Wie verändern E-Books unser Leseverhalten?

05.06.2013  — Rudolf Mumenthaler.  Quelle: ruedimumenthaler.ch.

Rudolf Mumenthaler, Professor für Bibliothekswissenschaft an der HTW Chur, fasst jüngste Erkenntnisse zur Lesekultur zusammen.

In meinem Vortrag im Rahmen von “Uni für alle” aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläum der HTW Chur habe ich mich dem Thema E-Books und E-Reader und ihre Auswirkungen auf das Leseverhalten gewidmet. Die Präsentation habe ich wie üblich auf Slideshare hochgeladen (http://de.slideshare.net/ruedi.mumenthaler/ebooks-und-ereader-wie-verndern-sie-unser-leseverhalten). Die Einleitung zum Thema Formate, DRM und Lesegeräte ist nicht gerade neu. Ich ergänze natürlich jeweils um die neusten Erkenntnisse, aber der Inhalt ist bei mehreren meiner Vorträge ziemlich ähnlich. Tja, man kann das Rad nicht immer wieder neu erfinden …

Der Aspekt des Leseverhaltens unterscheidet sich aber doch von anderen Vorträgen. Hier konnte ich auf eine spannende Untersuchung zurückgreifen, die im Auftrag von Skoobe bei der Agentur für Forschung Q in Auftrag gegeben wurde. Die Studie Trendreport E-Reading 2012 hat einige Vermutungen bestätigt:

  • E-Book-Leser sind VielleserInnen, nicht unbedingt Technik-Fans
  • Altersschwerpunkt liegt bei 40-49 Jahren, 60% sind Frauen
  • E-Book-Leser lesen mehr (60% geben dies an)
  • Lesezeit geht auf Kosten von TV und Spielen
  • Lesen wird mobil(er)
  • Leser wollen Leseproben
  • E-Book-Leser lesen selektiver (nur bestimmte Passagen, lesen Bücher seltener zu Ende, lesen parallel)
  • 70% nutzen mindestens zwei E-Book-fähige Geräte

Und hier geht es zur Studie. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass der Konsum von E-Books keine Konkurrenz zum Lesen von Büchern darstellt, sondern das die E-Books generell das Lesen fördern. Diese Feststellung machte auch eine Studie der Universität Hamburg, Institut für Marketing und Medien (2012): „Eine Kannibalisierung gedruckter Bücher findet kaum statt.“ 22 Prozent der E-Book-Nutzer kaufen auch mindestens drei gedruckte Hardcover-Bücher im Jahr – wogegen dies nur 15 Prozent der Befragten angaben, die keine E-Books lesen. Und bestätigen kann dies Amazon-Chef Jeff Bezos: In einem Interview mit der Welt meinte er, dass Kindle-Kunden nicht nur E-Books sondern auch mehr gedruckte Bücher kauften. Zudem lesen die Kindle-Kunden grundsätzlich mehr, weil sie ihre Bibliothek quasi mit sich herumtragen und entsprechend überall lesen können: “Die Leute lesen am Flughafen, sogar in der Supermarktschlange, überall.”

Weiter lässt sich festhalten, dass mittlerweile die Tablets die E-Reader als bevorzugtes Lesegerät für E-Books abgelöst haben.

Da die Ablenkung auf den multifunktionalen Tablets deutlich grösser ist als bei den E-Readern, verstärkt sich der Trend zum weniger konzentrierten und selektiven Lesen. E-Books werden häufiger nicht linear und nicht zu Ende gelesen. Dies können die Betreiber der E-Books-Plattformen (Amazon, Apple…) aus dem Nutzerverhalten herauslesen. Die Folge ist eine “Optimierung” des Angebots, also eine Veränderung der Publikationsformen. Amazon hat mit der Einführung des Formats “Singles”, also Kurzgeschichten, die als E-Book aber nicht als gedrucktes Buch erscheinen, vorgemacht, in welche Richtung es gehen könnte. Dazu gibt es einen Blogbeitrag von Christoph Koch. Und im Wissenschaftsbereich sehen wir ja schon seit einiger Zeit, wie das Buch als Einheit aufgelöst und durch kleinere Informationshappen (Kapitel, Artikel, Einträge in Nachschlagewerken) ersetzt wird.

Für die nähere Zukunft sind also noch einige Veränderungen zu erwarten. Gerade wenn wir an die multimedialen, interaktiven E-Books denken, dürfen wir uns auf einiges gefasst machen.

[Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Schweiz Lizenz.]

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