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Kann das bedingungslose Grundeinkommen funktionieren?

21.10.2019  — Jasmin Dahler.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Geld, ohne dafür zu arbeiten? Über diese Idee wird schon lange gestritten. Besonders das bedingungslose Grundeinkommen heizt immer wieder neue Diskussionen an. Doch macht es wirklich glücklicher und was machen die Menschen eigentlich, wenn sie nicht mehr arbeiten müssen?

1000 Euro für alle, bedingungslos

Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das eine politische Gemeinschaft bedingungslos jedem ihrer Mitglieder gewährt, z. B. 1000 Euro im Monat. Das Grundeinkommen soll in erster Linie die Existenz sichern und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Dabei soll es einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie ohne Bedürftigkeitsprüfung, Zwang zur Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden. Mit anderen Worten: Das Grundeinkommen stellt eine Form der Mindesteinkommenssicherung dar. Dabei unterscheidet es sich von anderen Formen maßgeblich. Die Mindesteinkommenssicherung wäre in diesem Fall nicht mehr an einen Haushalt gebunden, sondern würde an jedes einzelne Individuum gehen und das völlig unabhängig vom jeweiligen Einkommen. Dabei ist es egal, ob das Individuum eine Arbeitsleistung erbringt oder überhaupt Arbeitsbereitschaft signalisiert.

Das Grundeinkommen wurde schon vor über 500 Jahren in dem Roman „Utopia“ des britischen Humanisten Thomas Morus angedeutet. Anstatt Diebe hinzurichten, wollte Morus den Ursachen des Diebstahls entgegenwirken. Das Grundeinkommen sollte Armut und Elend beseitigen. In der Folge ist das Grundeinkommen immer wieder im Gespräch. Doch spätestens seit der Schweizer Volksabstimmung 2016 wird das Grundeinkommen weltweit diskutiert und immer populärer.

Wir brauchen Arbeit! Oder?

Die Hälfte der Deutschen befürwortet ein Grundeinkommen. Doch es gibt auch viele Gegenstimmen. Einige sind davon überzeugt, dass, wenn es wirklich ein solches Konzept geben würde, ein Teil der Bevölkerung zwar arbeiten würde, ein Großteil aber nicht.1 Für den Ökonom und Philosophen ein Paradoxon. Denn die Unterstellung dieser Kritik lautet simpel ausgedrückt: „Ich bin fleißig, du bist faul.“ Eine Vorstellung, die sich seit der Industrialisierung in den Köpfen festgesetzt hat.

Ein weiteres Argument, das für viele gegen ein Grundeinkommen spricht, ist die Struktur, die Arbeit in unser Leben bringt. Arbeit gibt in ihren Augen Menschen Strukturen, soziale Kontakte, das Gefühl, gebraucht zu werden, zu einer Gemeinschaft zu gehören und etwas zu einem größeren Vorhaben beizutragen. Eine zu große Freiheit hätte hingegen nur Orientierungslosigkeit zur Folge. Die Arbeit soll diesen Halt bieten. Oder wie der Dichter Charles Baudelaire einst sagte: „Das Vergnügen verbraucht uns. Die Arbeit kräftigt uns. Wähle.“

Aber wer putzt dann?

Viele Menschen sind für das Grundeinkommen. Die Befürworter gehen davon aus, dass die Freiheit erst zur Motivation führen wird. Diese Motivation kann in einem Job münden, der einem wirklich liegt und der gern erledigt wird. Das können jedoch auch Engagement für ehrenamtliche Projekte, die Pflege von Familienmitgliedern und das Studieren sein. Viele Menschen wollen an etwas arbeiten, an dem es sich ihrer persönlichen Meinung nach zu arbeiten lohnt. Kritiker, die behaupten, niemand würde mehr die unliebsamen Jobs wie Putztätigkeiten erledigen wollen, weisen Befürworter zurück. Sie gehen davon aus, dass Personen, die diese Jobs übernehmen, weitaus mehr geschätzt werden, wenn sie nicht mehr genötigt sind, dieser Tätigkeit nachzugehen, sondern mit ihrem Arbeitgeber auf einer Augenhöhe sind.

Das sagen Studien und Testläufe über das Grundeinkommen

Im Februar ist in Finnland ein Experiment zum bedingungslosen Grundeinkommen geendet. Über zwei Jahre hinweg war 2000 zufällig ausgewählten Arbeitslosen jeweils 560 Euro monatlich ausgezahlt worden. Dies entspricht ungefähr dem monatlichen Arbeitslosengeld in Finnland. Die Probandinnen und Probanden im Alter zwischen 25 und 58 Jahren mussten das Geld nicht versteuern und durften ohne Abzüge und Auflagen Lohn in Teilzeitjobs hinzuverdienen. Am 31. Dezember 2018 endete das Experiment.

Während des Experiments bewerteten die Teilnehmenden ihren Gesundheitszustand und wie gestresst sie in letzter Zeit waren. Die Selbstauskünfte unterschieden sich dabei von einer Kontrollgruppe, die aus regulären Arbeitslosengeldempfängern bestand. Dabei zeigt sich, dass die Personen mit dem Grundeinkommen sich tatsächlich gesünder fühlten und auch weniger Stress empfanden. Außerdem zeigte sich, dass die Probanden des Experiments deutlich positiver auf ihre Zukunft blickten. Auf dem Arbeitsmarkt zeigten sich jedoch keine nennenswerten Veränderungen. Die Probanden fanden weder besser noch schlechter Arbeit als die Kontrollgruppe.

Auch in Deutschland gibt es bereits einen ganz einzigartigen Test. Der Verein „Mein Grundeinkommen“ verlost jeden Monat ein Grundeinkommen von 1000 Euro pro Monat für ein ganzes Jahr. Die glücklichen Gewinner*innen wurden natürlich von dem Verein befragt, denn hier geht es nicht nur ums Gewinnen, sondern um den Beweis, wie positiv sich ein Grundeinkommen auswirken kann. Michael Bohmeyer, der Gründer des Vereins, befragte zusammen mit der Autorin Claudia Cornelsen 24 zufällig ausgewählte Gewinner*innen und veröffentlichten die Ergebnisse als Buch. Dabei sind sie überraschend ehrlich: Sie sind auf Menschen getroffen, die für ihre Kinder keinen Unterhalt bezahlen, die das Sozialamt betrügen und die schwarzarbeiten. Es sind verschiedene Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebenseinstellungen. Einige studieren noch, während eine andere Teilnehmerin bereits ein Unternehmen leitet. Doch alle behaupten, dass durch den Gewinn eigentlich nicht viel passiert ist – und sich doch gleichzeitig ganz viel geändert hat.

Was bedeutet, es sei nichts passiert? Die Autorin beschreibt das folgerndermaßen: Niemand ist zum Mond geflogen und es ist keine Revolution ausgebrochen. Stattdessen hat sich ein Teilnehmer von Hartz IV abgemeldet und ein weiterer nochmal ein Studium begonnen. Denn das ist die Veränderung, die das Grundeinkommen den Gewinner*innen brachte: Sie bekamen die Chance auf einen Neuanfang.

Bild: Olichel (Pixabay, Pixabay License)

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