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Frauen in der Minijob-Falle

20.11.2020  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Bertelsmann Stiftung.

Für Frauen und Mütter ist der Minijob bis 450 Euro pro Monat zumeist die attraktivste Beschäftigungsform. Darüber hinaus gehende Arbeitin Teilzeit lohnt sich für sie vergleichsweise wenig.

Für Alleinstehende und Alleinerziehende im Niedriglohn ist sogar nur die Aufnahme eines Kleinstjobs bis 100 Euro monatlich attraktiv.

Das Steuer-und Sozialversicherungssystem in Deutschland setzt falsche Anreize. So werden insbesondere Zweitverdienende in Paarhaushalten mit hohen Steuern und Abgaben belastet, wenn sie eine Teilzeit-oder Vollzeitbeschäftigungaufnehmen. Verdient der Mann 48.000 Euro brutto im Jahr, würde die Frau bei einem Stundenlohn von 10 Euro und einem Minijob mit ca. 10 Wochenstunden 5.400 Euro im Jahr hinzuverdienen –und zwar ohne Abzüge aufgrund der Sonderregelung für Minijobs. Wählt sie stattdessen einen Teilzeitjob mit 20 Wochenstunden bei gleichem Bruttostundenlohn, bleiben der Familie 6.293 Euro im Jahr zusätzlich.„Eine Zweitverdienerin müsste doppelt so viel arbeiten, um nicht einmal 1.000 Euro mehr im Jahr in der Tasche zu haben. Die Nettomehreinnahmen stehen in keinem Verhältnis zur zusätzlichen Arbeit“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Für diese und andere typische Haushaltskonstellationen haben Andreas Peichl und Maximilian Blömer vom ifo Institut in ihrer Studie für die Bertelsmann Stiftung die sogenannte Partizipationsbelastung untersucht. Sie beschreibt, wie viel Prozent des individuellen Bruttoeinkommens als Steuern und Abgaben sowie durch Transferentzug vom Staat einbehalten werden. Die Autoren weisen auf falsche Anreize hin, die mehrheitlich Frauen betreffen: Von 7,6 Millionen Ehefrauen im Erwerbsalter haben mit 6 Millionen rund drei Viertel ein geringeres Einkommen als der Mann und sind demnach Zweitverdienerinnen. Sie leiden darunter, dass bei der Aufnahme einer Teilzeit-oder Vollzeitbeschäftigung Einkommensteuer anfällt, die über dem üblichen Eingangssteuersatz liegt. Grund dafür ist das Ehegattensplitting.

Auch Alleinstehende und Alleinerziehende im Niedriglohnbereich stark belastet

Noch stärker werden allerdings die Einkommen von Alleinerziehenden –und damit häufig die von Müttern–im Niedriglohnbereich belastet: Für Alleinerziehende mit zwei Kindern rechnet sich beispielsweise bereits eine Beschäftigung über den Kleinstjob (100 Europro Monat) hinauskaum. Verglichen mit einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II bleiben ihnen bei der Aufnahme eines Minijobs 2.040 Euro im Jahr bzw. 38 Prozent ihres zusätzlich verdienten Einkommens übrig. Bei 10 Euro Bruttostundenlohn sind es in einem Teilzeitjob (20 Wochenstunden) 3.040 Euro und in einem Vollzeitjob (40 Wochenstunden) 8.038 Euro jährlich und damit gerade einmal 29 Prozent bzw. 39 Prozent ihres Bruttohinzuverdienstes.

Am höchsten ist die Belastung im Niedriglohnsektor für Alleinstehende ohne Kinder. Entscheiden sie sich für eine Vollzeitbeschäftigung, bleiben ihnen sogar nur 25 Prozent ihres Bruttoeinkommens. Das sind bei einem Bruttostundenlohn von 10 Euro lediglich 5.283 Euro pro Jahr mehr als in Arbeitslosigkeit. Umgerechnet bedeutet dies, dass sie bei der Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung durchschnittlich nur 2,50 Euro netto pro Stunde hinzuverdienen. „Im Niedriglohnbereich sind die Hürden, eine Arbeit aufzunehmen, zu hoch“, erläutert Dräger. Gerade hier seien aber niedrige Hürden wichtig, damit Jobs im Niedriglohn ihre Einstiegsfunktion in den Arbeitsmarkt erfüllen.

Reformen zum Abbau falscher Anreize sind möglich und nötig

Die Untersuchung belegt, dass für Alleinstehende und Alleinerziehende, die besonders häufig im Niedriglohnsektor tätig sind,eine Anpassung der Hinzuverdienstregelung notwendig ist. Um die Anreize zur Arbeitsaufnahme für Zweitverdienende zu stärken, ist hingegen eine Einschränkung von Minijobs und eine Reform des Ehegattensplittings von zentraler Bedeutung. „Derzeit tragen Beschäftigte, die es ohnehin auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, eine besonders große Last – das müssen wir ändern“, sagt Dräger. Insbesondere müsse es gelingen, Frauen und Mütter aus der Falle der Kleinst- und Minijobs zu befreien.

Zusatzinformationen

Die Studie „Für wen lohnt sich Arbeit? Partizipationsbelastungen im deutschen Steuer-, Abgaben-und Transfersystem“ wurde von Andreas Peichl und Maximilian Blömer vom ifo Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt. Um die Partizipationsbelastung für Musterhaushalte in ausgewählten Jahren bis einschließlich 2019 zu berechnen, verwenden sie das ifo Mikrosimulationsmodell. Darüber hinaus werden auf Basis des Soziooekonomischen Panels (SOEP), einer seit 1984 durchgeführten repräsentativen Längsschnittbefragung, Partizipationsbelastungen für repräsentative Querschnitte in ausgewählten Jahren berechnet. Damit betrachtet die Studie sowohl die Belastung für theoretische Stundenkategorien und -löhne sowie die empirisch beobachtbare Belastung bei tatsächlichen Stunden und Löhnen.

Bild: rawpixel.com (Pexels, Pexels Lizenz)

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