Mutter, Mit-Mutter, Kind

10.04.2019  — Markus Hiersche.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Nicht eheliche Lebensgemeinschaft, Regenbogen- oder Patchwork-Familie: Die Welt der Familien wird immer bunter. Das aktuelle Abstammungsrecht berücksichtigt all dies aber nicht. Justizministerin Katarina Barley plant deshalb eine Reform. Unter anderem sollen Eltern nicht zwingend aus Mann und Frau bestehen.

Vater, Mutter, Kind – das deutsche Abstammungsrecht ist immer noch stark vom traditionellen Familienbild geprägt, in dem ein heterosexuelles Ehepaar mit ihrem Kind eine Kernfamilie bildet. Die Realität sieht aber anders aus: Immer weniger Kinder werden in einer Ehe aus Mann und Frau geboren. Regenbogenfamilien, künstliche Befruchtung und Co. sind dagegen auf dem Vormarsch. Die moderne Reproduktionsmedizin macht bisher nie dagewesene Familienkonstellationen möglich. Das deutsche Recht hält mit dieser Entwicklung aber noch nicht Schritt.

Vaterschaftsvermutung gilt nicht für Lesben

Dies erfuhr ein lesbisches Ehepaar im vergangenen Jahr am eigenen Leib: Eine lesbische Frau, deren Ehefrau mithilfe künstlicher Befruchtung ein Kind geboren hat, wollte sich als „weitere Mutter“ ins Geburtenregister eintragen lassen. Sie berief sich dabei auf die „Vaterschaftsvermutung“ nach Paragraf 1592 BGB. Vater ist danach automatisch der Mann, „der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist“. Ob dem biologisch tatsächlich der Fall ist, spielt hier zunächst keine Rolle. Die Klägerin forderte daher dasselbe Recht für sich – und scheiterte. Der BGH wies die Klage mit einem Hinweis auf den Gesetzestext ab, der ausdrücklich vom „Vater“ spricht, der zweite Elternteil also ein Mann sein muss. Eine analoge Auslegung sei darüber hinaus nicht zwingend. Die einzige Möglichkeit ist für gleichgeschlechtliche Paare bleibt aktuell deshalb die Stiefkindadoption.

„Mit-Mutter“ – das Abstammungsrecht wird reformiert

Um der neuen Vielfalt an Familien gerecht zu werden und die Diskriminierung von Familien, die nicht dem traditionellen Familienbild entsprechen, abzustellen, plant Justizministerin Katarina Barley (SPD) nun eine Reform des Abstammungsrechts. Geht es nach dem Reformvorschlag der Ministerin, soll Paragraf 1592 u. a. um folgenden Satz ergänzt werden: „Mit-Mutter eines Kindes ist die Frau, die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist.“ Analog soll dies auch für eingetragene Lebenspartnerschaften gelten. Der Entwurf stellt darüber hinaus klar, dass Vater, Mutter oder Mit-Mutter ebenfalls eine intersexuelle oder transsexuelle Person sein kann.

Neue Regelungen zur Vaterschaft

Auch einige Regelungen zur Vaterschaft sollen aktualisiert werden, gerade wenn es um künstliche Befruchtung geht: Entschließt sich nämlich nach aktueller Rechtsprechung heute ein unverheiratetes Paar einvernehmlich zu einer künstlichen Befruchtung mit der Samenspende eines Dritten, gilt der Mann rechtlich nicht als Vater. In Zukunft soll „die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung an die Stelle des natürlichen Zeugungsaktes treten“. Dem Mann gibt dies die Möglichkeit, sich vor Gericht als rechtlichen Vater einsetzen zu lassen. Der Entwurf der Ministerin geht aber noch weiter. Auch Kinder sollen künftig einen Anspruch darauf erhalten, zu erfahren, wer der genetische Vater oder die genetische Mutter ist. Genetische Väter wiederum sollen leichter ihre Vaterschaft klären lassen können.

„Zwei-Eltern-Prinzip“ bleibt bestehen

Beibehalten werden soll dagegen das „Zwei-Eltern-Prinzip“, d.h. auch nach Reform des Abstammungsgesetzes soll es maximal zwei Elternteile geben dürfen: Zwei Väter und eine Mutter sind weiterhin nicht vorgesehen. Ein schwuler Partner eines Vaters muss den Nachwuchs auch zukünftig adoptieren. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) fordert deshalb „einen verlässlichen rechtlichen Rahmen, der es ermöglicht, dass den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen entsprechend bis zu vier Menschen einvernehmlich rechtliche Elternteile und/oder Sorgeberechtigte sein können“. Erst dann ist das Abstammungsrecht wirklich in der gesellschaftlichen Realität angekommen.

Quellen und Hintergründe





Newsletter:

dasGleichstellungs­wissen aktuell

Praxistipps zu Rechtsfragen, Frauenförderung und Gleichstellung

Aktuelle Ausgabe Jetzt abonnieren
nach oben