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Belegschaftsaktien: 70 Prozent der großen Börsenunternehmen bieten eine Form an, aber häufig nicht für alle Beschäftigten

28.11.2017  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.

Top-Manager trommeln für mehr Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter. Bisher kommen Belegschaftsaktien jedoch häufig nur kleinen Kreisen zugute, zeigt eine neue Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Das Potenzial für mehr Beteiligung der Beschäftigten wird oft noch nicht ausgeschöpft. Dabei könnte eine stärkere Mitbestimmung Unternehmen nachhaltiger machen.

Die Vorstände von Dax-Konzernen wie Siemens, BASF oder RWE wollen, dass sich Mitarbeiter stärker am eigenen Unternehmen beteiligen und mehr Belegschaftsaktien halten. Die Idee dahinter: Man bindet die Beschäftigten enger ans Unternehmen, gewinnt die Belegschaft als loyalen Ankeraktionär. Doch was bedeutet es für Arbeitnehmer, wenn sie nicht nur Angestellte, sondern gleichzeitig Aktionäre ihrer Firma sind? Und was heißt das für die Mitbestimmung der Beschäftigten? Wer diese Fragen beantworten will, muss zunächst die Fakten kennen. Deshalb haben der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Steger von der Universität Regensburg und der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Rainer Sieg aus Passau eine Bestandsaufnahme vorgenommen. Die Forscher haben untersucht, welche Modelle von Belegschaftsaktien in deutschen börsennotierten Unternehmen existieren und wie diese in der Praxis genutzt werden.

Von 160 Unternehmen, die in den vier deutschen Börsenindizes notiert sind, bieten aktuell 112, das entspricht rund 70 Prozent, irgendeine Form von Belegschaftsaktien an. Dabei ist der Anteil von Unternehmen mit Belegschaftsaktien im Dax nicht wesentlich höher als im MDax oder SDax. Am weitesten verbreitet sind sie im TecDax: 77 Prozent der Unternehmen im Technologie-Index bieten diese Form der Mitarbeiterbeteiligung an.

Als Gründe für die Einführung von Belegschaftsaktien werden der Analyse zufolge monetäre Gründe am häufigsten genannt. Konkret: Belegschaftsaktien stellen in 36 Unternehmen einen Teil der variablen Vergütung dar. In 35 Fällen heißt es, sie seien dazu gedacht, die Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen. Auffällig ist dabei, dass die erste Begründung bei Dax-Unternehmen relativ selten vorkommt, während die zweite den meist genannten Grund darstellt – bei den TecDax-Unternehmen ist es genau umgekehrt. Dies könne ein Hinweis darauf sein, schreiben Steger und Sieg, dass Belegschaftsaktien bei Letzteren vor allem Führungskräfte zuteilwerden, während sie bei Dax-Unternehmen breitflächiger eingesetzt werden. Ebenfalls häufig genannt werden „weiche“ Gründe: entweder soll Mitarbeiterbindung gesteigert werden wie in 32 Unternehmen, die Motivation (24), das unternehmerische Denken (22) oder die Identifikation mit dem Unternehmen (13). Andere Motive scheinen dagegen von nachrangiger Bedeutung: So wird die Altersvorsorge der Beschäftigten lediglich siebenmal genannt, die Stärkung der Mitbestimmung sechsmal und die Abwehr von Übernahmen ein einziges Mal.

Ein Blick auf die Modelle und Zielgruppen von Belegschaftsaktien offenbart große Unterschiede. Zum einen existieren „eher traditionelle, großzügige Programme“, die etwa Gratisaktien oder Preisnachlässe vorsehen. Ein positives und erfolgreiches Beispiel sei das Programm bei Siemens, erklären die Wissenschaftler. Mehr als zwei Drittel der Siemens-Mitarbeiter besitzen Aktien des eigenen Unternehmens. Zusammen halten die Belegschaftsaktionäre immerhin fünf Prozent des gesamten Aktienkapitals, wobei je die Hälfte den Mitarbeitern und den Pensionären zuzurechnen sind.

Daneben gibt es „eher moderne, kostengünstige Ansätze“, bei denen es häufig lediglich darum geht, den jährlichen Steuerfreibetrag von 360 Euro pro Mitarbeiter auszuschöpfen. Häufig gibt es auch Programme, die sich speziell an privilegierte Gruppen innerhalb der Belegschaft richten. „Belegschaftsaktien-Programme werden oft vor allem für Führungskräfte beziehungsweise die Vertreter des oberen Managements hin konzipiert“, schreiben die Forscher. Insbesondere bei den kleineren der untersuchten Unternehmen im TecDax und SDax konzentrierten sich die Programme auf diese exklusiven Zirkel. So halten beispielsweise Belegschaftsaktionäre beim Pharmaforschungsunternehmen Evotec rund drei Prozent des gesamten Kapitals – dabei handelt es sich jedoch ausschließlich um Manager und weitere ausgewählte Mitarbeiter.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Belegschaftsaktien werden zwar in vielen großen Unternehmen angeboten, aber nur in wenigen kommen sie der gesamten Belegschaft zugute. „Offensichtlich sind Belegschaftsaktien zurzeit noch vornehmlich ein unternehmensinternes Thema mit Schwerpunkt auf finanzielle Motive“, schreiben die Wissenschaftler. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sich die Belegschaftsaktionäre bislang lediglich in Ausnahmefällen in Vereinen organisieren, um Einfluss auf die Ausrichtung ihres Betriebs zu nehmen. Aktive Vereine für Belegschaftsaktionäre registrieren die Forscher bei Siemens, Adidas, Evonik und Volkswagen.

Belegschaftsaktien hätten durchaus das Potenzial, die unternehmerische Mitbestimmung zu ergänzen – dafür müssten sie aber weiter verbreitet und „demokratischer“ zugänglich sein. Diesem Gedanken stellten sich auch die Betriebsräte und die Gewerkschaften nicht in den Weg, so die Studie. Sie betonten aber, dass die Kapitalbeteiligung keinen Ersatz für tarifvertragliche Gehaltsbestandteile und angestammte Mitbestimmungsrechte darstellen darf. Zudem tragen die Arbeitnehmer ein „doppelte Risiko“, wenn das Unternehmen in eine existenzielle Krise gerät: zusätzlich zum Verlust des Arbeitsplatzes droht der Wertverlust der Aktien.

Angesichts einer immer größeren Rolle, die kurzfristig ausgerichtete Kapitalmarktinvestoren bei deutschen Unternehmen spielen, sei eine starke Mitbestimmung der Beschäftigten „eine der letzten Hürden gegen den Durchmarsch eines Shareholder-Kapitalismus angelsächsischer Prägung in Unternehmensentscheidungen“, sagt Dr. Norbert Kluge, der die Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung leitet. „Daher wäre es grundfalsch und gefährlich, Kapitalbeteiligung gegen bewährte, gesetzlich garantierte Mitbestimmungsrechte ausspielen zu wollen.“ Aber als Ergänzung könne sie hilfreich sein. Deshalb lohne es sich, darüber zu diskutieren: „Inwieweit können die traditionell eher kontaktarmen Stiefschwestern Mitarbeiterkapitalbeteiligung und Mitbestimmung besser zusammenwirken? Was könnten sie in Zeiten globaler Unternehmensfinanzierung dazu beitragen, Unternehmen eine nachhaltige Perspektive für heimische Arbeitsplätze und Standorte zu geben?“



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