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Berechnung der 44 Euro-Freigrenze bei Sachbezügen (Kommentar von Udo Cremer)

25.09.2018  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer informiert über die 44 € Freigrenze bei Sachbezügen bei zusätzlichen Leistungen des Arbeitgebers wie zum Beispiel der Lieferung der Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers.

  1. Üblicher Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Endverbraucherpreis und damit der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren tatsächlich gezahlte günstigste Einzelhandelspreis am Markt.
  2. Liefert der Arbeitgeber die Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor. Der Vorteil hieraus ist in die Berechnung der Freigrenze von 44 € einzubeziehen.
  3. Entsprechendes gilt, wenn der günstigste Einzelhandelspreis des Sachbezugs am Markt im Versand- oder Onlinehandel gefunden wird. Ist der Versand dort als eigenständige Leistung ausgewiesen und nicht bereits im Einzelhandelsverkaufspreis und damit im Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG enthalten, tritt der geldwerte Vorteil aus der Lieferung "nach Hause" bei der Berechnung der Freigrenze von 44 € zum Warenwert hinzu.
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Die Klägerin ist eine GmbH, die Speditions- und Transportleistungen erbringt. Sie gewährte ihren Mitarbeiten unter bestimmten Voraussetzungen in den streitigen Lohnzahlungszeiträumen 2006 bis 2009 Sachprämien (insbesondere handelsübliche Verbrauchsgüter, u.a. Unterhaltungselektronik, Werkzeuge, Kosmetik, Bekleidung, Lebensmittel, Haushaltsgeräte). Hierzu bediente sie sich der Firma X-GmbH. Jeder bezugsberechtigte Arbeitnehmer der Klägerin konnte über einen Onlinezugang monatlich aus der Angebotspalette der X-GmbH einen Sachbezug auswählen. Anschließend bestellte die Klägerin die Ware bei der X-GmbH, die der Klägerin die Sachbezüge nebst einer sogenannten Versand- und Handlingspauschale in Rechnung stellte. Nach dem Ausgleich der Rechnung durch die Klägerin bezog die X-GmbH die Waren von ihren Lieferanten und versandte sie an den jeweiligen prämienberechtigten Mitarbeiter der Klägerin oder händigte die Waren der Klägerin zur Verteilung im Betrieb aus. Der der Klägerin in Rechnung gestellte Bruttobetrag der Sachbezüge einschließlich Umsatzsteuer betrug regelmäßig 43,99 €.

Darüber hinaus hatte die Klägerin in der Regel für jede Bestellung eine Versand- und Handlingspauschale in Höhe von 6 € einschließlich, ab dem Lohnzahlungszeitraum 2007 zuzüglich Umsatzsteuer an die X-GmbH zu zahlen. Die Rechnungen wurden von der Klägerin beglichen und als Personalaufwand gebucht. Die monatlichen Lohnabrechnungen der Arbeitnehmer wiesen jeweils Sachbezüge in Höhe von 44 € aus. Lohnsteuer hierfür erhob die Klägerin nicht. Auch die Versand- und Handlingspauschale wurde von der Klägerin nicht lohnversteuert. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Versand- und Handlingspauschale dem Wert der Sachzuwendung hinzuzurechnen und deshalb die 44 €-Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG (nunmehr § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG) überschritten sei. Das FA erließ daraufhin einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer zuzüglich Annexsteuern (zuletzt vom 22. März 2016) für 2006 bis 2009 über einen Gesamtbetrag in Höhe von ... EUR. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG mit den in EFG 2016, 2060 veröffentlichten Gründen ab. Die Revision ist begründet (BFH Urteil vom 6.6.2018, VI R 32/16). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet wurde und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt auch vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann das FA auf Antrag zulassen, dass die Lohnsteuer nach einem unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 38a EStG zu ermittelnden Pauschsteuersatz erhoben wird, wenn in einer größeren Zahl von Fällen der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig, d.h. nicht nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 38a EStG, bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einbehalten hat.

