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Berücksichtigung einer Umsatzsteuervorauszahlung im Jahr der wirtschaftlichen Verursachung bei Leistung bis zum 10. Januar des Folgejahres (Kommentar von Udo Cremer)

13.11.2018  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wenn innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres eine Umsatzsteuervorauszahlung geleistet wird, ist sie abziehbar. Auch wenn der 10. Januar ein Samstag, Sonntag oder Feiertag ist. So entschied es der BFH in seinem Urteil vom 27. Juni 2018 (X R 44 / 16).

Eine Umsatzsteuervorauszahlung, die innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlt wird, ist auch dann im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abziehbar, wenn der 10. Januar des Folgejahres auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (entgegen EStH 2017, § 11 EStG H 11, Stichwort Allgemeines, "Kurze Zeit").

Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Sie leistete die Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Dezember 2014 in Höhe von 6.859 EUR durch Banküberweisung, ihr Konto wurde am 8. Januar 2015 belastet. Die Klägerin machte diese Zahlung als Betriebsausgabe im Rahmen ihrer Gewinnermittlung für das Jahr 2014 geltend. Das FA versagte den Betriebsausgabenabzug, da die Zahlung dem Jahr 2015 zuzurechnen sei. Die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sei nicht anzuwenden, wenn der Fälligkeitstag aufgrund des § 108 Abs. 3 AO außerhalb des Zehn-Tages-Zeitraumes liege.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG entschied mit dem in EFG 2016, 1425 veröffentlichten Urteil, die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sei anzuwenden, weil sowohl der Zahlungszeitpunkt als auch der Fälligkeitszeitpunkt innerhalb "kurzer Zeit" nach Beendigung des Kalenderjahres 2014 gelegen hätten. Der gesetzliche Fälligkeitstermin für die Umsatzsteuervorauszahlung Dezember 2014, der 10. Januar 2015, sei zwar auf einen Sonnabend gefallen, § 108 Abs. 3 AO sei aber teleologisch so zu reduzieren, dass diese Norm bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht anzuwenden sei.

Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (BFH Urteil vom 27.6.2018, X R 44/16). Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2014 in Höhe von 6.859 EUR als Betriebsausgabe für 2014 zu berücksichtigen ist. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG gilt die am 8. Januar 2015 entrichtete Zahlung als im Jahr 2014 abgeflossen.

Ausgaben sind gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die bei dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres angefallen sind, zu dem sie wirtschaftlich gehören, als in diesem Kalenderjahr abgeflossen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die vom erkennenden Senat geteilt wird, sind Umsatzsteuervorauszahlungen regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, deren Wiederholung bei der Art der von dem Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen von vornherein feststeht.

Die Umsatzsteuervorauszahlung für den Dezember 2014 wurde von der Klägerin am 8. Januar 2015 und damit "kurze Zeit" i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG nach Beendigung des Kalenderjahres entrichtet. Als "kurze Zeit" gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen. Im Streitfall kann dahinstehen, ob es zur Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG erforderlich ist, dass die Umsatzsteuervorauszahlung innerhalb dieses Zehn-Tages-Zeitraums nicht nur gezahlt, sondern auch fällig sein muss. Im Gegensatz zur Auffassung des FA wäre im Streitfall auch der auf die Fälligkeit bezogene Zehn-Tages-Zeitraum des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG eingehalten worden. Der die regelmäßige Wiederkehr bestimmende Zahlungs- und Fälligkeitstermin beruht auf einer gesetzlichen Regelung: Die Vorauszahlung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig, d.h. im Streitfall war die Umsatzsteuervorauszahlung der Klägerin für den Dezember 2014 am 10. Januar 2015 und infolgedessen innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG fällig.

