Schluss mit dem „Gender-Unfug“?

12.03.2019  — Markus Hiersche.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

„Schluss mit dem Gender-Unfug!“ – das fordert eine Gruppe von Sprachpurist*innen um den „Verein Deutsche Sprache“. Gendern zerstöre die deutsche Sprache und säße einem großen Irrtum auf, so die Initiator*innen. Doch was ist wirklich dran am sprachkonservativen Weckruf?

Mit einem „Aufruf zum Widerstand“ wandte sich Anfang März eine Reihe von prominenten Sprachschützer*innen unter der Federführung der Schriftstellerin Monika Maron, dem Stilfibelautor Wolf Schneider, dem Vereinsvorsitzenden Walter Schneider und dem ehemaligen Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes Josef Kraus an die Öffentlichkeit, um in einem martialischen Ton vor „zerstörerischen Eingriffen in die deutsche Sprache“, die von gendergerechter Sprache ausgehen, zu warnen. Geht es nach den hundert prominenten Erstunterzeichner*innen dann soll der sich langsam durchsetzende geschlechtersensible Sprachgebrauch alsbald möglich wieder in der Versenkung verschwinden: „Chefs“ statt „Chefinnen und Chefs“, „Wähler“ statt „Wählerinnen und Wähler“ oder gar „Wähler*in“ lautet ihre Devise.

(K)eine Beziehung zwischen grammatischem und biologischem Geschlecht?

Gendergerechte Sprache beruhe, so die Initiatoren, auf einem „Generalirrtum“, erzeuge eine „Fülle lächerlicher Sprachgebilde“ und sei konsequent gar nicht durchzuhalten – schließlich müsse man dann von Bürgerinnen- und Bürgermeister statt vom Bürgermeister sprechen. Überhaupt würden Anwender*innen einer gendergerechten Sprache einem entscheidenden Fehler aufsitzen: Zwischen natürlichem und grammatischen Geschlecht bestehe kein Zusammenhang. Als Beleg führen Maron und Co. eine Reihe von Tieren auf, bei denen das grammatische Geschlecht keine Aussage über das biologische zulässt.

Grundsätzlich haben die Initiatoren mit dieser Bemerkung keinesfalls unrecht: Selbstverständlich umfasst „die Giraffe“ männliche und weibliche Tiere. Und doch ignorieren die Sprachschützer Erkenntnisse der psychologischen Forschung. Studien haben herausgefunden, dass das grammatische Geschlecht (der, die, das) durchaus konkrete Auswirkungen auf die Vorstellung vom biologischen Geschlecht hat. Wer also von einem „Arzt“ oder einem „Redakteur“ liest, denkt zuallererst sehr wohl an einen Mann. Darin sehen feministische Linguist*innen zu Recht ein Problem.

Eingeschliffene Sprachmuster bestimmen das Denken

Im Deutschlandfunk-Interview erklärt hierzu der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin: „Das generische Maskulinum ist eines dieser tief eingeschliffenen Sprachmuster, das leider dazu führt, dass nicht nur in der äußeren Welt, sondern auch in unseren Köpfen die Männer immer überrepräsentiert sind.“ Frauen kommen in unseren Köpfen folglich nicht oder nur am Rande vor. Indem man Frauen und weitere Geschlechter ausdrücklich benennt, denkt man sie auch mit. Genaueres erfahren Sie hierzu auch im Gleichstellungshandbuch-Beitrag von unserer Expertin Gabriele Diewald.

Auch Anna Rosenwasser von der Schweizer Lesbenorganisation LOS attestiert den Anti-Gender-Sprachpurist*innen einige Denkfehler. Sprache sei schließlich kein Museum, sie verändere sich ständig. Letztlich sei alles eine Frage der Gewöhnung: Das Wort „Selfie“ habe man vor Jahren zunächst auch befremdlich gefunden, während es heute niemanden mehr stört.

Kritik von der falschen Seite?

Natürlich ist Kritik an einzelnen Phänomenen gendergerechter Sprache durchaus legitim. Selbst einzelne Feminist*innen wie Luise Pusch reiben sich am Gendersternchen und haben gendertheoretische Vorbehalte. Doch ist die martialisch anmutende Art und Weise wie die Gruppe um den „Verein Deutscher Sprache“ den vermeintlichen Untergang der deutschen Sprache beschwört, gegen den man kämpfen müsse, nicht akzeptabel.

Besonders bitter ist, dass sich respektable Persönlichkeiten wie Carl Friedrich Gethmann, Mitglied im Deutschen Ethikrat, oder der Autor Rüdiger Safranski mit Vertreter*innen rechter Gesinnung wie Compact-Autor Rolf Stolz gemein machen. Das zeigt, aber auch, aus welcher Richtung der Wind eigentlich bläst.

Quellen und Hintergründe





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