Einführung, Definition und Überblick
Prozessmanagement wird teilweise auch als Geschäftsprozessmanagement oder Business Process Management (BPM) bezeichnet.
Eindeutig definiert ist der Begriff Prozessmanagement nicht, es gibt unterschiedliche Auffassungen und Interpretationen, die jedoch auch wesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen.
Im Rahmen des Prozessmanagements werden Prozesse – die speziell definiert werden – in Unternehmen, aber auch in anderen Organisationen wie z.B. der öffentlichen Verwaltung identifiziert, erfasst, erstellt / konzipiert, modelliert und dokumentiert, in die Aufbau- und Ablauforganisation integriert, koordiniert, regelmäßig aktualisiert, hinsichtlich der korrekten Ausführung gewährleistet, gemessen, überwacht, gesteuert und kontinuierlich hinterfragt und verbessert.
Durch die Optimierung der Geschäftsprozesse bezwecken Unternehmen, ihre Leistungsfähigkeit zu steigern und sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen bzw. zumindest nicht den Anschluss an den Wettbewerb zu verlieren.
Prozessmanagement ist zwar vor allem in großen Unternehmen und Konzernen mit Tausenden von Mitarbeitern in verschiedenen Ländern und komplexen Geschäftsmodellen und Tätigkeiten breit etabliert, aber auch für kleine und mittlere Unternehmen und z.B. auch für gemeinnützige Organisationen, Krankenhäuser oder Steuerkanzleien geeignet.
Prozessmanagement hat sich als ganzheitlicher Managementansatz zur Organisationsentwicklung und Steuerung in Produktions- und Dienstleistungsunternehmen durchgesetzt und wird in letzter Zeit verstärkt auch in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt. So verlangt z.B. § 9 Abs. 1 E-Government-Gesetz (EGoVG) im Rahmen der Digitalisierung, dass Behörden des Bundes Verwaltungsabläufe, die erstmals zu wesentlichen Teilen elektronisch unterstützt werden, vor Einführung der informationstechnischen Systeme unter Nutzung gängiger Methoden dokumentieren, analysieren und optimieren – das wäre Prozessmanagement – und im Interesse der Verfahrensbeteiligten – hier kommt die Kundenorientierung zum Vorschein – die Abläufe so gestalten, dass Informationen zum Verfahrensstand, zum weiteren Verfahren und Kontaktinformationen auf elektronischem Wege abgerufen werden können.
Prozessmanagement ist zwar eng mit dem Gedanken an IT-Systeme verknüpft, ist aber im Grundsatz nicht vom Einsatz von IT-Systemen abhängig, erste Ansätze von Prozessmanagement gehen auch auf das Vor-Computer-Zeitalter zurück.
Im Fokus stehen die geforderte, erwartete Leistung der Organisation und die „Leistungsempfänger bzw. -adressaten“, das sind vor allem Kunden, können aber auch Gäste, Mitglieder, Patienten, Schüler einer Schule oder Stadt, Studenten einer Universität, Bürger, Ehrenamtliche usw. sein.
Das gesamte Planen, Steuern und Handeln der Organisation wird fortlaufend auf den Kunden im weitesten Sinne ausgerichtet, die Kundenzufriedenheit und der Kundennutzen sind der Fixpunkt, an dem sich alles unternehmerische Handeln ausrichten soll. Das bedeutet, den gesamten Prozess vom Startpunkt bis zum Endpunkt (sog. End-to-End-Prozess) zu betrachten; nicht aus einem Eigenzweck heraus, sondern um im Wettbewerb nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich und überlebensfähig zu sein.
Prozessmanagement ist regelmäßig ein Teil des Qualitätsmanagements. Dabei stehen Fragen nach der Qualität der Leistungen (und wie diese gemessen, überwacht und verbessert werden kann) im Raum, aber auch nach dem Nutzen der Leistungen für die Kunden. Die Qualität auch bei Änderungen der Kundenanforderungen, der Materialien oder Lieferketten kontinuierlich gewährleisten zu können, erfordert Prozessmanagement.
Auch wenn man bei Qualität zunächst an die Produkte oder Dienstleistungen selbst denkt, ist eine zentrale Argumentation des Prozessmanagements, dass die Qualität dieser Endprodukte nicht ohne qualitative Prozesse gewährleistet werden kann. Diese müssen dafür sorgen, dass Kundenaufträge im Wesentlichen ohne Mängel, Zeitverzug und zu günstigen Selbstkosten durchgeführt werden. Der Kunde nimmt nicht nur die Qualität des Endprodukts wahr, sondern auch, ob die Lieferung zuverlässig erfolgt, ob der Kundenservice gut erreichbar ist, ob Reklamationen kulant behandelt werden, ob die Preise angemessen sind, ob das Unternehmen als innovativ gilt usw.
