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Bewertungsrechtlicher Abschlag wegen Abbruchverpflichtung für Gebäude auf fremdem Grund und Boden (Kommentar von Udo Cremer)

25.06.2019  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Sind Gebäude, die auf fremdem Grund und Boden nur für die Dauer des Miet- oder Pachtverhältnisses errichtet sind, aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit zu entfernen, steht das Vorliegen einer vertraglichen Abbruchverpflichtung außer Zweifel. Welche steuerliche Folgen das hat, erfahren Sie von unserem Experten Udo Cremer.

  1. Ob der Nichtabbruch eines Gebäudes trotz Abbruchverpflichtung voraussehbar ist, ist anhand des Verhaltens der am konkreten Miet- oder Pachtvertragsverhältnis Beteiligten zu beurteilen. Auch das Verhalten der Rechtsvorgänger oder der Beteiligten vergleichbarer Miet- oder Pachtverhältnisse kann bei der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden.
  2. Für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs sind die Verhältnisse zum Feststellungszeitpunkt maßgeblich. Seit Vertragsschluss eingetretene Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse sind zu berücksichtigen.
  3. Die Finanzbehörde trägt die Feststellungslast für die Tatsachen, die für einen Nichtabbruch des Gebäudes bei Vertragsende sprechen. Lassen sich solche Tatsachen nicht hinreichend sicher feststellen, ist der Abschlag zu gewähren.

Die Klägerin pachtete gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann mit Vertrag vom 8. Oktober 2004 eine Parzelle in einer Siedlung mit Wohnbebauung, die aus einer früheren Kleingartenkolonie entstanden ist. Das Pachtverhältnis wurde für den Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis 31. März 2018 geschlossen und hatte eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Die Vorpächterin hatte auf der Parzelle ein Steinhaus mit Wintergarten errichtet, das der Ehemann der Klägerin mit privatschriftlichem Vertrag kaufte und die Klägerin im Jahr 2011 übernahm. Das Gebäude wurde in dem Pachtvertrag geduldet. Nach den vertraglichen Bestimmungen waren bei Beendigung des Pachtverhältnisses gleich aus welchem Grund vom Pächter oder von einem Vorgänger errichtete Bauten auf Wunsch der Verpächter zu entfernen. Ein Entschädigungsanspruch war ausgeschlossen.

In den Jahren 2006/2007 begann die bauplanungsrechtliche Erfassung der Siedlung. Der Bebauungsplan wurde 2011 beschlossen. Vor 2011 war das auf der Parzelle errichtete Gebäude nicht für Zwecke der Grundsteuer erfasst. Nach Inaugenscheinnahme des Objekts durch das FA wurde die Klägerin mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 2007 aufgefordert. Nachdem sie keine Erklärung abgegeben hatte, stellte das FA mit Bescheid vom 27. April 2012 gegenüber der Klägerin den Einheitswert für die wirtschaftliche Einheit "Gebäude auf fremdem Grund und Boden" auf den 1. Januar 2007 im Ertragswertverfahren auf 80.600 DM (41.210 EUR) fest. Die Besteuerungsgrundlagen wurden geschätzt. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin eine Feststellungserklärung ein. Mit Teilabhilfebescheid vom 3. April 2014 setzte das FA den Einheitswert auf 68.500 DM (35.023 EUR) herab. Der beantragte Abschlag nach § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG wurde nicht gewährt und der Einspruch insoweit als unbegründet zurückgewiesen (Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. September 2015 3 K 3097/14).

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen des FG tragen nicht die Entscheidung, dass zum Feststellungszeitpunkt 1. Januar 2007 der Nichtabbruch des Gebäudes voraussehbar gewesen ist (BFH Urteil vom 16.1.2019, II R 19/16).

Nach § 94 Abs. 3 Satz 1 BewG erfolgt die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden nach § 76 BewG. Ist vereinbart, dass das Gebäude nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit abzubrechen ist, so ist dieser Umstand durch einen entsprechenden Abschlag zu berücksichtigen; der Abschlag unterbleibt, wenn vorauszusehen ist, dass das Gebäude trotz der Verpflichtung nicht abgebrochen werden wird. Voraussetzung für die Gewährung des Abschlags ist, dass am Stichtag eine Abbruchverpflichtung eindeutig und unbedingt besteht. Eine solche Verpflichtung kann sich bei vermieteten oder verpachteten Grundstücken aus der Rückgabepflicht nach § 546 BGB i.d.F. ab 2002 oder aus einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung ergeben. Eine vertragliche Abbruchverpflichtung ist eindeutig und unbedingt, wenn die Vereinbarungen nach ihrem Wortlaut dem Mieter oder Pächter bei Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses keine andere Wahl lassen, als die Gebäude abzureißen.

Sind Gebäude, die auf fremdem Grund und Boden nur für die Dauer des Miet- oder Pachtverhältnisses errichtet sind, aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit zu entfernen, steht das Vorliegen einer vertraglichen Abbruchverpflichtung außer Zweifel. Vertragliche Gestaltungen hingegen, die Zweifel an dem Bestehen einer solchen Verpflichtung aufkommen lassen oder die Verpflichtung einschränken oder die es dem Mieter oder Pächter bei Beendigung des Vertrags im Ergebnis freistellen, das nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtete Gebäude entweder abzubrechen oder durch Stehenlassen und Zeitablauf in das Eigentum des Vermieters oder Verpächters übergehen zu lassen, beinhalten keine Abbruchverpflichtung im vorstehenden Sinne.

