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Keine Einkünfteerzielungsabsicht bei von vornherein geplanter Übertragung der Einkunftsquelle auf Rechtsnachfolger (Kommentar von Udo Cremer)

07.08.2018  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer über Einkünfte einer Familienstiftung, die sowohl Sitz als auch Geschäftsleitung im Ausland hat.

  • 1. Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung hat sich die Überschussprognose auch bei unentgeltlicher Übertragung einer Einkunftsquelle (hier: Kapitalanlage) regelmäßig an der Nutzung des Vermögensgegenstandes durch den Steuerpflichtigen zu orientieren. Nur ausnahmsweise kann auch die Nutzung durch einen (unentgeltlichen) Rechtsnachfolger berücksichtigt werden.
  • 2. Eine solche Ausnahmekonstellation liegt nicht vor, wenn bereits bei Eingehung des Investments geplant ist, die Einkunftsquelle vor dem Eintreten positiver Einkünfte unentgeltlich auf einen im niedrig besteuerten Ausland ansässigen Rechtsnachfolger zu übertragen.

Der Kläger errichtete mit Gründungsurkunde vom ... Dezember 2006 eine Stiftung (S) in ... Er stellte S mit Vertrag vom ... Dezember 2006 ein Darlehen in Höhe von A EUR zu einem Zinssatz von 6,65 % zur Verfügung. S beteiligte sich daraufhin mit einer Kommanditeinlage von A EUR an der ebenfalls im Jahr 2006 gegründeten X-GmbH & Co. KG (KG). Die beiden weiteren Kommanditisten, N und K, waren jeweils mit einer Kommanditeinlage von 10 EUR beteiligt. Komplementärin wurde die X-GmbH ohne Kapitalanteil. Gemäß § 2 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages ist N geschäftsführende Kommanditistin; die KG war ausschließlich vermögensverwaltend tätig und nicht gewerblich geprägt.

Am ... Dezember 2006 erwarb die KG von der M-Bank (M) emittierte Schuldverschreibungen mit einem Nennbetrag von ... EUR. Die Laufzeit betrug zehn Jahre, die Rückzahlung war am ... Dezember 2016 fällig. Es wurde ein Zinssatz von 3,33 % vereinbart. Die Zinsen waren jährlich nachschüssig fällig. Ferner wurden ein fixer Bonuszins von 2,1176354 % sowie ein variabler Bonuszins vereinbart, jeweils mit Fälligkeit zum Laufzeitende. Zur Finanzierung des Erwerbs der Wertpapiere nahm die KG bei der M ein Darlehen mit einem anfänglichen Darlehensbetrag von ... EUR auf. Der Zinssatz betrug 3,1337334 %. Die Zinsen waren jährlich vorschüssig zu zahlen. Ferner wurden ein Disagio von 5 % sowie eine Zinsvorauszahlung in Höhe von A EUR im Erstjahr 2006 vereinbart. Mit Vertrag vom ... Dezember 2007 erwarb die KG von der L-Bank (L) emittierte Schuldverschreibungen mit einem Nennbetrag von ... EUR mit einem Zinssatz von 4 %. Mit Ausnahme des ersten Jahres der Laufzeit sind die Zinsen jährlich vorschüssig jeweils am 21. Dezember zu zahlen. Die Rückzahlung hatte am 21. Dezember 2016 zu erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt war ein einmaliger Betrag in Höhe von ... EUR zu leisten. Ferner wurde ein variabler Bonuszins vereinbart, der dann fällig war.

Zur Finanzierung des Erwerbs der Wertpapiere nahm die KG bei der L ein Darlehen mit einem anfänglichen Darlehensbetrag von ... EUR auf. Es wurde ein Zinssatz von 3,8 % vereinbart. Die Zinsen waren jährlich vorschüssig zu zahlen. Ferner wurden ein Disagio in Höhe von 5 % sowie eine Zinsvorauszahlung in Höhe von ... EUR im Erstjahr 2007 vereinbart. Am ... November 2008 wurde die C Ltd. (C) errichtet. S ist alleinige Gesellschafterin der C und übertrug mit "Einbringungsvertrag im Rahmen einer verdeckten Einlage" vom ... Dezember 2008 ihre Kommanditbeteiligung an der KG unentgeltlich mit Wirkung zum 31. Dezember 2008, 24:00 Uhr, auf C.

Die KG gab in ihren Feststellungserklärungen für die Streitjahre negative Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von ... EUR (2006) und ... EUR (2007) an. Sie wurden in den entsprechenden Feststellungsbescheiden nicht berücksichtigt. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger jeweils ein negatives Einkommen aus der S in der genannten Höhe gemäß § 15 Abs. 1 AStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung i.V.m. R 2 Abs. 1 Nr. 12 EStR geltend. In den Einkommensteuerbescheiden vom 11. April 2008 (2006) und vom 13. November 2009 (2007) wurde unter Verweis auf die die KG betreffenden Feststellungsverfahren kein negatives Einkommen aus der S angesetzt.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Nachdem während des Klageverfahrens die Einkommensteuerbescheide am 5. November 2015 wegen in diesem Verfahren nicht streitbefangener Punkte geändert wurden, wies das FG Bremen die Klage mit Urteil vom 11. November 2015 1 K 91/13 (5) ab; das FA habe es zu Recht abgelehnt, dem Kläger für die Streitjahre ein negatives Einkommen der S nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG zuzurechnen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 182 veröffentlicht.