Bei der Prozessoptimierung lag der Schwerpunkt ursprünglich auf den Fertigungsprozessen, später wurden auch administrative und andere (z.B. Vertriebs-) Prozesse eingebunden. Ziel ist zum einen eine höhere Produktivität und Effizienz, zum anderen besteht aber auch ein Bezug zum Wissensmanagement.
Die eventuell „eingefahrenen“ Ziele, Inputfaktoren, Abläufe etc. sollen beständig hinterfragt und optimiert werden. Dabei stehen – ausgehend von Vision, Mission und Zielen des Unternehmens – auch die (obersten) Prozesse selbst und ihre jeweiligen einzelnen Bestandteile auf dem Prüfstein: muss das Unternehmen diese Leistungen überhaupt erbringen? sind die Prozesse notwendig? sind sie aufgrund eines veränderten Umfelds aufzugeben oder anzupassen?
Für die Prozessoptimierung werden verschiedene Methoden eingesetzt, viele davon stammen aus der Lean Production bzw. dem Lean Management: 5S-Methode, Business Process Reengineering, Total Quality Management, Kaizen, Innovationsmanagement, Balanced Scorecard, Wertorientiertes Management, Change Management, Wissensmanagement, Customer Relationship Management, Supply Chain Management, Six Sigma, Prozesskostenrechnung, Benchmarking, Outsourcing, Simultaneous Engineering, KANO-Modell zur Bestimmung der Kundenzufriedenheit und viele mehr. Prozessmanagement bildet insofern den Rahmen für andere Managementkonzepte.
Zur Prozessoptimierung gehören effiziente Prozesse ohne Doppelarbeit, Leerlauf, Wartezeiten, vermeintlich sinnfreie Tätigkeiten sowie eine klare Kommunikation der Ziele und Fokussierung auf diese.
Prozessmanagement steht damit einer funktions- und aufgabenorientierten Arbeitsteilung und hierarchieorientierten Organisation (wie man sie traditionell und häufig in der Unternehmens- und Organisationspraxis vorfindet) gegenüber. Eine Ausrichtung an Prozessen bedeutet, nicht von der bestehenden Organisationsstruktur und Funktionsbereichen auszugehen, sondern von den Forderungen, Erwartungen, Wünschen und Bedürfnissen der Kunden im weitesten Sinne sowie dem geplanten Leistungsniveau der Organisation.
Die Betrachtung ist zwar funktionsübergreifend und ganzheitlich und geht davon aus, dass Prozesse keine Funktions-, Abteilungs- oder Unternehmensgrenzen kennen (d.h. auch Externe sind, falls erforderlich für einen Prozess, einzubinden, z.B. Lieferanten oder Behörden). Prozessorientierung bzw. eine prozessorientierte Unternehmensstruktur bedeuten jedoch nicht, dass die oftmals funktionsorientierte, in Abteilungen strukturierte Organisation abgeschafft werden muss; es geht vielmehr um eine abteilungsübergreifende, prozessorientierte Betrachtung.
Die Ziele, Vorteile bzw. der Nutzen von Prozessmanagement werden vor allem in folgenden Punkten gesehen:
Spürbare Ausrichtung der Unternehmensprozesse an den Kunden führt zu höherer Kundenzufriedenheit;
(Erhöhung der) Effektivität („Das Richtige tun.“ – nämlich das, was dem Kunden und damit langfristig auch dem Unternehmen nutzt);
(Erhöhung der) Effizienz („Etwas richtig tun.“), z.B. in Form von kürzeren Durchlauf- bzw. Bearbeitungszeiten, Kostenoptimierung oder Qualitätsverbesserung;
nachhaltige Weiterentwicklung der Organisation durch kontinuierliche Verbesserung;
flexible Reaktion auf und Anpassung an Veränderungen, dadurch bessere Überlebensfähigkeit des Unternehmens;
Wissensmanagement;
Fehlervermeidung, dadurch Reduzierung von teuren Nacharbeiten, Rückläufern, Reklamationen, Schadensersatzansprüchen;
Bürokratie reduzieren, Schnittstellen verringern;
Transparente Strukturen und Prozesse im Unternehmen schaffen (kein „Geheimwissen“, keine Informations-Silos);
schnellere Time-to-Market;
Kontinuierliche Prozessverbesserungen, Lernen aus Fehlern;
Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation durch Transparenz, verbesserte Kommunikation und Vermittlung, wie der einzelne Mitarbeiter zur Kundenzufriedenheit und zum Unternehmenserfolg beiträgt;
Verbesserung des Managements, z.B. durch zum Prozessmanagement passende Kennzahlensysteme wie die Balanced Scorecard.