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Hierzu zählen neben Gehältern und Löhnen auch andere "Bezüge und Vorteile", die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Sachbezüge, die unter den weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerlich außer Ansatz bleiben, sind alle nicht in Geld bestehenden Einnahmen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ein Sachbezug liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Anspruch, eine Sach- und Dienstleistung beziehen zu können, einräumt. Allerdings muss die Zuwendung einen wirklichen Wert haben und darf nicht bloß einen ideellen Vorteil darstellen. Ein geldwerter Vorteil durch den verbilligten oder unentgeltlichen Sachbezug liegt nur vor, wenn der Empfänger objektiv bereichert ist. Die subjektiven Wertvorstellungen der (Arbeits-)Vertragsparteien sind daher unerheblich.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen gehen die Beteiligten im Revisionsverfahren (ebenso wie das FG) übereinstimmend zu Recht davon aus, dass es sich bei den von den Arbeitnehmern über die X-GmbH bezogenen Prämien um Sachlohn handelt. Denn die Sachzuwendungen der Klägerin stellten leistungsbezogene Prämien dar, die durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst waren. Auch hat das FG dem Grunde nach zutreffend die Pauschalierungsvoraussetzungen gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bejaht. Dies steht zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht. Der Wert des vom Arbeitnehmer erlangten Sachvorteils ist, wie alle nicht in Geld bestehenden Einnahmen, mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Eine Bewertung der Sachbezüge nach § 8 Abs. 3 EStG kommt im Streitfall nach zutreffender Auffassung des FG nicht in Betracht. Die zugewandten Waren oder Dienstleistungen wurden nicht vom Arbeitgeber hergestellt, vertrieben oder erbracht. Üblicher Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Preis, der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren tatsächlich gezahlt wird. Vergleichspreis ist grundsätzlich der günstigste Einzelhandelspreis am Markt. Denn der Letztverbraucher wird regelmäßig das günstigste Angebot annehmen. Der Ansatz des niedrigsten Marktpreises entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Bewertungsregelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG wäre nicht handhabbar, wenn vom Steuerpflichtigen verlangt würde, stattdessen zu ermitteln, zu welchem Preis die größte Anzahl der Umsätze getätigt oder welcher Preis für die Ware oder Dienstleistung am häufigsten verlangt wird. Die Bewertung nach einem Mittelwert kommt aus nämlichen Gründen nicht in Betracht. Die Finanzbehörden haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Markt in diesem Sinn sind alle gewerblichen Anbieter, von denen der Steuerpflichtige die konkrete Ware oder Dienstleistung im Inland unter Einbeziehung allgemein zugänglicher Internetangebote oder auf sonstige Weise gewöhnlich beziehen kann. Denn maßgebliche Handelsstufe ist in der Regel der Einzelhandel. Der übliche Endpreis ist für die konkrete (verbilligt oder unentgeltlich) überlassene Ware oder Dienstleistung des fraglichen Herstellers oder Dienstleisters zu ermitteln. Jeder Sachbezug ist grundsätzlich einzeln zu bewerten. Auch wenn der Wert eines vom Arbeitgeber erlangten Vorteils sich hiernach nicht stets und unmittelbar in den Kosten abbildet, die der Arbeitgeber selbst dafür entrichtet hat, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, den Wert eines dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zugewandten Sachbezugs anhand der Kosten zu bemessen, die der Arbeitgeber seinerseits dafür aufgewendet hat, sofern der Arbeitgeber die Ware oder Dienstleistung aus Quellen bezogen hat, die auch Endverbrauchern zugänglich sind, und die Kosten um etwaige Nachlässe (etwa Mengenrabatte) bereinigt werden, die Endverbraucher nicht erhalten hätten.

In solchen Fällen kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass auch ein Fremder diesen Betrag für die Ware oder Dienstleistung hätte aufwenden müssen. Sofern sich ein Beteiligter für die Bewertung auf eine abweichende Wertbestimmung beruft, muss er konkret darlegen, dass eine Schätzung des üblichen Endpreises am Abgabeort anhand der vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten dem objektiven Wert des Sachbezugs nicht entspricht. Fracht-, Liefer- und Versandkosten zählen nicht zum Endpreis i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Es handelt sich hierbei nicht um die Gegenleistung des Letztverbrauchers für die Ware. Liefert der Arbeitgeber die Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor. Die Kosten des Arbeitgebers hierfür erhöhen deshalb nicht den Warenwert des zugewendeten Wirtschaftsguts. Vielmehr liegt ein gesonderter Sachbezug vor, der nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG gesondert zu bewerten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es an einer Bereicherung fehlen kann, wenn der Arbeitnehmer für das Empfangene selbst nichts hätte aufwenden müssen. Entsprechendes gilt, wenn der günstigste Einzelhandelspreis des Sachbezugs am Markt im Versand- oder Onlinehandel gefunden wird. Ist der Versand als eigenständige Leistung ausgewiesen und nicht bereits im Einzelhandelsverkaufspreis und damit im Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG enthalten, tritt der geldwerte Vorteil aus der Lieferung "nach Hause" bei der Berechnung der Freigrenze von 44 € zum Warenwert hinzu. Ist der übliche Endpreis des Sachbezugs nicht festzustellen, ist er zu schätzen. Entsprechendes gilt, wenn die Ermittlung eines Endpreises für den Arbeitgeber mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Denn die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ermittlung des konkreten Endpreises für die in Rede stehende Ware oder Dienstleistung wird wegen des damit verbundenen Aufwands durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip begrenzt. Es obliegt dem FG als Tatsacheninstanz, den gefundenen Wert im Wege tatrichterlicher Würdigung zu überprüfen und gegebenenfalls durch eine eigenständige Schätzung zu ersetzen. Dabei kann es sich an (historischen) Preislisten, Katalogen und Ähnlichem, Marktübersichten sowie Internetvergleichsportalen orientieren. In erster Linie sind zur Ermittlung der Schätzungsgrundlage jedoch die Beteiligten heranzuziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen umso größer ist, je mehr Tatsachen und Beweismittel der von ihm beherrschten Informations- und Tätigkeitssphäre angehören.

Der Senat kann auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob die Klägerin die nachgeforderte Lohnsteuer auch in der geltend gemachten Höhe schuldet. Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen nicht erkennen, ob es die streitigen Sachbezüge mit dem Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG und damit mit dem niedrigsten Endverbraucherpreis bewertet hat. Damit vermag der Senat nicht zu entscheiden, ob der angefochtene Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid auf der lohnsteuerlich zutreffenden Bemessungsgrundlage gründet. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Das FG hat (wie auch das FA) den Vorteil sämtlicher von der Klägerin an ihre Arbeitnehmer ausgekehrten Sachbezüge pauschal mit jeweils 44 € (inklusive Umsatzsteuer) bewertet, die von der X-GmbH zu Lasten der Klägerin erhobene Versand- und Handlingspauschale hinzugerechnet und damit den Wert eines jeden Sachbezugs auf 50 € bzw. 51,14 € bestimmt. FA und FG haben damit den Vorteilswert der streitigen Sachbezüge nach den der Klägerin von der X-GmbH in Rechnung gestellten Beträgen und damit nach den Anschaffungskosten der Klägerin bemessen.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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