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Aktuelle Bemessung der Grundsteuer ist verfassungswidrig – Zeit für Neuregelung bis Ende 2019

24.04.2018  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte die aktuelle Bemessung der Grundsteuer für nicht verfassungskonform. Nun sind Bund und Länder gefragt, zügig eine verfassungsfeste Neuregelung zu finden. Die Vorstellungen, wie diese aussehen könnte, sind so zahlreich wie unterschiedlich.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat die Bemessung der Grundsteuer nach den Einheitswerten von 1964 (West) beziehungsweise 1935 (Ost) für verfassungswidrig erklärt. Mit dem Grundsteuer-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2019 eingeräumt worden, eine neue gesetzliche Grundlage zu schaffen. Nach Verabschiedung eines neuen Gesetzes soll eine Übergangsfrist bis Ende 2024 gelten. Das Urteil hat zur Folge, dass in Deutschland rund 36 Millionen wirtschaftliche Einheiten neu bewertet werden müssen.

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Das Urteil

Im Urteil heißt es: Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führt zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt. Mit dieser Begründung hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Vorschriften mit Urteil vom heutigen Tage für verfassungswidrig erklärt und bestimmt, dass der Gesetzgeber spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die verfassungswidrigen Regeln weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen sie für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden.

Art. 3 Abs. 1 GG lässt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Bewertungsvorschriften für die steuerliche Bemessungsgrundlage einen weiten Spielraum, verlangt aber ein in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerechtes Bewertungssystem. Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führt zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt.

Der Entscheidung liegen fünf Verfahren, drei Richtervorlagen des Bundesfinanzhofs und zwei Verfassungsbeschwerden, zugrunde. Die Klägerinnen und Kläger der Ausgangsverfahren beziehungsweise Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer sind Eigentümer von bebauten Grundstücken in verschiedenen „alten“ Bundesländern, die jeweils vor den Finanzgerichten gegen die Festsetzung des Einheitswertes ihrer Grundstücke vorgegangen sind. In drei Revisionsverfahren hat der Bundesfinanzhof die Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die einschlägigen Vorschriften des Bewertungsgesetzes wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungswidrig sind.

Unterschiedliche Vortellungen zur Gestaltung der Neuregelung

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde zwar zunächst von vielen Seiten positiv aufgenommen, gleichzeitig mahnten alle Seiten vor einer höheren Belastung der Eigenheimbesitzer und Mieter. Kontrovers dürfte die Diskussion über die zu treffende Neuregelung geführt werden.

Finanzminister der Länder fordern Geschlossenheit

Für die Kommunen ist die Grundsteuer mit rund 14 Milliarden Euro jährlich eine wichtige Einnahmequelle. Der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers erklärte dementsprechend : „Wir brauchen jetzt schnell eine einfache und transparente Neuregelung für eine verfassungsfeste Grundsteuer. Das Verfassungsgericht hat uns einen ambitionierten Zeitplan für eine Neuregelung mit auf den Weg gegeben. Für lange Diskussionen haben wir keine Zeit mehr. Bis Ende des kommenden Jahres müssen wir uns auf eine verfassungskonforme Neureglung geeinigt haben. Für die niedersächsischen Kommunen ist die Grundsteuer eine ganz wesentliche Einnahmequelle, die erhalten bleiben muss." Der Minister betonte weiter, dass eine Neuregelung insgesamt aufkommensneutral ausgestaltet sein müsse und den Finanzämtern, Bürgern und Kommunen nicht zu viel Aufwand auferlegen dürfe.

Mecklenburg-Vorpommers Finanzminister Mathias Brodkorb betonte:„Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Steuern der Kommunen. Deshalb werde ich mir gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den Ländern sowie dem Bundesfinanzminister das Urteil sehr genau anschauen. Und dann gilt es, so schnell wie möglich eine tragfähige Grundlage zu erarbeiten, die drei Aspekte berücksichtigt: Ein neues System muss verfassungskonform sein. Es sollte aufkommensneutral sein. Sprich es geht nicht darum, dass Länder oder Kommunen mehr Geld einnehmen. Und nicht zuletzt sollte eine Reform so erfolgen, dass es keine ungerechte Behandlung zwischen den Bürgerinnen und Bürgern am Sternberger und denen am Starnberger See gibt.“

Haus- und Grundstückseigentümer warnen vor Bodenrichtwert als Berechnungsgrundlage

Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke mahnte, dass eine Reform unterm Strich keine höhere Steuerbelastung für die Bürger mit sich bringen dürfe. Er forderte eine rein flächenbasierte Grundsteuer. Denn: „35 Millionen Immobilien können nicht in dem vom Verfassungsgericht vorgegebenen Zeitraum von fünf Jahren neu bewertet werden.“

Der Verbandschef sprach sich dafür aus, zukünftig ausschließlich die Grundstücks- und Gebäudefläche mit einem festen Multiplikator zur Grundlage der Besteuerung zu machen. Eine auf Bodenrichtwerten basierende Grundsteuer sei laut Warnecke keine Lösung: Sie wäre mit vielen rechtlichen und praktischen Unwägbarkeiten verbunden und würde das Wohnen in vielen Gegenden Deutschlands extrem verteuern.

Steigende Kosten für Eigenheimbesitzer und Mieter vermeiden

Dr. Thomas Schroeter, Geschäftsführer von ImmobilienScout24, stellte klar: „Es wäre schade, wenn aus der Modernisierung der Immobilienbewertung am Ende höhere Kosten auf Mieter und Eigenheimbesitzer resultieren. Die Belastungsgrenze im Bereich des Wohnens und der Nebenkosten ist bereits heute erreicht. Hier müsste der Gesetzgeber die Steuer insgesamt reformieren.“

Auch von Seiten des DMB wurde vor steigenden Betriebskosten gewarnt: "Zu den hohen Kaltmieten, die viele Mieter jetzt schon kaum noch aufbringen können, dürfen nicht noch zusätzliche Kosten durch die Erhöhung der Grundsteuer bei den Betriebskosten kommen." Hier wird als mögliche Lösung allerdings eine Abschaffung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer in Erwägung gezogen. Hierzu Hans-Jochem Witzke: „In diesem Zusammenhang sollten unbebaute Grundstücke stärker belastet werden als bebaute. Dies würde auch dazu, dass die Grundsteuer einen größeren Anreiz für mehr Neubau und damit zu Entspannung der Wohnungsmärkte und zur Senkung des Mietniveaus leistet. Au- ßerdem wird dadurch Spekulationen entgegengewirkt.“ Dr. Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft argumentiert ähnlich und sprach sich für eine Bodensteuer aus: „Eine Bodensteuer hätte starke positive Effekte auf den Boden- und Wohnungsmarkt. Sie verhält sich gänzlich neutral gegenüber Investitionen, würde Spekulationen verteuern und schafft somit einen Anreiz zu bauen. Damit würde eine Bodensteuer die Planungsziele der Städte und Gemeinden stärken, anstatt sie zu konterkarieren.“

Kein Handlungsbedarf bei bereits ergangene Grundlagenbescheide

Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) und wies darauf hin, dass Grundsteuerbescheide, die mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen sind, weiterhin Bestand haben. „Die heutige Entscheidung hat keine Auswirkungen auf bereits ergangene Grundlagenbescheide zur Grundsteuer. Für die betroffenen Steuerpflichtigen besteht also auch kein Handlungsbedarf, denn an dem bislang festgesetzten Steuerbetrag ändert sich nichts.“, so Raoul Riedlinger.

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