Es besteht eine Verbindung zum Wissensmanagement. Das Wissen und Know-How steckt in den Prozessen (bzw. Prozessdokumentationen) und nicht in einzelnen Köpfen mit „Herrschaftswissen“. Das erleichtert das Onboarding neuer Mitarbeiter, Job-Sharing, Job Rotation, interne Stellenwechsel, Stellvertretungen bei Abwesenheit / Krankheit usw. Zum Wissensmanagement gehören Wissensbewahrung/-konservierung und Wissenstransfer.
Mögliche Gründe für die Einführung bzw. den Start von Prozessmanagement in Unternehmen können unterschiedlich sein:
Leistungs- bzw. Effizienzsteigerungen: Prozesse analysieren und optimieren;
Veränderungen / Marktanpassungen: das Unternehmen muss sich neu aufstellen, neue Geschäftsmodelle und Prozesse finden;
Es soll – ggfs. auf Druck von externer Seite, z.B. Großkunden – eine ISO-Zertifizierung nach ISO 9001:2015 erreicht werden; diese erfordert ein Prozessmanagementsystem.
DIN EN ISO 9001:2015 verlangt einen prozessorientierten Ansatz bei der Entwicklung, Verwirklichung und Verbesserung der Wirksamkeit eines Qualitätsmanagementsystems, um die Kundenzufriedenheit durch Erfüllen der Kundenanforderungen zu erhöhen. Danach soll der prozessorientierte Ansatz ermöglichen, 1) die Anforderungen zu verstehen und permanent einzuhalten, 2) Prozesse im Hinblick auf die Wertschöpfung zu betrachten, 3) eine wirksame Prozessleistung zu erreichen und 4) Prozesse anhand von Prozessdaten zu verbessern.
Wie viele andere Managementkonzepte auch hat das Prozessmanagement eine eigene Begriffswelt geschaffen. Die wichtigsten Begriffe sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.
Eine Aktivität (teilweise auch als Funktion oder Arbeitsschritt bezeichnet) ist eine Tätigkeit als Teil der Leistungserstellung. Das können einzelne Arbeitsschritte sein (z.B. das Drehen auf einer Werkbank in der Produktion) oder administrative Tätigkeiten wie die Beschaffung von Rohmaterialien, die Eingabe von Kundenaufträgen in ein System oder die Erstellung einer Rechnung. An den Beispielen sieht man bereits, dass Aktivitäten unterschiedlich detailliert dargestellt werden können (so besteht die Erstellung einer Rechnung aus mehreren Schritten, z.B. Übernahme der Daten aus Lieferscheinen, Prüfung, Ausdruck, Freigabe, Unterschrift, Versand, Verbuchung etc.). Werden die Arbeitsschritte sehr detailliert und kleinteilig beschrieben, können sie als direkte Arbeitsanweisungen für die Mitarbeiter eingesetzt werden, während gröber strukturierte Aktivitäten noch genauer beschrieben werden müssen, damit alle wissen, was zu tun ist.
Ein Prozess bzw. Geschäftsprozess ist eine strukturierte, regelbasierte – ggf., aber nicht zwingend zeitlich, zumindest aber folgerichtig bzw. logisch aufeinander aufbauende – Folge von (wertschöpfenden) Aktivitäten, um eine betriebliche Aufgabe zu erfüllen bzw. am Ende den Kunden (im weitesten Sinne) Produkte und Leistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum bereitzustellen bzw. zu liefern. Im Mittelpunkt stehen Aktivitäten, die nicht durch Funktionsbereiche oder Organisationen beschränkt sein müssen, auch Externe wie Kunden (z.B. Kundenanforderungen, Spezifikationen), Lieferanten oder Organisationen (z.B. Verbände, Regulierungsstellen) müssen einbezogen werden. Die Aktivitäten können nacheinander oder parallel durchgeführt werden, von Menschen oder Systemen (Maschinen, Computer).
