Stellenausschreibung und Altersdiskriminierung: Junge Hochschulabsolventen gesucht

22.08.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Das Hessische Landesarbeitsgericht musste sich vor seiner Entscheidung vom 18.03.2013 (7 Sa 1257/12) mit der Frage auseinandersetzen, ob die Stellenausschreibung mit der Anforderung eines „nicht länger als ein Jahr zurückliegenden Hochschulabschlusses“ altersdiskriminierend ist.

I. Einleitung

Durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) soll im Zivil- sowie im Arbeitsrecht ein umfassender Schutz vor Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität geschaffen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann bereits der Wortlaut einer Stellenbeschreibung ein Indiz für eine Diskriminierung darstellen. Dies gilt insbesondere für Formulierungen, die einen Hinweis darauf enthalten, dass der Arbeitgeber die Einstellung eines Bewerbers aus einer bestimmten Altersgruppe beabsichtigt. Hier läuft der Arbeitgeber stets Gefahr, eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern gemäß § 15 Abs. 2 AGG zahlen zu müssen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Benachteiligung nicht ausnahmsweise aufgrund einer der Ausnahmevorschriften des AGG gerechtfertigt ist.

Am 24.01.2013 hatte der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts (Aktenzeichen 8 AZR 429/11) entschieden, dass eine Stellenausschreibung, die sich an „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ sowie an „Berufsanfänger“ richtet, eine Diskriminierung wegen Alters darstellt. In dem vom BAG entschiedenen Fall formulierte eine Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Stellenausschreibung wie folgt:

„Die (…) hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen abzudecken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells: Trainee-Programm an der (…). Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm „…“ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt.“

Die Bewerbung des Klägers, eines Volljuristen mit mehrjähriger Berufserfahrung, wurde abgelehnt. Das BAG führte hierzu aus, dass die Stellenausschreibung, die sich ausdrücklich an „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ und an „Berufsanfänger“ richtet, ein Indiz für die Benachteiligung des abgelehnten Klägers wegen seines Alters darstelle, so dass im entschiedenen Fall eine Entschädigung zugunsten des berufserfahrenen Bewerbers in Betracht komme.

Für Arbeitgeber stellt sich also die Frage, wie sie ihre Stellenausschreibungen diskriminierungsarm formulieren und gleichzeitig klar definieren können, auf welche Eigenschaften es ihnen bei den Bewerbern auf eine bestimmte Position besonders ankommt.

II. Sachverhalt

Gegenstand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hessen vom 18.03.2013 war eine Stellenausschreibung eines Versicherungsunternehmens im Mai 2009. Dieses schrieb mehrere Stellen für ein auf ein Jahr befristetes Trainee-Programm in den Fachrichtungen Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsmathematik, Wirtschaftsinformatik und Jura aus. Es forderte im Rahmen der Anforderungskriterien in der Stellenausschreibung

  • „einen sehr guten Hochschulabschluss in einer der oben genannten Fachrichtungen, der nicht länger als 1 Jahr zurück liegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt“ sowie
  • „qualifizierte, berufsorientierte Praxiserfahrung, z.B. durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit“.

Der Kläger hatte 1999 die erste und 2001 die zweite juristische Staatsprüfung abgelegt und war seit August 2002 überwiegend als selbstständiger Rechtsanwalt tätig. Er bewarb sich auf eine der ausgeschriebenen Stellen im Bereich Rechtswissenschaften und erhielt eine Absage. Daraufhin forderte der Kläger von dem Versicherungsunternehmen die Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 14.000,- Euro, da er wegen seines Alters diskriminiert worden sei. Als er erfuhr, dass alle vier Trainee-Stellen im Fach Rechtswissenschaften mit weiblichen Bewerberinnen besetzt wurden, machte er sogleich auch eine Diskriminierung wegen seines Geschlechts geltend.

Nachdem das Arbeitsgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen und das LAG Hessen die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zunächst zurückgewiesen hatte, wurde dieses Urteil vom BAG aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das LAG habe das Vorbringen des Klägers in Bezug auf eine Diskriminierung wegen seines Geschlechts nicht berücksichtigt.

III. Entscheidung

Das LAG Hessen wies die Berufung des Klägers erneut zurück.

