Frauen, die Geschichte machen: Alice Schwarzer

23.08.2019  — Sinah Vollmers.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ein geflügelter Ausspruch besagt: „Männer machen Geschichte.“ Dass das zu kurz gegriffen ist, zeigt unsere Reihe „Frauen, die Geschichte machen“. Erleben Sie Frauen, die den Mut hatten, für ihre Überzeugungen einzutreten – und so die Welt veränderten. Heute: Alice Schwarzer (*3. Dezember 1942)

Alice Sophie Schwarzer ist eine deutsche Journalistin und Publizistin, die als Volontärin bei den Düsseldorfer Nachrichten anfing. 1969 arbeitete sie als Reporterin bei der Zeitschrift Pardon. Von 1970 bis 1974 arbeitete sie in Paris als freie politische Korrespondentin für Radio, Fernsehen und Zeitschriften.

Frauenbewegung 1970er Jahre

1970 freundete sich Alice Schwarzer mit Simone de Beauvoir an. Sie wirkte zusammen mit Monique Wittig bei Mouvement pour la libération des femmes mit,einer der ersten französischen Frauenbewegung. Im Frühling 1971 veröffentlichte das französische Wochenmagazin Le Nouvel Observateur ein öffentliches Bekenntnis, in dem 343 Frauen, darunter auch Simone Beauvoir, zugaben, illegal abgetrieben zu haben:

„Eine Million Frauen pro Jahr lassen in Frankreich eine Abtreibung vornehmen. Sie tun dies unter gefährlichen Umständen, da die Abtreibung gesetzlich verboten ist. […] Ich erkläre, daß ich eine davon bin. Ich erkläre, daß ich abgetrieben habe.“

Im gleichen Herbst brachte Schwarzer ihr erstes Buch über die Frauen, die gegen den §218 kämpften, heraus. Erneut kritisiert sie die gesetzlich verbotene Abtreibung. Schwarzer war der Meinung, dass in Deutschland die Abtreibungskampagne nach französischem Vorbild zu schnell verlief. Es war ihrer Ansicht nach keine Rede mehr von der Würde und Selbstbestimmung der Frau, sondern von der „Seele des Fötus“.

1973 veröffentlichte die Journalistin ein weiteres Buch, nämlich „Frauenarbeit – Frauenbefreiung“. Sie kam durch die Analyse von Interviews mit Frauen zu der Erkenntnis, dass der Schlüssel zur Gleichberechtigung die außerhäusliche Berufstätigkeit sei. Zudem müssten Frauen sich ihrer Ansicht nach gegen männliche Privilegien wehren, um eine gerechte Verteilung sämtlicher die Familie betreffenden Aufgaben zu erzielen.

Das Buch „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“ erschien im Jahr 1975. In dem Buch plädiert die Feministin für eine freie Sexualität und die ökonomische Unabhängigkeit für Frauen. Das Buch wurde in zwölf Sprachen übersetzt und machte Alice Schwarzer in Westdeutschland bekannt. Sie gilt seitdem als die bekannteste und umstrittenste Persönlichkeit der deutschen Frauenbewegung.

Ihre Bekanntheit wurde durch ein Streitgespräch mit der argentinisch-deutschen Autorin Esther Vilar, die behauptete, dass nicht die Frau durch den Mann unterdrückt werde, sondern umgekehrt, gesteigert. Schwarzer bemängelte, dass Vilar sexistische Vorurteile weiterverbreite, und warf ihr vor, ihr eigenes Geschlecht zu verraten.

Schwarzer ist auch heute noch immer wieder Thema in den Medien. Oft wurde sie scharf kritisiert. Zum Bespiel wurde ihr vorgeworfen, dass ihre Berichte zum Kachelmann-Prozess nicht professionell seien und sie den Beklagten vorverurteile.

Schwarzers politische Position

Schwarzer vertritt den sogenannten Gleichheitsfeminismus oder sozialen Feminismus, deren Anhängerinnen die soziale Konstruktion von Geschlechtsunterschieden und ihre materiellen Folgen als Ursache der Unterdrückung hervorheben.

In den 1970er war es Schwarzers Hauptziel, das Recht auf straffreie Schwangerschaftsabbrüche bei ungewollten Schwangerschaften zu erwirken. Seit 1975 gehört Sexualität zu den zentralen Themen, denen sich Schwarzer widmet. Im Jahr 2000 schrieb Schwarzer, dass im Zuge der allgemeinen Emanzipation Frauen auch sexuell selbstbewusster geworden sind und die Sexualität zwischen den Geschlechtern somit gleichberechtigter ausgelebt wird. Dennoch haben Männer noch immer die Karten in der Hand, einer Frau den sexuellen Wert an- bzw. abzuerkennen. Gleichzeitig meint Schwarzer, eine neue sexuelle Verunsicherung bei den Männern zu erkennen.

Auch für die finanzielle Unabhängigkeit der Frauen setzte sich Schwarzer bereits seit den 1970er Jahren ein. Ein kleiner Sieg war 1976 ein Gesetz, das verheirateten Frauen erlaubte, ohne Genehmigung ihres Ehemanns eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. 1995 kritisierte Schwarzer, dass das Leitbild der Hausfrauenehe damit zwar aufgehoben wurde, aber die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen noch immer eine Chancengleichheit von den Geschlechtern verhindere.

Alice Schwarzer lehnt das Tragen von Hijabs in öffentlichen Einrichten ab. Sie begründet dies damit, dass es im Gegensatz zu anderen religiösen Symbolen Frauen stigmatisiere und in Wirklichkeit ein politisches Symbol sei. Des Weiteren thematisiert und kritisiert Schwarzer wiederholt frauenfeindliche Haltungen in muslimischen Einwandererkulturen. Im Januar 2016 brachte Schwarzer die sexuellen Übergriffe in Köln in der Silvesternacht 2015/16 in Verbindung zur Organisation Islamischer Staat. Sie wurde dafür von der taz kritisiert, dass sie dieselben Angstszenarien wie Rechtspopulisten an die Wand male.

Weiterhin setzt Schwarzer sich für ein Verbot von Pornografie ein.

Bedeutung Schwarzers

Laut einer Umfrage von 2006 kennen 83 Prozent aller Deutschen Alice Schwarzer. 67 Prozent sind der Meinung, dass sie sehr viel für Frauen getan hat. Der Historiker Hans-Ulrich Wehler ist sich sicher, dass ohne Schwarzer der Frauenbewegung ein wesentlicher Impuls gefehlt hätte.

„Nicht unsere Integrierung ist wünschenswert, nicht die Vermännlichung der Frauen, sondern die Vermenschlichung der Geschlechter.“
– ALICE SCHWARZER (1975)





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