Rassismus oder Nostalgie? Streit um den „Sarotti-Mohr“

10.04.2019  — Markus Hiersche.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ob „Mohrenkopf“ oder „Zigeunerschnitzel“ – problembehaftete Ausdrücke sind im deutschen Sprachgebrauch allgegenwärtig. Auch eine Studie zeigt: Alltagsrassismus ist bis heute ein akutes Problem. Nun ist in Mannheim ein Streit um den bekannten „Sarotti-Mohr“ entbrannt.

Ein Symbol kolonialrassistischer Herrschaft?

Schwarze Haut, Pluderhose, Schnabelschuhe, Turban, Tablett in der Hand: Der „Sarotti-Mohr“, von 1918 bis 2004 Markenfigur des Schokoladenherstellers Sarotti, erregt derzeit die Gemüter in Mannheim. Die Lokalspalten der regionalen Tageszeitungen bersten fast vor Meinungsbekundungen. Während die einen ihn als liebgewonnene Reklamefigur aus Kindertagen verteidigen, sehen andere – darunter das Mannheimer Antidiskriminierungsbüro (ADB) – in ihm ein Symbol „kolonialrassistischer Herrschaft“.

Anstoß der Debatte war eine Diskussion zum Thema „Alltagsdiskriminierung“ im Mannheimer Kulturzentrum „Capitol“. Dort fielen aufmerksamen Besucher*innen zwei im Foyer angebrachte Embleme des „Sarotti Mohrs“ auf, die sie als rassistisch gegenüber schwarzen Menschen öffentlich beanstandeten. Schließlich werde hier die grausame Kolonialgeschichte im wahrsten Sinne des Wortes in Zucker verpackt.

Das Unternehmen Stollwerck, dem Sarotti gehört, wies die Kritik als „fragwürdige Interpretation“ zurück. Einen Grund zum Handeln sehe man nicht – schließlich sei der Begriff „Mohr“ mit keiner negativen Bedeutung belegt. Sprachwissenschaftler*innen widersprechen dem allerdings. Der antiquiert anmutende Begriff „Mohr“ habe mittlerweile durchaus einen abwertenden Unterton. Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) teilt die Kritik.

Rassistisch motivierte Diskriminierung nimmt zu

Es ist nicht die erste Debatte dieser Art in Deutschland, die heftige Gefühlsausbrüche unter den Diskutierenden hervorruft: Ob „Mohrenkopf“, „Negerkuss“ oder „Zigeunerschnitzel“ – überall verteidigen manche etwas mit Verve, was andere als rassistisch ablehnen. Tatsächlich ist Alltagsdiskriminierung in Deutschland ein nicht zu leugnendes Problem: Nach den aktuellen Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes stieg die Anzahl der gemeldeten Diskriminierungsfälle 2018 um knapp 15 Prozent. Die meisten Fälle bezogen sich dabei mit 31 Prozent auf eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft oder rassistischer Zuschreibungen.

Doch wie reagiert das Kulturzentrum „Capitol“ auf die Vorwürfe? Die Betreiber wollen die Embleme weiterhin zeigen – allerdings sollen sie verfremdend verändert werden, um die Besucher*innen zum Nachdenken zu bewegen. Was davon zu halten ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.

Magier statt „Mohr“

Dass Sarotti übrigens trotz anders lautender Erklärungen die Problematik durchaus erkannt hat, lässt gerade die 2004 vorgenommene Neugestaltung der Produkte erkennen: Seitdem ziert der unverfängliche „Sarotti-Magier der Sinne“ mit goldener Haut die Verpackungen der Schokoladenmarke.

Quellen und Hintergründe





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