Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Nachträgliche Erhöhung der Verwaltervergütung nur bei besonderem Anlass!

14.02.2023  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: IBR Immobilien & Baurecht.

WEG § 9 Abs. 1, § 18 Abs. 2 Nr. 1: Eine nachträgliche Erhöhung der Verwaltervergütung im laufenden Vertragsverhältnis entspricht nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn besondere Gründe vorliegen. AG Köln, Urteil vom 17.01.2023 - 215 C 58/22 (nicht rechtskräftig)

Tenor:

Der auf der Eigentümerversammlung der Beklagten vom 27.07.2022 zu TOP 08 gefasste Beschluss wird für unwirksam erklärt. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft und Sondereigentümer von zwei Wohnungen und einem Tiefgaragenstellplatz. Insgesamt verfügt er über 114/10.000 Miteigentumsanteile an der Beklagten. Die Verwalterin der Beklagten wurde mit Beschluss vom 02.12.2021 zum 01.01.2022 bis zum 31.12.2023 bestellt. Der Verwaltervertrag (Anl. B1, Bl. 57 ff. GA), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat eine entsprechende Laufzeit. Die Verwalterin der Beklagten verwendete insoweit Vertragsmuster, das zwei Preisspalten vorsieht, wodurch festgelegt werden kann, ob eine Verwalterleistung von der Grundvergütung erfasst, oder aber besonders zu vergüten sein soll. Für Gebäude-Versicherungsschäden wurde ohne Einschränkung vereinbart, dass deren Bearbeitung von der Festvergütung umfasst sein soll.

Bis zur Eigentümerversammlung am 27.07.2022 traten im Jahr 2022 insgesamt 20 Versicherungsschäden auf. Zudem gibt es Versicherungsfälle aus den Vorjahren, die von der Vorverwaltung noch nicht abgewickelt wurden. Die Bearbeitung führte bei der Verwalterin der Beklagten zu einem ganz erheblichen Aufwand (wegen der diesbezüglichen Einzelheiten: S. 3 der Klageerwiderung, Bl. 52 GA); die Verwaltung des Objekts ist für sie zurzeit nicht rentabel. Weder diese Schäden noch die Schadensneigung des Gebäudes war dem Verwaltungsbeirat bei den Vertragsverhandlungen mit der Verwalterin bekannt; diese wurde hierüber entsprechend auch nicht informiert. Wäre den Vertragsparteien die Situation vor Vertragsschluss bekannt gewesen, wäre von Beginn an die Regelung, die in der Eigentümerversammlung vom 27.07.2022 beschlossen wurde (siehe dazu sogleich), vereinbart worden.

In der Einladung zur Eigentümerversammlung wurde folgender Tagesordnungspunkt 8 angekündigt: Sondergebühr für die Bearbeitung von Versicherungsfällen Die sehr hohe Anzahl an laufenden und aus der Zeit der Vorverwaltung noch offenstehenden Schadensabwicklungen in der Liegenschaft, waren im Vorfeld nicht bekannt. Dies sind derzeit bereits rund 20 Fälle. Diese waren nicht Grundlage der Kalkulation der vereinbarten Verwaltergebühr. Da seitens der Vorverwaltung außerdem bestehenden Versicherungsvertrag keine Zahlung von Regiekosten vereinbart wurde, soll zum Ausgleich des anfallenden Mehraufwandes der Verwaltung nachträglich die Zahlung einer Pauschale je Schadensfall beschlossen werden.

In der Eigentümerversammlung wurde zum Tagesordnungspunkt 8 wie folgt beschlossen: Ergänzend zum geschlossenen Verwaltervertrag, wird für die Bearbeitung von Versicherungsschäden eine an die Verwaltung zu leistende Sondergebühr in Höhe von 300,00 EUR zzgl. MwSt. je Versicherungsschaden beschlossen. Jedoch sollen pro Jahr der Verwaltungstätigkeit sechs Versicherungsschäden bereits mit der lfd. Verwaltergebühr abgegolten sein. Die Veränderung wird rückwirkend für alle entsprechenden Fälle ab dem 01.01.2022 und für zeitlich davor liegende Fälle vereinbart, die durch die Verwaltung noch zu bearbeiten sind bzw. bereits bearbeitet wurden.

Der Kläger meint, der angefochtene Beschluss widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Es sei in einem so großen Objekt wie dem der Beklagten wahrscheinlich, dass eine große Anzahl von Versicherungsschäden auftrete. Es gehe zulasten der Verwalterin, wenn diese sich verkalkuliere. Insbesondere sei es denkbar, dass sie gerade deshalb gegenüber anderen Verwaltern bevorzugt worden sei, weil si aufgrund ihrer mangelhaften Kalkulation günstiger gewesen sei. Eine Erhöhung der Verwaltervergütung während der Laufzeit des Verwaltervertrags ohne Notwendigkeit entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Vergütung könne bei einer Vertragsverlängerung neu geregelt werden. Überdies sei der Tagesordnungspunkt nicht ordnungsgemäß angekündigt worden; aus der Einladung gehe nicht hinreichend hervor, dass die Vergütung auch rückwirkend gezahlt werden solle.

