UrhWissG tritt in Kraft — kein ganz großer Wurf, aber doch größere Rechtssicherheit und einige Verbesserungen

01.03.2018  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Urheberrechtsbündnis.

Am 1. 3. 2018 tritt das Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG) in Kraft. Es macht nun vieles von dem, was durch Entscheidungen des BGH schon als zulässig angesehen werden kann, per Gesetz verbindlich. Von einer umfassenden Reform des Wissenschaftsurheberrechts kann aber nur sehr eingeschränkt die Rede sein.

Einigen Verbesserungen stehen viele ungelöste Probleme gegenüber. Einerseits zu bedauern ist die Befristung dieses Gesetzes auf 5 Jahre (nach 4 Jahren soll evaluiert werden). Andererseits eröffnet sich dadurch die Chance, in absehbarer Zeit doch noch zu einer umfassenderen Lösung des Umgangs mit Wissen und Information für Bildung und Wissenschaft zu kommen — so wie es 2013 versprochen wurde. Zudem ist es übersichtlich, verständlich und schafft weitgehende Rechtssicherheit.

Am 1. 3. 2018 tritt das sogenannte UrhWissG in Kraft, das Gesetz, das den Umgang mit publiziertem Wissen in der Wissenschaft, einschließlich der Ausbildung, neu regelt. Zu diesem Datum werden die meisten der bislang auf Bildung und Wissenschaft bezogenen Normen (Schranken) des Urheberrechts, wie die §§ 52a, 52b und 53a durch neue Regelungen ersetzt.

Das Gesetz sorgt ...

  1. für verbesserte Übersichtlichkeit und Verständlichkeit,
  2. für klare Zuordnung zu den für Bildung und Wissenschaft zentralen Bereichen (Forschung, Lehre, Bibliotheken etc.),
  3. für Rechtssicherheit durch weitgehendes Vermeiden von unbestimmten Rechtsbegriffen bzw. durch eindeutige Festlegung des Umfangs von schrankenbedingten Nutzungshandlungen.

Die Rechtssicherheit geht allerdings nach Einschätzung des Aktionsbündnisses zu Lasten von Zukunftsoffenheit bzw. sogar zu Lasten der aktuellen Bedürfnisse für die Nutzung von publiziertem Wissen in Bildung und Wissenschaft.

Pro: Das Gesetz festigt die Rechtsprechung

Von einer umfassenden Reform des Wissenschaftsurheberrechts, wie sie mit der Einführung einer Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Koalitionsvertrag der letzten Regierung versprochen worden war, kann nur sehr eingeschränkt die Rede sein. Wirklich neu ist nur eine Regelung für die Nutzung publizierten Wissens für Zwecke des Text und Data Mining. Ob sich diese in der Praxis bewähren wird, muss sich erst noch zeigen.

Das meiste, was jetzt im Gesetz festgeschrieben ist, war in den letzten Jahre durch eine die bisherigen Gesetze liberaler interpretierende Rechtsprechung der oberen Gerichte in Deutschland und der EU (BGH und EuGH) schon für zulässig erklärt worden.

  • Z.B. kann jetzt das auf den Unterricht bezogene Material (in dem erlaubten Umfang) nicht nur für den Unterricht selbst, sondern auch für alle vor- und nachbereitenden und begleitenden Handlungen sowie für das E-Learning genutzt werden.
  • Auch darf von den Lernenden das von der Bibliothek digitalisierte und online bereitgestellte Material ausgedruckt und/oder abgespeichert werden — allerdings auch hier nur in einem genau festgelegten Umfang (10% pro Sitzung).
  • Der Vorrang von Schrankenregelungen gegenüber Lizenzangeboten der Verlage steht jetzt im Prinzip auch im Gesetz — allerdings gilt er bei einigen Nutzungshandlungen nur eingeschränkt und auch nur für Verträge, die nach dem 1. März 2018 abgeschlossen werden.
  • Dass der Umfang der Nutzung von publizierten Werken jetzt mit 15% festgeschrieben ist, ist tatsächlich ein eher unwesentlicher Fortschritt gegenüber den 12%, die z.B. der BGH schon vorher als erlaubt angesehen hat.
  • Die Vergütung von schrankenbedingten Nutzungen erfolgt weiterhin pauschal. Die aus den Hochschulen strikt abgelehnte Individualerhebung und –abrechnung ist damit nun erst einmal vom Tisch.
  • Kopien zur Bestandserhaltung und Nutzung sind nunmehr vergütungsfrei. Dies ist für Bibliotheken und ihre Unterhaltsträger besonders erfreulich.

Als besonders wichtig muss die klare Aussage des Gesetzgebers gesehen werden, die Interessen von Bildung und Forschung seien umfassender als die Interessen der Urheber (BT-Drs 18/12329 S. 19). Damit übernimmt jetzt auch Deutschland die Formulierung des Welturheberrechtsvertrages von 1996 („larger public interest, particularly education, research and access to information“).

Nicht alles ist gut...

Einiges im UrhWissG ist aber eher als Stillstand oder sogar als Rückschritt zu bewerten:

  • Weiter gilt die vollkommen obsolete Regelung, dass das von den Bibliotheken digitalisierte Material nur an den Terminals in den Räumen der Bibliotheken eingesehen werden darf, obgleich selbst die EU-Kommission dieses Verbot des externen Zugriffs als nicht mehr angemessen bezeichnet hat.
  • Der Dokumentversand-Service der Bibliotheken für Unternehmen ist nun nicht mehr erlaubt.
  • Materialien aus Zeitungen und Pressezeitschriften dürfen nicht mehr in die neuen Schrankenregelungen zugunsten von Bildung und Wissenschaft einbezogen werden.
  • Die untaugliche und auch Bildung und Wissenschaft behindernde Bestimmung des § 87 f für den Leistungsschutz für Presseverleger wurde nicht ausgesetzt.
  • Eine praxistaugliche Lösung für das eLending durch Bibliotheken ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden, obgleich entscheidungsreife Vorschläge aus Politik und Bibliotheken vorliegen.
  • Die in den §§ 95a ff. des Urheberrechtsgesetz (UrhG) festgelegte Priorität von technischen Schutzmaßnahmen gegenüber Schrankenregelungen (auch Wissenschaft betreffend) besteht weiter.
  • Eine Revision des Zweitveröffentlichungsrechts (§ 38 Abs.4 UrhG) zugunsten von Werken aus der grundfinanzierten Hochschulforschung wurde nicht vorgenommen.
  • Eine Revision der Regelung für verwaiste Werke wurde trotz offensichtlicher Praxisuntauglichkeit nicht vorgenommen.
  • Die Frage, ob und wie in Bildung und Wissenschaft die Nutzung — meistens öffentlich finanzierter — Werke vergütet werden soll, wurde nicht gestellt bzw. nicht beantwortet. Die jetzige Lösung fällt, zumindest was die Lehre angeht, hinter die aktuellen Vorstellungen der EU-Kommission zurück.

Der Bundestag hat die Geltung des Gesetzes auf 5 Jahre beschränkt. Nach 4 Jahren soll eine Evaluierung erfolgen. Dies ist einerseits schwer verständlich. Andererseits eröffnet die Befristung die Chance doch noch zu einer umfassenderen Lösung des Umgangs mit Wissen und Information für Bildung und Wissenschaft zu kommen.


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