Der Begriff Prozess ist also sehr umfassend und kann Fertigungsprozesse, Verwaltungsprozesse, Vertriebsprozesse etc. umfassen.
DIN EN ISO 9001:2015 stellt konkrete Anforderungen an Unternehmensprozesse:
Bestimmung von Input (Eingangsdaten u.ä.) und Output (Ergebnisse),
Definition der Schnittstellen und Wechselwirkungen,
Bestimmung der erforderlichen Ressourcen,
Verantwortlichkeiten und Rollen in den Prozessen,
Risiken und Chancen sowie die jeweils korrespondierenden Maßnahmen,
Überwachung und Bewertung der Prozesse durch Leistungsindikatoren bzw. Kennzahlen,
Ständige Verbesserung der Prozesse.
Ein Prozess ist in der Regel klar von anderen Prozessen abgegrenzt.
Der Begriff Geschäftsprozess ist genau genommen etwas enger definiert, indem er sich auf kundenbezogene Schlüssel-Prozesse, die für das Geschäftsmodell des Unternehmens, seine Ziele und die langfristige Existenz bedeutsam sind bzw. „das Unternehmen ausmachen“ konzentriert, wird aber auch oft synonym verwendet.
BeispielEin Prozess, den man dann als Hauptprozess oder übergeordneten Prozess bezeichnen könnte, kann mehrere Teilprozesse bzw. untergeordnete Prozesse umfassen.
Z. B. kann der Beschaffungsprozess Teilprozesse umfassen wie 1) Angebote einholen, 2) Angebote vergleichen, 3) Lieferanten auswählen, 4) Konditionen im Detail verhandeln und fixieren, 5) Bestellen, 6) Wareneingang prüfen und 7) Bestellung bzw. Lieferanten bewerten.
Prozesse können stark strukturiert und formalisiert sein, eine Prozessausführung ist identisch mit der nächsten (v.a. in der Fertigung); sie können aber auch weniger strukturiert und formalisiert sein, z.B. in der Forschung oder Entwicklung. Abweichungen vom Standardprozess können in Prozesse (bzw. deren Prozessbeschreibungen) integriert werden.
Prozessbeschreibungen bzw. Prozessdokumentationen stellen die einzelnen Prozesse im Detail dar, angefangen beim Auslöser des Prozesses (z. B. eine Kundenanfrage) bis zum Prozessende (Lieferung / Leistung). Das beinhaltet auch die auf den einzelnen Stufen benötigten Ressourcen in sachlicher, personeller, zeitlicher und ggf. finanzieller Hinsicht.
Ein Prozess beginnt bzw. wird ausgelöst durch ein Anfangsereignis, es folgen manuelle oder automatische Aktivitäten und am Ende steht ein Ergebnis, das messbar ist und sich an interne (z.B. andere Abteilungen) oder externe Kunden richtet. Prozesse sind i.d.R. nicht einmalig (wie Projekte), sondern auf Wiederholung angelegt. Im Idealfall hat jeder Prozess einen Prozessverantwortlichen, der für die Aktualisierung und Weiterentwicklung zuständig ist.
Prozesse können in Textform oder mit Schaubildern / Grafiken oder kombiniert dargestellt werden.
Eine sogenannte Prozesslandkarte bzw. Prozessarchitektur zeigt alle Geschäftsprozesse im Überblick, darauf basierend können die einzelnen Prozesse detailliert betrachtet werden.
Kurz könnte man Prozesse so skizzieren: Input – Prozess – Output oder etwas erweiterter: Auslöser – Input – Prozess – Output.
Der sogenannte Auslöser eines Prozesses ist ein Zustand, der von einem (externen oder internen) Kunden (z.B. Kundenanfrage oder Urlaubsantrag) verursacht oder durch Zeit (Datum) ausgelöst wird (z.B. Monatsabschluss in der Buchhaltung).
Der Input kann ganz unterschiedliche Dinge umfassen, z.B. Arbeitszeit, Material, Dokumente oder Daten.
Output bezeichnet die Produkte oder (allgemeiner) Leistungen, dazu zählen Dienstleistungen oder auch Dokumente (z.B. Jahresabschluss). Auch Zwischenergebnisse – die dann in folgenden Prozessen weiterverarbeitet werden – können ein Output sein. Ein Prozess kann einen oder mehrere Outputs haben.
Der Zweck eines Prozesses gibt an, was mit dem Prozess erreicht werden soll bzw. warum dieser für das Unternehmen bedeutsam ist.