Der Kläger beantragt, den auf der Eigentümerversammlung vom 27.07.2022 der Wohnungseigentümergemeinschaft ABC 3 zu TOP 08 gefassten Mehrheitsbeschluss für ungültig zu erklären. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte meint, der Beschluss sei nicht zu beanstanden, weil den Wohnungseigentümern ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

A.

Der angefochtene Beschluss ist für unwirksam zu erklären, weil er ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, auf die nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG jeder Eigentümer Anspruch hat und die nach § 19 Abs. 1 WEG auch bei der Regelung der Verwaltung durch Beschluss zu beachten ist.

  1. Ein Beschluss hält sich im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Ob dies der Fall ist, lässt sich nur nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungseigentümer feststellen (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2018 - V ZR 273/17 -, Rn. 16 m.w.N zur alteren Rspr.). Besondere Bedeutung kommt dabei die Nützlichkeit für die Gemeinschaft zu (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23. Dezember 2002 - 2Z BR 89/02).
    1. Diese abstrakten Anforderungen hat die Rechtsprechung im Falle der Entlastung von Verwaltung und Verwaltungsbeirat durch Beschluss dahingehend konkretisiert, dass eine Entlastung, durch die auf Ansprüche der Gemeinschaft verzichtet wird, ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, wenn nicht ausnahmsweise aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die Ansprüche zu verzichten (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2003 - V ZB 11/03 -, BGHZ 156, 19-30, Rn. 23). Dementsprechend wird die Nichtverfolgung bestehender Ansprüche der Gemeinschaft als grundsätzlich ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechend angesehen (LG Itzehoe, Urteil vom 5. August 2014 - 11 S 45/13).
    2. Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Gerichts spiegelbildlich auch dann anzuwenden, wenn es um die Begründung Ansprüche Dritter gegen die Gemeinschaft geht, da in beiden Konstellationen - sowohl für den freiwilligen Verzicht auf eigene Ansprüche als auch für die freiwillige Begründung von Ansprüchen Dritter - finanzielle Einbußen für die Gemeinschaft eintreten, ohne dass diese zwingend wären oder der Gemeinschaft dafür Vermögenswerte zuflössen.
  2. Bei Anwendung dieser Grundsätze entspricht der vorliegende Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Beklagte hat keine besonderen Gründe vorgetragen, die ausnahmsweise eine nachträgliche Erhöhung der Vergütung ihrer Verwalterin rechtfertigen würden.
    1. Dass diese auf Grundlage der beim Verwaltungsbeirat vorhandenen - unvollständigen bzw. unzutreffenden - Informationen zu den Versicherungsschäden ihr Angebot ungünstig kalkuliert hat, genügt insoweit nach dem Dafürhalten des Gerichts nicht. Es gehört zum Geschäftsleben - die Verwalterin der Beklagten ist eine Handelsgesellschaft -, gute und schlechte Geschäfte zu machen. Dass die Verwaltung der Beklagten für die Verwalterin jedenfalls im Jahr 2022 und ggfs. auch im Jahr 2023 ein Verlustgeschäft sein mag, liegt dabei in ihrem unternehmerischen Risiko; ebenso wird sie andere Verwaltungen innehaben, bei denen der Aufwand geringer ist als kalkuliert worden war. Dies mag sich nach einer etwaigen Neubestellung und Vertragsverlängerung auch wieder ändern. Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass es der Verwalterin der Beklagten möglich gewesen wäre, sich gegen das vorhandene Kalkulationsrisiko abzusichern, indem sie die nunmehr beschlossene Regelung bereits in den Vertrag aufgenommen hätte, was sich bei dem verwendeten Muster auch leicht und transparent hätte bewerkstelligen lassen.
    2. Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Verwalterin ohne die erhöhte Vergütung die Verwaltung niedergelegt - und sich dann unter Umständen schadensersatzpflichtig gemacht - hätte, oder aber zu einer Fortsetzung der Verwaltung nach Ablauf des derzeitigen Bestellungszeitraums nicht bereit wäre. Insoweit kann dahinstehen, ob dies ausreichende Gründe für eine abweichende Beurteilung gewesen wären.
    3. Im Ergebnis entspricht die hier vertretene Auffassung auch der teilweise vom Kläger angeführten älteren obergerichtlichen Rechtsprechung, die freilich strenger ist als das Gericht und statt guter Gründe für eine Vergütungserhöhung eine Gegenleistung des Verwalters fordert (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 19. Februar 2004 - 2Z BR 219/03; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. März 2005 - 20 W 153/03).

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91a ZPO.

C.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 u. S. 2, 709 S. 2 ZPO.

D.

Soweit die Beklagte die Zulassung der Berufung begehrt hat, besteht für eine derartige Entscheidung kein Anlass, weil die Berufungsbeschwer des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht ist. Der Streitwert wird auf bis 1.000,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung ist anzuführen, dass nicht nur die bereits bekannten Schäden aus dem Jahr 2022 maßgeblich sind, sondern zu berücksichtigen ist, dass der Verwaltervertrag noch bis Ende 2023 läuft.

Bild: Ono Kosuki (Pexels, Pexels Lizenz)

nach oben