Der BFH hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich (BFH Beschluss vom 18.4.2018, I R 2/16).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger für die Streitjahre kein negatives Einkommen der S nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG zuzurechnen war. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG wird für Zwecke der Einkommensteuer das Einkommen einer Familienstiftung i.S. des § 15 Abs. 2 AStG, die sowohl ihren Sitz als auch ihre Geschäftsleitung im Ausland hat, dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter zugerechnet. Es steht insoweit nicht in Zweifel, dass es sich bei der S um eine ausländische Familienstiftung i.S. von § 15 Abs. 2 AStG handelt. S hat Sitz und Geschäftsleitung in .... Die Zurechnung nach § 15 Abs. 1 AStG setzt voraus, dass die Familienstiftung ein entsprechendes Einkommen im steuerrechtlichen Sinn erzielt. Die Vorschrift regelt nur die Zurechnung des Einkommens, nicht aber die (vorgelagerte) Frage der Erzielung von Einkünften. Unter Einkommen i.S. des § 15 Abs. 1 AStG ist dabei dasjenige Einkommen zu verstehen, das sich bei unterstellter unbeschränkter Steuerpflicht der Familienstiftung ergeben würde. Dies entspricht der Überlegung, dass das Einkommen der Familienstiftung dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter oder Bezugsberechtigten zuzurechnen ist und dieser sodann nach den Grundsätzen der unbeschränkten Steuerpflicht besteuert wird. Demgemäß besteht das Einkommen i.S. von § 15 Abs. 1 AStG aus den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 des EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung und den in § 2 Abs. 3 und 4 EStG genannten Abzugsbeträgen; eine Einkommenszurechnung gemäß § 15 Abs. 1 AStG kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn die Familienstiftung Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 EStG erzielt.

Im Streitfall sind der S als Kommanditistin der nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG rein vermögensverwaltend tätigen und nicht gewerblich geprägten KG die von dieser gehaltenen Kapitalanlagen sowie die daraus erzielten Kapitaleinkünfte nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnen. Deshalb müssen die Voraussetzungen der Einkünfteerzielungsabsicht auf der Ebene der S geprüft werden. Abzustellen ist hierbei mit dem FG darauf, welche Einkünfte diese erzielt hat. Es steht insoweit zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass es sich bei den vorliegend zu beurteilenden Einkünften der S aus den erworbenen Schuldverschreibungen um solche aus Kapitalvermögen gehandelt hat. Aus § 8 Abs. 2 KStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung ergibt sich deshalb nichts anderes, weil die Norm auf die in ... ansässige S nicht anwendbar ist.

Die Absicht zur Erzielung von Kapitaleinkünften setzt das Streben des Steuerpflichtigen voraus, durch die Vermögensnutzung ein positives Ergebnis, d.h. einen (Total-)Überschuss der (steuerpflichtigen) Kapitaleinnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Maßgebend ist dabei das Gesamtergebnis der voraussichtlichen Vermögensnutzung; nichtsteuerbare und steuerfreie Veräußerungsgewinne bleiben allerdings außer Betracht. Die Absicht zur Erzielung von Einnahmeüberschüssen ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Das Vorliegen oder Fehlen einer solchen Absicht ist daher aus nach außen erkennbaren (objektiven) Umständen (Indizien und Beweisanzeichen) zu erschließen. Maßgebend ist insoweit die unter Heranziehung aller objektiven Umstände zu treffende Prognose über erstens die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung, d.h. die mutmaßliche Zeitspanne des Haltens der (konkreten) Kapitalanlage, zweitens die in dieser Zeitspanne voraussichtlich erzielten steuerpflichtigen Erträge und drittens die in dieser Zeitspanne voraussichtlich anfallenden Erwerbsaufwendungen. Dabei ist die Einkünfteerzielungsabsicht für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen. Ist aufgrund einer solchen Prognose nicht zu erwarten, dass der Steuerpflichtige das Anlageobjekt längerfristig nutzen wird und auf die Dauer der Vermögensnutzung gesehen ein positives Gesamtergebnis erzielen kann, so ist die Überschusserzielungsabsicht zu verneinen.

Der Senat teilt indessen die Auffassung des FG, dass sich nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung die Überschussprognose auch bei unentgeltlicher Übertragung einer Einkunftsquelle regelmäßig an der Nutzung des Vermögensgegenstandes durch den Steuerpflichtigen zu orientieren hat. Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer. Sie erfasst die im Einkommen zu Tage tretende Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Person und wird daher vom Grundsatz der Individualbesteuerung sowie demjenigen der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit beherrscht. Die personale Anknüpfung der Einkommensteuer garantiert die Verwirklichung des verfassungsrechtlich fundierten Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; demgemäß ist grundsätzlich die einzelne natürliche Person Zurechnungssubjekt der von ihr erzielten Einkünfte.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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