Bei der Ermittlung der (ggf. erforderlichen) Fälligkeit ist allein auf diese gesetzliche Frist abzustellen, nicht hingegen auf eine mögliche Verlängerung der Frist gemäß § 108 Abs. 3 AO bzw. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 193 BGB. Fällt danach das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Zutreffend hat der BFH in BFHE 247, 432, BStBl II 2015, 285 zum einen die Anwendung des § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 193 BGB auf Fälle der vom Zu- und Abflussprinzip abweichenden zeitlichen Zurechnung regelmäßig wiederkehrender Einnahmen oder Ausgaben in § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG verneint und die Umsatzsteuervorauszahlung, die --obgleich fristgerecht-- am Montag, den 11. Januar des dem dortigen Streitjahr folgenden Jahres geleistet worden war, nicht als kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres i.S. von § 11 EStG abgeflossen angesehen. Es fehle bereits an der Voraussetzung, dass eine Leistung "zu bewirken ist". § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG regelten nämlich keine Zahlungspflicht, sondern knüpften nur an eine tatsächlich in dem dort nicht näher bestimmten Zeitraum geleistete Zahlung an, um danach im Rahmen der Einkommensermittlung eine vom Grundsatz abweichende periodengerechte zeitliche Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben für die Gewinn- bzw. Überschusseinkünfte zu bestimmen. Zum anderen sei auch § 108 Abs. 3 AO nicht auf § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG anwendbar, da jene Vorschriften keine Frist regelten, sondern lediglich eine gesetzlich normierte Zufluss- bzw. Abflussfiktion schafften.

Diese Erwägungen würden ebenfalls für die Beurteilung eines (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmals der Fälligkeit der Verbindlichkeit im Rahmen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG gelten, denn entscheidend ist auch hier, dass in dieser Vorschrift nicht an eine Handlungsfrist i.S. des § 108 Abs. 3 AO, sondern an einen tatsächlichen Vorgang, nämlich die Zahlung der Umsatzsteuervorauszahlung innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums angeknüpft wird. Im Gegensatz zur Auffassung des FA ist allein die Frage zu beantworten, wann eine Zahlung als abgeflossen gilt. Auf die Frage, wie die (ggf. erforderliche) Fälligkeit im Einzelfall zu bestimmen ist bzw. ob die Frist zur Zahlung der Steuerschuld gemäß § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 193 BGB bzw. § 108 Abs. 3 AO hinausgeschoben wird, kommt es hingegen nicht an. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Zweck des § 108 Abs. 3 AO die Wahrung der Sonn- und Feiertagsruhe und die Berücksichtigung der in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung üblichen Fünftagewoche ist. Die Vorschrift will daher zugunsten des Steuerpflichtigen wirken, nicht aber verhindern, dass § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG in bestimmten Jahren aufgrund einer kalendarischen Konstellation zur Anwendung kommen kann.

Diese Auslegung wird durch den Zweck des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG gestützt, Zufallsergebnisse zu vermeiden. Es wäre nicht verständlich, wenn § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG trotz rechtzeitiger Zahlung allein deswegen nicht angewendet werden könnte, weil das Fristende des § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG nicht auf einen Werktag, sondern auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt, und damit aufgrund der Regelung des § 108 Abs. 3 AO bzw. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 193 BGB die Steuerschuld erst am folgenden Werktag zu begleichen ist. Es kann nicht von einem Umstand abhängen, auf den der Steuerpflichtige keinen Einfluss hat, dass bei identischen Vorgaben, nämlich der Erklärung und Zahlung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Dezember vor dem 10. Januar des Folgejahres, in einigen Jahren eine Zurechnung der Zahlung zum Vorjahr erfolgt und in anderen Jahren (wie dem Streitjahr und dem Folgejahr 2015) die Umsatzsteuervorauszahlung im Jahr der Entrichtung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen ist. Die Klägerin hat die so möglichen unterschiedlichen Rechtsfolgen plastisch beschrieben: Die Gewinnermittlung 2013 enthielte zwölf monatliche Umsatzsteuervorauszahlungen, die des Jahres 2014 dagegen nur elf. Im Jahr 2015 gäbe es zwölf Vorauszahlungen, jedoch mit abweichender wirtschaftlicher Zugehörigkeit (Dezember 2014 bis November 2015). Schließlich würde das Ergebnis 2016 mit 13 Umsatzsteuervorauszahlungen belastet. Derartige Zufallsergebnisse sollten durch § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG vermieden werden. Die Vorschrift wäre daher, sofern ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung gefordert würde, so auszulegen, dass sich der Zehn-Tages-Zeitraum nicht gemäß § 108 Abs. 3 AO verlängert.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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