Wechsel von Vollzeit- in Teilzeit-Beschäftigung – Was passiert mit dem (Rest-)Urlaub?

14.08.2013  — Karl Molle.  Quelle: Taylor Wessing Berlin.

In einem für zahlreiche Unternehmen relevanten Beschluss des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13.06.2013 (C-415/12) zum Thema „Urlaubsanspruch bei Wechsel eines Arbeitnehmers von Voll- in Teilzeit“ geht es im Kern um die Frage, ob der während einer Vollzeittätigkeit erworbene Urlaub, den ein Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, nach dem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit in voller Höhe bestehen bleibt oder aber auf die neue Arbeitszeit heruntergerechnet werden kann, wie dies bislang üblich war.

I. Einleitung

Eine klassische – vereinfacht dargestellte – Fallkonstellation ist Folgende: Die Arbeitnehmerin F geht im Jahr 2012 einer Vollzeitbeschäftigung nach und arbeitet an 5 Tagen in der Woche. Ihr stehen insgesamt 30 Urlaubstage pro Jahr zu. Sie wird schwanger und kann aufgrund eines Beschäftigungsverbotes lediglich 15 von 30 Urlaubstagen nehmen. Das Kind wird am 31.12.2012 geboren. Nach dem Mutterschutz geht F bis zum 31.12.2013 in Elternzeit und nimmt sogleich im neuen Jahr ihre ursprüngliche Tätigkeit wieder auf. Sie beabsichtigt, in Teilzeit zu wechseln und im Jahr 2014 auf 3 Tage verteilt mit 50% teilzeitbeschäftigt zu sein.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bislang die Auffassung vertreten, dass sich die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs entweder verkürzt oder verlängert, wenn sich die Verteilung der Arbeitszeit auf weniger oder auch auf mehr Arbeitstage einer Kalenderwoche ändert. Die Arbeitszeit ist dann jeweils unter Berücksichtigung der nunmehr für den Arbeitnehmer maßgeblichen Verteilung seiner Arbeitszeit neu zu berechnen. Das trifft auch für einen auf das folgende Urlaubsjahr übertragenen Resturlaub zu, wenn der Arbeitnehmer mit Beginn des Folgejahres in Teilzeit beschäftigt ist. Dies begründet das BAG damit, dass der Arbeitnehmer unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit denselben Urlaubszeitraum zur Verfügung haben soll.

Für das vorliegende Beispiel hat diese Berechnung zur Folge, dass F im Hinblick auf ihre Teilzeittätigkeit ab dem 01.01.2014 einen Urlaubsanspruch von lediglich 18 Tagen besitzt. Dies ergibt sich aus folgender Rechnung: 30 Urlaubstage (bei einer 5-Tage-Woche) / 5 Arbeitstage x 3 Arbeitstage = 18 Tage Urlaub (bei einer 3-Tage-Woche). So weit so gut. Dieses Ergebnis wird auch durch die aktuelle Rechtsprechung des EuGH nicht infrage gestellt.

Wie aber ist mit dem Resturlaub aus dem Jahr 2012 (15 Urlaubstage) umzugehen? Hat der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, hat der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren, vgl. § 17 Abs. 2 Bundeseltengeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG verblieben ihr hiervon lediglich 9 Resturlaubstage. Dies ergibt sich aus folgender Rechnung: 15 Resturlaubstage bei einer 5-Tage-Woche / 5 Arbeitstage x 3 Arbeitstage = 9 Tage Resturlaub (bei einer 3-Tage-Woche). Frau F könnte im Jahr 2014 demnach insgesamt 27 Urlaubstage nehmen. Das entspricht bei einer 3-Tage-Woche 9 Wochen Urlaub (3 Wochen aus 2012 und 6 Wochen aus 2014).

Mit der Frage, ob sich diese Art der Berechnung mit Unionsrecht vereinbaren lässt, hatte der EuGH in dem diesem Artikel zugrunde liegenden Fall zu entscheiden.