Aus dem Prozesszweck werden Prozessziele, -messgrößen und -kennzahlen abgeleitet. Das kann z.B. eine möglichst kurze Durchlaufzeit bzw. eine Durchlaufzeit in einer bestimmten Bandbreite sein („möglichst kurz“ wäre keine messbare Größe, die Zielerreichung wäre nicht zu kontrollieren).
Prozessverantwortliche bzw. Prozesseigner steuern und optimieren kontinuierlich die Erstellung der Ergebnisse für einen Prozess.
Die Etablierung einer Prozessverantwortung ist allgemein auch mit Fragen und Problemen behaftet: üblicherweise werden Unternehmen im Rahmen von Management by Objectives über Ziele in den einzelnen Abteilungen gesteuert; nun muss dies auch auf Basis von Prozessen und deren Ergebnissen und Performance erfolgen. Vorschläge zur Verbesserung der Prozesse müssen überzeugend kommuniziert werden, da der direkte (hierarchische) Durchgriff auf die Abteilungen fehlt.
Prozessverantwortliche können als Stabsfunktion, Linienfunktion oder in der Matrix-Organisation etabliert werden.
Bei komplexen Prozessen gibt es ggf. Prozesskoordinatoren, die für mehrere Prozesse verantwortlich sind.
Es wird teilweise unterschieden zwischen:
Steuerungs-, Führungs- bzw. Managementprozesse: diese beziehen sich auf die Unternehmensführung oder deren Teilbereiche wie Strategische Planung, Projekt- oder Risikomanagement, Controlling oder Qualitätsmanagement und sollen dafür sorgen, dass Geschäftsprozesse entsprechend den Zielen durchgeführt werden; sie bringen keinen direkten Kundennutzen, sind aber für das Unternehmens selbst von großer Bedeutung;
Kern- bzw. Wertschöpfungsprozesse: sie dienen dazu, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen, in ihnen erfolgt die Wertschöpfung des Unternehmens, sie haben einen direkten Bezug zum Markt; die Kernprozesse werden aus der Unternehmensstrategie abgeleitet und gelten als erfolgsentscheidend für das jeweilige Unternehmen, indem sie Wettbewerbsvorteile langfristig gewährleisten sollen; ihre Ergebnisse sind direkt für den Kunden sichtbar und können diesen begeistern, zufriedenstellen oder unzufrieden machen; beispielhafte Kernprozesse sind die Produktentwicklung, die Fertigung oder der Service (Beratung, Lieferdienst, After-Sales-Service);
Unterstützungs- bzw. Supportprozesse: diese tragen nicht direkt zur Erfüllung der Kundenbedürfnisse bei, unterstützen aber die Kernprozesse dabei, dies tun zu können; dazu zählen z.B. die Finanzbuchführung, IT, Beschaffungswesen (Lieferantenmanagement) oder das Personalwesen. Sie werden vom Kunden nicht wahrgenommen. Diese sind oft funktional, d.h. in Abteilungen organisiert.
Die oben genannte Prozesslandkarte stellt in drei Bereichen voneinander abgegrenzt die Managementprozesse, die Kernprozesse, und die Unterstützungsprozesse übersichtlich für das gesamte Unternehmen dar.
Am striktesten verwirklicht wäre Prozessmanagement in einer Prozessorganisation, in der die Prozesse ausgehend von Kundenwünschen definiert, angeordnet und abgearbeitet werden und an deren Abschluss die Leistung für den Kunden steht.
Das lässt sich aber nicht immer so konsequent umsetzen. Alternativ können deshalb auch Stabsstellen für Prozessmanager in (weiterhin) funktionsorientierten Unternehmen geschaffen werden.
Oder in einer Matrixorganisation koordinieren Prozessverantwortliche die Prozesse, die mehrere (Funktions)bereiche durchlaufen, d.h. die Organisation ist sowohl funktional als auch prozessorientiert ausgerichtet.
Prozessmanagement muss von anderen Konzepten wie Business Reengineering und Workflow-Management, die auf den ersten Blick ähnlich erscheinen, abgegrenzt werden.
