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Doppelte Haushaltsführung bei Hauptwohnung am Beschäftigungsort (Kommentar von Udo Cremer)

05.06.2018  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn die Hauptwohnung ebenfalls am Beschäftigungsort liegt. Doch was genau heißt "am Beschäftigungsort"? Udo Cremer klärt auf.

  1. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn die Hauptwohnung, d.h. der "eigene Hausstand" i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG, ebenfalls am Beschäftigungsort belegen ist.
  2. Die Hauptwohnung ist i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG am Beschäftigungsort belegen, wenn der Steuerpflichtige von dieser seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann. Die Entscheidung hierüber obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG.

Die Kläger wohnten seit August 1999 in der K-Straße in A-F. Darüber hinaus bewohnte der Kläger seit Januar 2009 eine Wohnung in der V-Straße in A-M mit einer Größe von 103 qm. Der Kläger war als Angestellter nichtselbständig tätig. Seine Arbeitsstätte befand sich in den Streitjahren (2010 bis 2012) in der W-Straße in A-M. Nach den Angaben in den Einkommensteuererklärungen suchte der Kläger diese von der Wohnung in der V-Straße aus im Jahr 2010 an 203 Tagen, im Jahr 2011 an 210 Tagen und im Jahr 2012 an 190 Tagen auf. Die Aufwendungen für diese Wohnung machte er anteilig bezogen auf 60 qm als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA erkannte die geltend gemachten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung auch im Einspruchsverfahren nicht an. Die Klage hatte aus den in EFG 2016, 1005 veröffentlichten Gründen im Streitpunkt ebenfalls keinen Erfolg.

Das Urteil des FG ist (soweit es die Einkommensteuer für 2010 und 2011 betrifft) aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG entschieden hat, geändert hat (§ 127 FGO). An die Stelle der Einkommensteuerbescheide für 2010 vom 27. Juli 2012 und für 2011 vom 24. April 2013, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. November 2013, sind während des Revisionsverfahrens die Bescheide vom 5. Februar 2016 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher insoweit gegenstandslos und aufzuheben (BFH Urteil vom 16.1.2018, VI R 2/16).

Das FG hat die geltend gemachten Aufwendungen für die Wohnung des Klägers in der V-Straße zu Recht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG).

Der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort müssen demnach auseinander fallen. Nur dann ist der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG beschäftigt. Eine doppelte Haushaltsführung ist deshalb nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen (beruflich veranlassten) Zweithaushalt führt und auch der vorhandene "eigene Hausstand" am Beschäftigungsort belegen ist. Denn dann fallen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort nicht auseinander. Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Ort der langfristig und dauerhaft angelegten Arbeitsstätte.

Nach der langjährigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Begriff des Beschäftigungsortes weit auszulegen und darunter insbesondere nicht nur die politische Gemeinde, in der die Arbeitsstätte liegt, zu verstehen. So hatte der Senat bereits mit Urteil vom 9. November 1971 VI R 96/70 (BFHE 103, 506, BStBl II 1972, 134; s.a. Senatsurteil vom 16. Dezember 1981 VI R 227/80, BFHE 135, 57, BStBl II 1982, 302) darauf erkannt, dass ein Arbeitnehmer auch dann am Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wohnt, wenn er in der Umgebung der politischen Gemeinde wohnt, in der sich seine Arbeitsstätte befindet, und von dort aus zur Arbeitsstätte fährt. Er hat entschieden, dass eine Wohnung dem Wohnen am Beschäftigungsort dient, wenn sie dem Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen, und hat dies bei Wegezeiten von etwa einer Stunde bejaht. Dementsprechend haben auch die Finanzgerichte, die Finanzverwaltung sowie die Kommentarliteratur eine Wohnung am Beschäftigungsort bejaht, wenn der Arbeitnehmer von dort üblicherweise täglich zu seiner Arbeitsstätte fahren kann.

Die Entscheidung darüber, ob die fragliche Wohnung so zur Arbeitsstätte gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Denn die Antwort darauf kann nur aufgrund der Berücksichtigung und Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles gegeben werden und ist insbesondere von den individuellen Verkehrsverbindungen und Wegezeiten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte abhängig; dabei ist naturgemäß die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein wesentliches, allerdings kein allein entscheidungserhebliches Merkmal. Eine Mindestentfernung zwischen Haupt- und beruflicher Zweitwohnung bestimmt das Einkommensteuergesetz nicht. Sie können sich deshalb sogar in derselben politischen Gemeinde befinden. Da der Begriff des Beschäftigungsortes nicht auf Gemeinde- oder Landesgrenzen abstellt, kann dies in Ausnahmefällen, z.B. in Großstädten, in Betracht kommen.

Nach diesen Maßstäben ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden. Nach den nicht angegriffenen und den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG unterhielten die Kläger einen eigenen Hausstand in der K-Straße in A-F. Das FG hat weiter festgestellt, dass sich die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers in den Streitjahren in der W-Straße in A-M befand. Die Vorinstanz hat darüber hinaus festgestellt, dass der einfache Arbeitsweg des Klägers von der Wohnung in A-F zu seiner regelmäßigen Arbeitsstätte in A-M 21 km betrug. Es hat die Fahrzeit für diese Wegstrecke mit dem PKW auf 37 Minuten, für die Fahrt mit der S-Bahn auf 46 bis 50 Minuten und für die Fahrt mit Bus und U-Bahn auf etwa 57/60 bis 65 Minuten geschätzt. Bei dieser Sachlage ist die tatsächliche Würdigung des FG, der Kläger habe seine regelmäßige Arbeitsstätte in A-M von seiner Wohnung in A-F aus in zumutbarer Weise täglich aufsuchen können, zumindest möglich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das FG in diesem Zusammenhang neben der reinen Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sowie der benötigten Fahrzeiten mit dem PKW auch auf den gut erreichbaren öffentlichen Personennahverkehr mittels S-Bahn bzw. Bus und U-Bahn abgestellt.

Das FG hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, Fahrzeiten von täglich etwa einer Stunde für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte würden von einer Vielzahl von Arbeitnehmern auf sich genommen und seien zumutbar. Die Aufwendungen des Klägers für die Zweitwohnung in A-M können ferner nicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abgezogen werden. Die Aufwendungen für eine (Zweit-) Wohnung sind als Kosten der Lebensführung grundsätzlich nicht beruflich veranlasst. Auch wenn der Kläger die Wohnung in der V-Straße aus beruflichen Gründen gemietet hat, um seine Arbeitsstelle besser und schneller erreichen zu können, ergibt sich daraus kein Werbungskostenabzug für die Unterkunftskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Denn die vom Kläger für die Zweitwohnung geltend gemachten Aufwendungen dienten jedenfalls auch dem der steuerlich unbeachtlichen Privatsphäre zuzurechnenden Wohnen.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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