II. Sachverhalt

In dem unserem Ausgangsbeispiel ähnelnden Fall, über den der EuGH am 13.06.2013 zu entscheiden hatte, war eine Arbeitnehmerin beim Land Niedersachsen vollzeitbeschäftigt. Sie unterlag im Jahr 2010 wegen ihrer Schwangerschaft bis zur Entbindung am 22.12.2010 einem Beschäftigungsverbot. Nach dem Mutterschutz nahm sie vom 17.02. bis zum 21.12.2011 Elternzeit in Anspruch. In den Jahren 2010 und 2011 konnte sie aufgrund des mit der Schwangerschaft zusammenhängenden Beschäftigungsverbots, des Mutterschutzes und der in Anspruch genommenen Elternzeit einen Urlaubsrest in Höhe von 22 bzw. 7 Tagen nicht nehmen. Ab dem 22.12.2011 übte die Arbeitnehmerin eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von drei Arbeitstagen pro Woche aus.

Im Rahmen des beim Arbeitsgericht Nienburg anhängigen Ausgangsrechtsstreits beantragte die Arbeitnehmerin festzustellen, dass ihr während ihrer Vollzeitbeschäftigung erworbener Anspruch auf diese 29 Tage auch im Rahmen der 3-Tage-Woche vollständig zustehe. Das Land Niedersachsen weigerte sich, ihr 29 Tage Resturlaub zu gewähren, sondern war der Ansicht, der Arbeitnehmerin stehe entsprechend der dargestellten Berechnungsweise nur ein Resturlaub von (abgerundet) 17 Tagen zu.

III. Entscheidung

Der EuGH hat nun auf Vorlage des ArbG Nienburg entschieden, dass das einschlägige Unionsrecht dahingehend auszulegen sei, dass es nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehe, nach denen die Zahl der Tage bezahlten Jahresurlaubs, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, wegen des Übergangs dieses Arbeitnehmers zu einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend dem Verhältnis gekürzt wird, in dem die von ihm vor diesem Übergang geleistete Zahl der wöchentlichen Arbeitstage zu der danach geleisteten Zahl steht.

Dies bedeutet „übersetzt“: Ein während einer Vollzeitbeschäftigung erworbener und nicht in Anspruch genommener Urlaub darf wegen des Übergangs in eine Teilzeitbeschäftigung nicht gekürzt werden. 5 Urlaubstage bleiben also auch nach dem Wechsel in Teilzeit 5 Urlaubstage! Dies gilt auch dann, wenn die Teilzeitbeschäftigung nicht wie bisher an 5 Arbeitstagen pro Woche, sondern an weniger Tagen ausgeübt wird. Der Arbeitnehmerin standen also 29 Tage Resturlaub und nicht lediglich 17 Tage Resturlaub zu.

Dies begründet der EuGH damit, dass ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, der normalerweise drei volle Tage pro Woche arbeitet, eben nicht das Äquivalent von fünf Urlaubstagen erhalte, wenn er wegen des Urlaubs eine Woche nicht arbeiten müsse. Zwei dieser 5 Tage seien ohnehin frei. Wird ihm also eine „Woche“ Urlaub zuerkannt, wird er damit offensichtlich nur für drei volle Tage unter Entgeltfortzahlung von seiner Arbeitspflicht befreit, obwohl er sich während der Vollzeitbeschäftigung fünf volle (bezahlte) Urlaubstage erarbeitet habe.

Grundsätzlich gilt diese Rechtsprechung auch für den Fall, dass ein Arbeitnehmer im laufenden Jahr (z.B. zum 1. Juli) von Vollzeit in Teilzeit wechselt. Der bis dahin „erworbene“ (gesetzliche) Urlaubsanspruch von 10 Urlaubstagen bei einer 5-Tage-Woche ist dem Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte ungekürzt zu gewähren, unabhängig davon, an wie vielen Tage pro Woche er in Teilzeit arbeitet. Anzumerken ist allerdings, dass dies nur für den Urlaub gilt, der während der Vollzeitbeschäftigung nicht – beispielsweise wegen Krankheit oder aus betrieblichen Gründen – genommen werden konnte.