Der Begriff Prozessmanagement muss vom Begriff und Konzept Business Reengineering abgegrenzt werden: Das Business Reengineering strukturiert Unternehmens radikal um, hinterfragt die Existenzberechtigung von Prozessen und geht dabei von einer „grünen Wiese“ aus (ignoriert also die bestehenden Strukturen, Abläufe, Mitarbeiterzahlen etc.). Dabei können unterschiedliche Parameter im Fokus der Verbesserung stehen: Kosten, Qualität, Service, Zeit und Kundennutzen. Ziele des Business Reengineering sind sprunghafte Verbesserungen, nicht Verbesserungen in Trippelschritten. Ergebnis sind grundstürzende Veränderungen, die alte Organisationsform stirbt, eine neue wird aufgesetzt. Das birgt hohe Chancen, aber auch hohe Risiken. Dabei werden Prozesse eher aus der Vogelperspektive – d.h. mit wenig Details – betrachtet. Es handelt sich um ein einmaliges oder zumindest nur in größeren Zeitabständen stattfindendes Projekt, das viel Ressourcen bindet und üblicherweise für große Unruhe im Unternehmen sorgt.
Im Gegensatz dazu zielt die Geschäftsprozessoptimierung darauf, Prozesse und die bestehende Organisation kontinuierlich zu verbessern, die Schritte sind nicht radikal, sondern erfolgen in eher kleinen Schritten, die Prozessaufnahme und -betrachtung ist sehr detailliert.
Beide Optimierungskonzepte können aber nebeneinander bestehen bzw. Business Reengineering kann eines der im Rahmen des Prozessmanagements eingesetzten Konzepte zur Prozesserneuerung sein.
Workflow-Management kann ein Teil des Prozessmanagements sein, die Betrachtungsweise ist aber kleinteiliger und hat einen anderen Schwerpunkt. Die einzelnen Prozesse bzw. Workflows werden sehr detailliert beschrieben und analysiert, oft müssen viele am Workflow teilnehmende Personen und Mitarbeiter genau koordiniert und es muss der jeweilige Auftragsfortschritt ermittelt werden.
Beispiel:Ein Workflow bei einer Zeitung könnte aus folgenden Schritten bestehen: 1) Journalist schreibt Artikel, der Artikel erhält im Redaktionssystem den Status „geschrieben“. 2) Ein Redakteur erhält die Statusmeldung und weiß, dass er den Artikel redigieren kann, anschließend erhält der Artikel den Status „redigiert“. 3) Der Artikel erscheint automatisch in der „Auftragsliste“ der Textkorrektur, die den Artikel nochmals auf Rechtschreibung und Grammatik kontrolliert, anschließend erhält der Artikel den Status „kontrolliert“. Daraufhin geht er elektronisch zur Abteilung Satz / Layout usw.
Unterschieden wird in der Regel in strategisches und operatives Prozessmanagement.
Das operative Prozessmanagement zielt darauf, einzelne Prozesse oder „Prozessfamilien“ einmalig bzw. zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verbessern, zu optimieren und zu überwachen, z.B. in Einzelprojekten. Es findet vor allem in den jeweiligen Fachbereichen statt.
Das strategische Prozessmanagement hingegen plant, steuert, optimiert und überwacht Prozesse systematisch, langfristig und permanent, ausgerichtet an den Zielen und Strategien der Organisation. Das Thema wird sozusagen aus einzelnen Projekten herausgeholt und im oberen / obersten Management mit Verantwortlichen, Budgets, Personal und Kennzahlensystemen fest etabliert. Dazu gehören: Analyse – Modellierung – Implementierung – Ausführung – Überwachung / Controlling (mit Prozesskennzahlen) vgl. den Regelkreis weiter unten.
Das strategische Prozessmanagement bildet den Rahmen für das operative Prozessmanagement.
Dazu gehört:
Ziele setzen;
Organisatorische Grundlagen in Form von Personal, Budgets und Organisationsstruktur schaffen;
Ist-Situation aufnehmen;
Prozesse erfassen;
Standards definieren;
Prozesscontrolling aufsetzen;
Mitarbeiter qualifizieren und fortbilden;
aus Erfahrungen lernen.
Die Einführung eines ganzheitlichen Prozessmanagements oder auch nur einzelner operativer Projekte bringt Veränderungen bzgl. der Arbeitsweisen, im Hinblick auf neue Aufgaben und Anforderungen sowie in Bezug auf die Aufbauorganisation und Hierarchie. Im Rahmen des strategischen Prozessmanagements ist diese Veränderungskultur nicht von überschaubarer Dauer („Projekt beendet“), sondern stetig und dauerhaft.
Das ruft eventuell bei den einen eine positive Einstellung hervor: neue Aufgaben, Qualifizierung, Chancen auf Weiterentwicklung und Aufstieg; bei anderen ruft es eventuell Angst hervor, durch wegfallende Aufgaben, ständig neue Prozesse, Unruhe in der Organisation usw.