Zwar sei die Stellenausschreibung mittelbar diskriminierend, da diejenigen Bewerber, deren Studienabschluss schon länger als ein Jahr zurückliege, „nach der statistischen Wahrscheinlichkeit“ älter seien als diejenigen mit jüngerem Hochschulabschluss. Diese Diskriminierung sei jedoch durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt. Bewerber, deren akademischer Abschluss nur kurz zurückliege und die praktische Erfahrungen allenfalls aus Praktika u.ä. hätten, seien noch nicht von einschlägigen Berufserfahrungen vorgeprägt und beeinflusst, sondern mit einer besonderen Offenheit und gleichzeitig auch noch mit einer sehr frischen Erinnerung an die im Rahmen des Studiums und der praktischen Ausbildung geführten wissenschaftlichen Diskussionen versehen. Da das Unternehmen im Rahmen des einjährigen Trainee-Programms die Möglichkeit bieten wollte, praktische Erfahrungen in mehreren Tätigkeitsbereichen zu sammeln, um danach prüfen zu können, welche eingestellten Personen an welchen Arbeitsplätzen auf Dauer weiterbeschäftigt werden könnten, sei diese Benachteiligung älterer Bewerber gerechtfertigt. Im Übrigen sei die faktische mittelbare Diskriminierung wegen des Alters nicht so schwerwiegend, da durchaus auch solche Einsteiger eine Einstellungschance gehabt hätten, die ihren Studienabschluss erst in einem dem Kläger entsprechenden Alter gemacht hätten.

Darüber hinaus könne sich der Kläger vorliegend auch nicht auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts berufen. Das Unternehmen habe den Kläger in zulässiger Weise bereits deshalb aus dem Kreis der aussichtsreichen Bewerber ausnehmen dürfen, weil er mangels zeitlich nahem Studienabschlusses eine zulässige Grundvoraussetzung der Stellenausschreibung nicht erfüllte. Damit habe sich der Kläger nicht mehr im Kreis der für eine weitere Auswahl in Frage kommenden Bewerber befunden, bei denen eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts überhaupt in Frage kommen könne.

Der Kläger hat gegen die Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 8 AZN 559/13) eingelegt.

IV. Praxishinweis

Es bleibt abzuwarten, ob das BAG die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des LAG Hessen bestätigt. Bereits jetzt zeigt die besprochene Entscheidung – insbesondere im Vergleich mit dem o.g. Urteil des BAG vom 24.01.2013 (Aktenzeichen 8 AZR 429/11) – einmal mehr, dass bei der Formulierung von Stellenanzeigen äußerste Vorsicht geboten ist. Nur durch sorgfältig gewählte Formulierungen können Indizien einer Diskriminierung vermieden werden.

In der Praxis sollten die Voraussetzungen einer ausgeschriebenen Stelle nicht unmittelbar an eine persönliche Merkmale der Person des Bewerbers (z.B. Alter, Geschlecht) angeknüpft werden, sondern an Eigenschaften, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Position stehen: Soll die Stelle mit einer Person besetzt werden, die in diesem Bereich keine große Berufserfahrung besitzt, um noch „formbar“ zu sein und sich an den konkreten Bedarf des Arbeitgebers anzupassen, kann z.B. wie in dem vom LAG Hessen entschiedenen Fall, an das Datum des Hochschulabschlusses angeknüpft werden. Damit ist jedenfalls eine unmittelbare Diskriminierung wegen Alters ausgeschlossen, da auch ältere Bewerber, die erst spät ihren Abschluss erlangt haben, für eine Stellenbesetzung in Frage kommen. Für die ggf. verbleibende mittelbare Benachteiligung ist leichter ein Rechtfertigungsgrund zu finden. Aber auch in diesem Zusammenhang sollte bereits bei der Formulierung der Stellenausschreibung vorgesorgt werden: Das LAG Hessen wies in der besprochenen Entscheidung darauf hin, dass der dort vom Unternehmen verfolgte Zweck der Ungleichbehandlung – nämlich „formbare“ Mitarbeiter zu finden, die gerade noch keine erhebliche Praxis in dem Beruf vorweisen können, dessen Voraussetzungen sie gerade erworben haben – bereits aus der Ausschreibung selbst erkennbar war: Das Unternehmen wies darauf hin, dass es sich bei der Trainee-Stelle um eine Karriere-Einstiegschancen handele, die deutlich auf eine erstmalige berufliche Orientierung abstelle, die mit Hilfe von Stationen in verschiedenen Unternehmensbereichen und unter Betreuung und individueller Förderung erleichtert werden solle. Solche erkennbaren Indizien für einen Rechtfertigungsgrund erhöhen also sichtlich die Wahrscheinlichkeit, dass die Stellenausschreibung einer gerichtlichen Überprüfung standhält.




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