Wurde ein solcher Abwicklungsvertrag geschlossen, erfolgt die Anzeige der vorzeitigen Beendigung durch den Arbeitnehmer oftmals sodann nur durch formlose Erklärung – sei es telefonisch, per E-Mail oder Fax. Inwiefern eine solche Erklärung das bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bestehende Arbeitsverhältnis tatsächlich zu beenden vermag, war nun Gegenstand einer Entscheidung des BAG, die nicht nur aus Arbeitnehmersicht von hoher Praxisrelevanz ist.

II. Sachverhalt

Die Parteien hatten zur Beilegung eines zuvor geführten Kündigungsschutzverfahrens über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, der die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum Gegenstand hatte. In dem Vergleich räumte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin das Recht ein, das Arbeitsverhältnis vorzeitig, also vor dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt, durch schriftliche Anzeige mit einer Ankündigungsfrist von drei Tagen zu beenden. Für jeden Tag des vorzeitigen Ausscheidens sollte sich die Abfindung der Arbeitnehmerin um 70 EUR erhöhen.

Die Arbeitnehmerin nutzte diese Sprinterklausel und ließ der Arbeitgeberin durch ein Fax-Schreiben ihres Rechtsanwalts mitteilen, dass sie das Arbeitsverhältnis vorzeitig beende. Das Originalschreiben wurde nicht an die Arbeitgeberin übersandt. Die Arbeitgeberin erkannte die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die daraus resultierende Verpflichtung zur Zahlung einer erhöhten Abfindung nicht an, sondern kündigte das Arbeitsverhältnis selbst erneut, dieses Mal fristlos.

Im anschließenden Kündigungsrechtsstreit stellte das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Arbeitgeberin fest. Diese Entscheidung ließen die Parteien rechtskräftig werden. Hinsichtlich der noch streitigen Beendigungserklärung der Arbeitnehmerin führten die Parteien jedoch den Rechtsstreit weiter. Erstinstanzlich wies das Arbeitsgericht die Klage, mit der die Arbeitnehmerin die Feststellung begehrte, dass das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch das Faxschreiben beendet wurde, ab. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urt. v. 20.08.2014 – 9 Sa 40/14) gab dem Feststellungsantrag hingegen statt.

III. Entscheidung

Auf die Revision der Arbeitgeberin hat das BAG die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Berufung der Arbeitnehmerin zurückgewiesen. Nach Auffassung des BAG konnte die Anzeige der Arbeit­nehmerin das Arbeitsverhältnis nicht beenden, weil ein Fax nicht die Schriftform gemäß § 623 BGB i.V.m. § 126 Abs. 1 BGB wahrt. Es fehlte an der eigenhändigen Unterschrift.

In den Entscheidungsgründen führte das BAG zunächst klarstellend aus, dass der gerichtliche Vergleich ein Abwicklungsvertrag sei, in welchem die Parteien die Bedingungen, unter denen die Arbeitnehmerin ausscheiden sollte, geregelt haben. Mit der Sprinterklausel hätten die Parteien der Arbeitnehmerin ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt, das vergleichbar mit der Lossagung nach § 12 Abs. 1 KSchG sei. Eine solche Sprinterklausel sei zulässig. Dabei müsse die in der Sprinterklausel vorgesehene Ankündigungsfrist nicht der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist von vier Wochen (§ 622 Abs. 1 BGB) entsprechen. Allerdings sei bei der Ausübung die zwingende Schriftform für Kündigungen nach § 623 BGB zu beachten. Denn bei der Anzeige der vorzeitigen Beendigung durch die Arbeitnehmerin handele es sich weder um eine bloße „Modifikation“ oder „Umgestaltung“ des Abwicklungsvertrages, noch um eine bloße „Information“ des Arbeitgebers über die vorzeitige Beendigung. Da die Erklärung des Arbeitnehmerin die Folge haben soll, dass das Arbeitsverhältnis zu dem von dem Arbeitnehmer in der Anzeige genannten Termin beendet wird, stellt die Anzeige eine Kündigung dar, die zwingend der Schriftform gemäß § 623 BGB bedarf. Hierfür ist gemäß § 126 Abs. 1 BGB die eigenhändige Unterschrift des Kündigenden bzw. des Bevollmächtigten erforderlich. Dieser Anforderung werde mit einem Schreiben per Fax nicht genügt. Vielmehr müsse dem Arbeitgeber das Originalschreiben mit Unterschrift zugehen.

Da dies in dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall nicht geschehen war, war die Kündigung der Arbeitnehmerin unwirksam. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht vorzeitig beendet.

IV. Praxishinweis

Mit dieser Entscheidung hat das BAG für die sehr praxisrelevanten Sprinterklauseln zwei Punkte klarstellt: zum einen kann die Sprinterklausel eine kurze Ankündigungsfrist von wenigen Tagen vorsehen und muss sich nicht an der gesetzlichen Grundkündigungsfrist von vier Wochen (§ 622 Abs. 1 BGB) orientieren. Zum anderen ist bei der Erklärung des vorzeitigen Ausscheidens zwingend die Schriftform nach § 623 BGB zu beachten. Eine Abweichung hiervon ist weder durch einzelvertragliche noch durch kollektivrechtliche Regelung (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) möglich.

Die Nichtwahrung der Schriftform wird in den meisten Fällen zunächst vor allem aus Arbeitnehmersicht miss­liche Folgen haben: ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die regelmäßig in einer Sprinterklausel vereinbarte erhöhte Abfindung besteht nicht. Allerdings haben auch Arbeitgeber ein Interesse an der Einhaltung der Schriftform: in Fällen, in denen die Ausübung der Sprinteroption zu einer deutlichen Abkürzung des abzuwickelnden Arbeitsverhältnisses führt und dieser Abkürzung nur teilweise durch eine Kapitalisierung entsprochen wird, besteht das Risiko einer doppelten Inanspruchnahme des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer könnte nach Erhalt der erhöhten Abfindung, aber zwischenzeitlichem Scheitern seiner Anschlussbeschäftigung (z. B. in der Probezeit) ein „Rückkehrrecht“ zu seinem alten Arbeitgeber bis zu dem im Abwicklungsvertrag bestimmten Beendigungszeitpunkt geltend machen, ohne die erhöhte Abfindung zurückzuzahlen. Arbeitgebern ist daher ebenfalls zu raten, auf die Einhaltung der Schriftform zu achten und ein handschriftlich unter­schrie­be­nes Schreiben des Arbeitnehmers einzufordern.

BAG, Urteil vom 17. Dezember 2015 (6 AZR 709/14)


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