IV. Folgen

Kommen wir zurück auf den eingangs dargestellten Beispielsfall: Auch nach der Auffassung des EuGH kann für die Zeit der Teilzeitbeschäftigung der Anspruch auf Jahresurlaub reduziert werden. Das bedeutet, dass F unverändert einen Anspruch auf 18 Urlaubstage für das Jahr 2014 hat. Für den Resturlaub aus 2012 hingegen bedeutet dies, dass dieser gerade nicht gekürzt werden darf. F stehen also nicht 9, sondern 15 Tage Resturlaub aus dem Jahr 2012 zu, sodass sie im Jahr 2014 anstelle von 27 Urlaubstagen 33 Tage Urlaub bei einer 3-Tage-Woche, also 11 statt 9 Wochen Urlaub hat.

„Verschärft“ wird dieses Ergebnis noch durch die sog. Tirol-Entscheidung des EuGH vom 22.04.2010 (C-486/08). In dieser hat der EuGH nämlich entschieden, dass auch die während des Urlaubs zu zahlende Vergütung bei einem Wechsel von Voll- in Teilzeit nicht gekürzt werden dürfe. Dies bedeutet, dass bei einem während der Teilzeitbeschäftigung angetretenen Urlaubs, der aber noch aus der Vollzeitbeschäftigung herrührt, ein der Vollzeit und nicht der Teilzeit entsprechendes Gehalt (Urlaubsentgelt) gezahlt werden muss.

V. Praxishinweis

Um eine wochenlange Abwesenheit des Arbeitnehmers zu vermeiden, sollten – da die Rechtsprechung nur für die Fälle gilt, in denen der oder die Arbeitnehmer/in den Urlaub tatsächlich nicht antreten konnte – Arbeitgeber vor einem Wechsel von Vollzeit- auf Teilzeit-Beschäftigung sicherheitshalber darauf drängen, dass der während der Vollzeitbeschäftigung „verdiente“ Urlaub auch während der Vollzeitbeschäftigung angetreten wird. Gegebenenfalls dürfte es bereits ausreichen, dem Arbeitnehmer anzubieten, dass er den Urlaub schon vor dem Wechsel nehmen könne.

Dies ist natürlich in den Fällen, in denen der oder die Arbeitnehmer/in den Urlaub wegen Krankheit, Mutterschutz oder ähnlichen Gründen nicht nehmen konnte, nicht möglich. Die Auswirkungen (wochenlange Abwesenheiten) lassen sich aber in diesen Fällen u.U. auf die Vergütung beschränken, wenn auch bei Teilzeit-Beschäftigung weiterhin in einer 5-Tage-Woche gearbeitet wird und sich die Reduzierung der Arbeitszeit nicht auf die Anzahl der Wochenarbeitstage auswirkt.

Arbeitnehmern hingegen empfiehlt es sich bei einem Wechsel von Teilzeit- auf Vollzeitbeschäftigung den während der Teilzeit „verdienten“ Urlaub bereits vor dem Wechsel zu nehmen, um nicht das Risiko einzugehen, dass – in Wochen gerechnet – weniger Urlaub zur Verfügung steht und für den Zeitraum des Urlaubs anstatt des Vollzeitgehalts erneut nur das Teilzeitgehalt gezahlt wird.

Die Rechtsprechung des EuGH ist auf weitergehende arbeitsvertragliche Urlaubsansprüche grundsätzlich nicht anwendbar. Auswirkungen auf den arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub lassen sich aber nur vermeiden, wenn im Arbeitsvertrag deutlich zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch und dem arbeitsvertraglichen Zusatzurlaub differenziert wird.


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