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Erlass von Steuern aus Billigkeitsgründen (Kommentar von Udo Cremer)

15.06.2017  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Begehrt ein Steuerpflichtiger, der an mehreren Personengesellschaften unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen, weil er übermäßig durch Einkommen- und Gewerbesteuer belastet sei, so ist bei der Entscheidung über den Erlassantrag die bei den Personengesellschaften entstandene Gewerbesteuer, die anteilig auf den Steuerpflichtigen entfällt, einzubeziehen.

Allerdings darf eine Gewerbesteuerbelastung, die darauf zurückzuführen ist, dass Gewinne und Verluste einzelner Gesellschaften für Zwecke der Gewerbesteuer nicht saldiert werden können, bei der Prüfung einer Übermaßbesteuerung nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.

Der Kläger war alleiniger Kommanditist der Z KG. Er war auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Die Z KG befasste sich mit der Akquisition von Grundstücken, die für eine Bebauung, Vermietung und Verwertung geeignet waren. Für entsprechende Grundstücke sollte Baurecht geschaffen werden, auch sollten die Baukosten ermittelt sowie Kapitalgeber und Mieter gesucht werden. Nach der Vorprojektierungsphase wurden einzelne Tochtergesellschaften der Z KG jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gegründet, welche die einzelnen Vorhaben durchführen sollten und an denen auch Mitinvestoren beteiligt waren. Einzelne dieser Projektgesellschaften waren wirtschaftlich erfolgreich, andere erzielten Verluste. Der Kläger und seine frühere Ehefrau wurden für die Jahre 1989 bis 1993 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Schreiben vom 19.1.2006 beantragte der Kläger beim ursprünglich für ihn zuständigen FA X, die für die Veranlagungszeiträume 1989 bis 2004 festgesetzte Einkommensteuer sowie den Solidaritätszuschlag von insgesamt 1.396.931,15 € aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Die erzielten Einkünfte seien mit deutlich mehr als 100 % mit Einkommen- und Gewerbesteuer belastet worden. Unter Berücksichtigung der gewerbesteuerlichen Auswirkungen bei den einzelnen Tochtergesellschaften liege eine Übermaßbesteuerung vor.

Das aufgrund eines Wohnsitzwechsels zuständig gewordene Finanzamt Y (FA) lehnte den Erlassantrag durch Bescheid vom 12.12.2007 insoweit ab, als er die Jahre nach 1993 betraf. Zu den Jahren vor 1994 traf es keine Entscheidung, weil nach seiner damaligen Ansicht hierfür noch das FA X örtlich zuständig war. Gegen die Ablehnung wandte sich der Kläger mit Einspruch. Das FA erließ für die Jahre 1989 bis 1993 eine ablehnende Einspruchsentscheidung vom 18.10.2011. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FA im Wesentlichen aus, bei der Prüfung einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen sei es sachgerecht, die steuerliche Belastung bezogen auf die einzelnen Jahre und nicht jahresübergreifend zu betrachten. Es sei nicht zulässig, auf der Ebene des Klägers die Gewerbesteuerbelastung der einzelnen Gesellschaften zusammenzufassen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG war der Ansicht, die Ermessensausübung des FA sei nicht zu beanstanden. Es sei ermessenskonform, dass das FA den Zeitraum 1989 bis 1993 abgetrennt habe, da nur insoweit die Veranlagungen bestandskräftig gewesen seien. Die geltend gemachte Übermaßbesteuerung sei kein persönlicher Billigkeitsgrund. Die Revision ist zulässig (BFH Urteil vom 23.2.2017, III R 35/14), aber unbegründet und wird zurückgewiesen.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die Ermessensausübung durch das FA war zwar nicht zutreffend, allerdings kam wegen einer Ermessensreduzierung auf Null eine andere Entscheidung als die Ablehnung des Erlassantrags nicht in Betracht. Wegen dieser Ermessensreduzierung auf Null machen es die fehlerhaften Ermessenserwägungen des FA, welche das FG nicht beanstandet hat, nicht erforderlich, das angefochtene Urteil aufzuheben. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Der Zweck der §§ 163, 227 AO liegt darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen.

Die Entscheidung des FA über den Erlass von Steuern ist eine Ermessensentscheidung, so dass sich die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Unbilligkeit kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben. In der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen liegende (persönliche) Billigkeitsgründe hat der Kläger trotz Aufforderung nicht substantiiert gegenüber dem FA geltend gemacht, so dass dieses seine Prüfung zu Recht auf sachliche Billigkeitsgründe beschränkt hat. Anlass für einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen kann eine Übermaßbesteuerung sein, so wie sie der Kläger im Streitfall geltend macht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG fällt die Steuerbelastung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG. Die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen darf für den Regelfall nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt. Allerdings lässt sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GG keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ableiten.

Bezogen auf die Gewerbesteuer kann ein Erlassgrund anzunehmen sein, wenn diese bei einer über mehrere Jahre andauernden Verlustperiode nicht aus dem Ertrag des Unternehmens, sondern aus dessen Substanz geleistet werden muss und dies im Zusammenwirken mit anderen Steuerarten zu existenzgefährdenden oder existenzvernichtenden Härten führt. Wird (wie im Streitfall) eine Übermaßbesteuerung durch eine Kumulation von Einkommen- und Gewerbesteuer geltend gemacht, so hat das FA bei der Entscheidung über einen Erlassantrag nicht nur die Belastung durch die Gewerbesteuer einzubeziehen, für welche der (Einzel-)Unternehmer selbst Steuerschuldner ist, sondern auch die (anteilige) Gewerbesteuer, die auf der Ebene von Personengesellschaften entstanden ist, an denen der Unternehmer beteiligt ist und für welche die jeweilige Personengesellschaft Steuerschuldnerin ist. Dies hat das FA nicht beachtet; es hat in der Einspruchsentscheidung vom 18.10.2011 ausgeführt, dass es nicht zulässig sei, bei der Prüfung einer Übermaßbesteuerung die Gewerbesteuer auf der persönlichen Ebene mit der Gewerbesteuerbelastung auf der Ebene von Personengesellschaften zusammenzufassen.

Die fehlerhafte Ermessensausübung durch das FA führt allerdings nicht dazu, dass das angefochtene Urteil des FG deshalb aufzuheben wäre. Denn auch bei einer fehlerfreien Ermessensausübung hätte das FA zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Erlassantrag des Klägers abzulehnen war. Die vom Kläger geltend gemachte "übermäßige" Belastung mit Gewerbesteuer ist, wie aus seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren hervorgeht, zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass die negativen Ergebnisse aus Betrieben, die von einzelnen Personengesellschaften, an denen der Kläger unmittelbar oder mittelbar beteiligt war, unterhalten wurden, für Zwecke der Gewerbesteuer nicht mit den positiven Erträgen aus den Betrieben anderer solcher Gesellschaften verrechnet werden konnten. Die Unzulässigkeit einer gewerbesteuerrechtlichen Saldierung von positiven und negativen Ergebnissen mehrerer Betriebe ist eine Folge des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer. Dieser besagt, dass die Steuer an das Objekt "Gewerbebetrieb" anknüpft, losgelöst von den Beziehungen zu einem dahinterstehenden Rechtsträger. Die Belastung des Klägers mit Gewerbesteuer, die auf dem Fehlen einer Verlustverrechnungsmöglichkeit beruht, ist kein Grund, sie durch den Erlass von Einkommensteuer jedenfalls teilweise zu kompensieren.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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