Eine Abbruchverpflichtung besteht, wenn sie der Mieter oder Pächter nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht einseitig abwenden kann. Er kann sie u.a. dann nicht einseitig abwenden, wenn der Vermieter oder Verpächter ein Wahlrecht hat, bei Vertragsende anstatt des Abbruchs die Gebäude gegen Entschädigung zu übernehmen. Wenn der Vermieter oder Verpächter die Gebäude (gegen Entschädigung) übernimmt, so ist das seine freie Entscheidung, auf welche der Mieter oder Pächter mit rechtlichen Mitteln nicht einwirken kann. Die am Bewertungsstichtag bestehende tatsächliche Unsicherheit darüber, ob der Vermieter oder Verpächter von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, beseitigt die rechtlich bestehende Abbruchverpflichtung des Mieters oder Pächters nicht. Der Abschlag nach § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG ist zu versagen, wenn im Feststellungszeitpunkt trotz entsprechender Abbruchverpflichtung der Nichtabbruch des Gebäudes voraussehbar ist. Es muss konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass es nicht zum Abbruch kommt. Für die Prognoseentscheidung ist maßgebend auf das Verhalten der Vertragsbeteiligten abzustellen. Auch das Verhalten ihrer jeweiligen Rechtsvorgänger oder der Beteiligten vergleichbarer Miet- oder Pachtverhältnisse kann bei der Prognoseentscheidung über die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs berücksichtigt werden.

Wird ein Miet- oder Pachtvertrag trotz wiederholter Kündigungsmöglichkeit stillschweigend über einen Zeitraum von 25 Jahren verlängert, spricht dies dafür, dass die Abbruchverpflichtung des Mieters oder Pächters nicht oder zumindest nicht innerhalb der üblichen Lebensdauer der errichteten Anlagen realisiert wird. Das Gleiche gilt, wenn ein Miet- oder Pachtverhältnis ausdrücklich mehrmals im Anschluss an den vorhergehenden Vertrag ohne grundsätzliche Änderungen der Vertragsbedingungen verlängert wird und hierdurch eine lange Gesamtdauer entsteht. Haben sich die Verhältnisse zum Feststellungszeitpunkt in Bezug auf das Grundstück oder das Gebäude im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits in wesentlicher Weise geändert, sind diese Änderungen in die Abwägung einzubeziehen. Eine wesentliche Änderung, die auf einen Gebäudeabbruch hindeutet, kann vorliegen, wenn ein Grundstück einer anderen Nutzung zugeführt werden soll oder ein vorhandenes Gebäude nicht mehr den technischen Anforderungen entspricht.

Die Versagung des Abschlags ist dagegen nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, die Abbruchverpflichtung werde nicht realisiert. Erwägungen allgemeiner Art über die Behandlung bei Miet- oder Pachtverhältnissen in ähnlichen Fällen reichen ebenfalls nicht aus. Selbst eine von vornherein vereinbarte lange Laufzeit des Miet- oder Pachtvertrags führt für sich allein genommen nicht dazu, dass der Nichtabbruch konkret voraussehbar ist; denn eine Abbruchverpflichtung nach § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BewG ist (unabhängig von der Laufzeit des Miet- oder Pachtvertrags) stets zu dessen Ende vereinbart. Ebenso muss die bloße Möglichkeit, der Mietvertrag werde vor seinem Ablauf durch Verlängerung über seine Laufzeit hinaus weiter fortgeführt, als künftiges ungewisses Ereignis für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs außer Betracht bleiben. Dies gilt auch für zukünftige Entwicklungen, die Veränderungen nach sich ziehen können, wie z.B. veränderte technische Anforderungen oder andere Nutzungsanforderungen an ein Grundstück; denn diese sind über einen längeren Zeitraum nicht abschätzbar.

Die Voraussetzungen für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs sind von Amts wegen zu erforschen, wobei die Beteiligten heranzuziehen sind. Die Beteiligten haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. Kann der entscheidungserhebliche Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zugänglichen und zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden, ist unter Anwendung der Regeln über die Feststellungslast (objektive Beweislast) zu entscheiden, zu wessen Lasten die Nichterweislichkeit von maßgeblichen Tatsachen geht. Der Steuerpflichtige trägt nach ständiger Rechtsprechung die Feststellungslast (objektive Beweislast) für diejenigen Tatsachen, die den Steueranspruch einschränken. Die objektive Beweislast für Tatsachen, die eine Steuerbegünstigung aufheben, trägt die Finanzbehörde. Ausgehend davon trägt der Mieter oder Pächter des Grundstücks die Feststellungslast für die Tatsachen, die zur Annahme einer Abbruchverpflichtung nach § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BewG des auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäudes erforderlich sind. Die Finanzbehörde trägt die Feststellungslast für die Tatsachen, die den Nichtabbruch des Gebäudes bei Vertragsende voraussehbar machen. Lassen sich konkrete Tatsachen für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs nicht hinreichend sicher feststellen, bleibt es bei dem in § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BewG vorgesehenen Grundsatz, dass der Abschlag zu gewähren ist.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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