Um etwaigen Widerständen zu begegnen, sollten alle Beschäftigten die Gründe für die Veränderungen kennen, verstehen, „mitgenommen werden“, annehmen, gestalten und an ihrer Umsetzung teilhaben.
Das Change Management bzw. Veränderungsmanagement muss deshalb in der Regel das Prozessmanagement begleiten, indem es die Mitarbeiter beständig informiert und mit ihnen kommuniziert.
Beim Geschäftsprozessmanagement haben sich Lebenszyklusmodelle bzw. Regelkreise etabliert.
Das Geschäftsprozessmanagement hat danach verschiedene Phasen bzw. Stufen, die in wiederholten bzw. kontinuierlichen Schleifen durchlaufen und damit in der DNA des Unternehmens eingepflanzt werden.
Dazu zählen je nach Modell:
Strategisches Prozessmanagement;
Prozessdokumentation;
Prozessanalyse und -optimierung;
Prozessimplementierung;
Prozessdurchführung;
Prozesscontrolling und -weiterentwicklung.
Das Regelkreismodell macht deutlich, dass es keinen Endpunkt gibt, es sich vielmehr um ein in das Unternehmensleben integriertes permanent laufendes System handelt.
Im Folgenden werden die einzelnen Bestandteile des Regelkreises kurz beschrieben:
Die Bestimmung der Prozessstrategie beinhaltet, Schlüsselprozesse und strategische sowie operative Prozessziele festzulegen; die Kunden- und Prozessorientierung zu etablieren und eine Prozesslandkarte bzw. Prozessarchitektur aufzusetzen, die das gesamte Unternehmen abbildet.
Die Prozessmanagementziele könnten z.B. in Workshops erarbeitet werden, in denen geklärt wird, was die wesentlichen Ziele des oder Auslöser für die Einführung eines Prozessmanagements sind. Soll z.B. vorrangig die Prozesstransparenz erhöht werden oder die Kundenorientierung ausgeprägter werden? Nach Festlegung der Ziele müssen die Stakeholder über diese Ziele zur Einführung des strategischen Prozessmanagements informiert werden.
Die Prozessdokumentation bzw. Prozessmodellierung des Ist-Zustandes kann in verbaler Form als Beschreibung oder grafisch z.B. in Form von Flussdiagrammen erfolgen (Vgl. Abschnitt 2. bzgl. der verschiedenen Methoden). Die Dokumentation der Abläufe, Verantwortlichen, beteiligten Abteilungen, benötigten Ressourcen, des Inputs und der Ergebnisse, der Schnittstellen, der benötigten IT, der Risiken, der Kontrollen (z.B. Internes Kontrollsystem) usw. ist die Grundlage für die Prozessanalyse und für die Prozessoptimierung.
Hier gilt es einen Kompromiss zu schließen zwischen Detaillierungsgrad und Übersichtlichkeit; Prozessgrafiken über mehrere Seiten sind – z.B. für neu einzuarbeitende Mitarbeiter – schwer zu erfassen.
Prozessoptimierung bedeutet zum einen von einer hohen Warte aus, die Prozesse im Sinne der Effektivität („Das Richtige tun.“) an den Unternehmenszielen und der Unternehmensstrategie auszurichten; zum anderen, die Prozesse so zu verändern, dass sie im Sinne der Effizienz („Etwas richtig tun.“) fehlerfrei, pünktlich und zu geringen Kosten (z.B. im Benchmarking-Vergleich) durchgeführt werden können.
Letzteres kann z.B. dadurch erreicht werden, dass Prozesse vereinfacht, Schnittstellen abgebaut, Doppelarbeiten vermieden, unnötige Kontrollschleifen ausgelassen, Daten im Arbeitsfluss automatisch weitergeleitet, verstärkt IT und automatisierte Prozessschritte eingebaut werden usw.
Dazu müssen zunächst in einem ersten Schritt die dokumentierten Prozesse systematisch analysiert werden.
Bei der Optimierung wird oft unterschieden zwischen dem Ersatz durch neue Prozesse und Prozessverbesserungen. Je nachdem werden unterschiedlichen Methoden eingesetzt.
Die Erneuerung bezieht sich auf ganze Geschäftsprozesse oder die Organisation selbst, dazugehörige Methoden sind das weiter oben beschriebene Business Reengineering bzw. Business Process Reengineering. Die Durchführung erfolgt eher „von oben“ durch Führungsteams oder von der Geschäftsleitung beauftragte Unternehmensberatungen.
