Steuerrecht
1 Anwendungsbereich
Steuerpflichtige, die verpflichtet sind, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen oder dies freiwillig tun (§§ 140 und 141 AO) müssen die Vorgaben des Handels- bzw. des Steuerrechts zur Bilanzierung und Bewertung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten beachten.
Die handelsrechtlichen Grundsätze werden über die Maßgeblichkeit ins Steuerrecht übernommen. Hierbei sind jedoch gem. § 5 Abs. 6 EStG steuerrechtliche Besonderheiten zu beachten.
2 Ansatz dem Grunde nach
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, die nach den Grundsätzen des § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB gebildet wurden, sind gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich auch in der Steuerbilanz anzusetzen. Das Steuerrecht kennt allerdings diverse Sonderfälle, die die Übernahme von handelsrechtlich gebildeten Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten ganz bzw. teilweise einschränken.
Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind (§ 5 Abs. 2a EStG).
Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte dürfen erst gebildet werden, wenn der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist (§ 5 Abs. 3 EStG).
Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums dürfen nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der Zuwendungsberechtigte seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt (§ 5 Abs. 4 EStG).
3 Ansatz der Höhe nach
Nach Auffassung der Finanzverwaltung darf die Höhe der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz die zulässige Höhe der entsprechenden Rückstellungen in der Handelsbilanz nicht übersteigen.
Für die steuerrechtliche Bewertung von Rückstellungen ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 3f EStG auf die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag abzustellen. Dies bedeutet, dass zukünftige Preis- und Kostensteigerungen nicht zu berücksichtigen sind. Der Ansatz nach Handelsrecht mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag einschließlich zu berücksichtigender Preis- und Kostensteigerungen weicht daher von der steuerrechtlichen Bewertung ab mit der Folge, dass handelsrechtlich latente Steuern abzubilden sein können (siehe auch → Latente Steuern).
Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr sind im Steuerrecht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. E EStG ebenfalls abzuzinsen. Allerdings sieht das EStG einen festen Zinssatz von 5,5 Prozent vor. Eine Abzinsung unterbleibt demnach bei einer Restlaufzeit von weniger als 12 Monaten. Ebenso hat eine Abzinsung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG zu unterbleiben, wenn eine ungewisse Verbindlichkeit verzinslich ist oder auf einer Anzahlung bzw. einer Vorauszahlung beruht.
Künftige Vorteile, die mit Erfüllung der Rückstellung voraussichtlich verbunden sein werden, sind bei ihrer Bewertung wertmindernd zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Vorteile gesondert als Forderungen zu aktivieren sind.