Die Prozessverbesserung kann sich auch auf ganze Geschäftsprozesse erstrecken, bezieht sich aber im Regelfall eher auf Teilprozesse oder einzelne Prozessschritte; dazugehörige Methoden sind Kaizen / kontinuierliche Verbesserung oder Six Sigma. Verbesserungen kommen in kleinen, aber kontinuierlichen Veränderungen. Die Durchführung erfolgt hier im Gegensatz zu den Erneuerungen eher „von unten“ durch die einzelnen am Prozess beteiligten Mitarbeiter.
Im Zusammenhang mit der Prozessoptimierung kommt regelmäßig unabhängig von den im Einzelnen angewandten Verbesserungsmethoden der sogenannte PDCA-Zyklus bzw. Deming-Zyklus zum Einsatz.
Dieser umfasst vier Schritte (deren englische Anfangsbuchstaben die Bezeichnung PDCA ergeben):
Plan (Planen): Probleme und Fehler werden untersucht, der Ist-Zustand analysiert, daraus werden Ziele und Kennzahlen abgeleitet und eine oder mehrere Verbesserungsmaßnahmen geplant;
Do (Ausführen): Umsetzung des Plans bzw. der Maßnahmen; das kann zunächst im Kleinen erfolgen, z.B. in einer Abteilung oder Filiale des Unternehmens, (bevor die Maßnahme flächendeckend ausgerollt wird, ohne zu wissen, ob sie wirksam ist);
Check (Prüfen): Hier werden die Wirkungen ermittelt und es wird geprüft, ob die Ziele erreicht wurden bzw. wo noch nachjustiert werden muss;
Act (Handeln): In dieser Phase werden Änderungen final implementiert und unternehmensweit ausgerollt oder es wird unter Umständen auch der alte Zustand wiederhergestellt, wenn die Maßnahmen nicht erfolgreich waren.
Prozessimplementierung bedeutet, die ggfs. optimierten Prozesse in der Organisation zu verankern. Dies wird im Regelfall zunächst in einem „Testmodus“ geschehen, um zu sehen, ob der Prozess verlässlich die gewünschten Ergebnisse liefert.
Anschließend kann der Prozess in den „Produktionsmodus“ gehen. Dazu gehört auch, die Mitarbeiter auf die geänderten Prozesse zu schulen und sie im Rahmen des Change Managements weiter zu begleiten. Es werden erste Messwerte und Kennzahlen im Echtbetrieb ermittelt, die dann die Grundlage für das Prozesscontrolling sind.
Teilweise werden in dieser Phase auch Prozessprüfungen vorgenommen (wie bei einer Internen Revision), um zu überprüfen, ob die Prozesse und die einzelnen Arbeitsschritte eingehalten oder – aus Gewohnheit, Unwissen oder mangelnder Akzeptanz – umgangen werden.
Auf Basis der dabei gemachten Erfahrungen und festgestellten Fehler kann der Prozess im Detail angepasst werden. Während bisher unter Umständen ein (Projekt-)Team an dem Prozess gearbeitet hat, wäre jetzt dafür der Prozessverantwortliche zuständig.
Das Prozesscontrolling dient dazu, die jeweilige Prozessleistung mit Prozesskennzahlen bzw. Leistungs-/Performance-Kennzahlen wie z.B. Durchlaufzeiten, Reklamationsquoten oder Ausschusszahlen zu messen, zu bewerten, zu überwachen und anhand der getroffenen Feststellungen zu verbessern bzw. Verbesserungsvorschläge und Empfehlungen für andere abzuleiten.
Das Prozesscontrolling erfolgt – wie üblicherweise generell das Controlling – außerhalb der die Prozesse durchführenden Abteilung(en) durch die eigenständige Controlling-Abteilung.
Dabei festgestellte Abweichungen und Empfehlungen werden dem Prozessverantwortlichen berichtet bzw. mit diesem besprochen. Inwiefern Änderungen direkt und unbürokratisch vorgenommen werden können, hängt davon ab, wie umfangreich diese sind bzw. wie viele Prozessschritte und Abteilungen davon betroffen sind. Eventuell müssen die Verbesserungspunkte gesammelt werden und dann regelmäßig in Revisionen der Prozesse einfließen. Wichtig dabei ist es, die Prozessdokumentation bei jeder Änderung anzupassen.