Mehr Raum, mehr Licht, mehr Interaktion: neue Bibliotheksfilialen in Boston und Philadelphia

13.12.2017  — Andreas Mittrowann.  Quelle: Globolibro.

Mehrere Bibliotheken in Boston und Philadelphia werden umgebaut und grundlegend renoviert. Dabei wird ein größerer Fokus auf die Schaffung von Begegnungsräumen gelegt. Aber auch für deutsche Verhältnisse untypische Elemente wie ein Ernährungslabor oder ein Kochzentrum haben in den Gebäuden Platz.

Das Finanzierungssystem öffentlicher Bibliotheken in den USA unterscheidet sich grundlegend vom dem in Deutschland – durch Abstimmungen der Bürger*innen über eine entsprechende Erhöhung der Grundsteuer können insbesondere in Großstädten oft Renovierungsumfänge und -zyklen realisiert werden, die aus europäischer Sicht eher ungewöhnlich sind. Ende der 90er Jahre besuchte ich mit einem Team eine Reihe von Zweigstellen im King County im Staat Washington. Bei einer der Filialen hieß es dann bei der Ankunft „This is our oldest one“. „How old is it?“ fragten wir. „Already seven years old“, so die Antwort.

Typisch für die USA sind daher immer wieder großangelegte Renovierungsprojekte in diesem Bereich, so auch momentan in Boston und Phildadelphia. Aktuell wird beispielsweise die Dudley Branch der Boston Public Library für 14,7 Mio. US-Dollar renoviert. Eine offene und transparente Innenraumgestaltung mit mehr Möglichkeiten für die menschliche Interaktion soll die brutalistische Architektur der späten 70er Jahre ablösen. Kernelemente werden ein Ernährungslabor, ein Multifunktionsraum mit audiovisueller Technologie sowie eine afrikanisch-amerikanische Mediensammlung sein. Dazu finden Sie hier einen Artikel des Boston Globe.

Eine ähnliche Ausrichtung mit einem noch deutlich größeren Umfang hat die Renovierung von vier Zweigstellen in Philadelphia. Hier wird die Notwendigkeit einer grundlegenden Neupositionierung des Bibliothekssystems besonders deutlich bei einem Blick auf die Besucherzahlen: Diese sind von 13,8 Millionen im Jahr 2014 auf knapp zehn Millionen im Jahr 2017 gesunken. Was tun? Neben Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit gehört es zu den grundlegenden Zielsetzungen der Renovierung, die Transformation von einer Ausleihstation hin zu einem Treffpunkt in der Kommune zu gestalten. Auch hat man sich bei der Innenraumgestaltung stark an Firmen wie Apple oder der Optikerkette Warby Parker orientiert. Ergebnis: Die neuen Filialen sollen eher Raumerlebnisse bieten und als„Clubhäuser“ fungieren. Zu den konkreten Maßnahmen im Zuge der Umgestaltung gehörten:

  • Stringente Anwendung der Prinzipien des Universal Design;
  • Schaffung einer Wohnzimmeratmosphäre durch Sitzgruppen und -ecken mit Cafeteria-Tischen;
  • leuchtende Farben;
  • Mehr Studien- und Gruppenräume;
  • Deutliche Reduzierung der Bestände und Regale;
  • Verlegung der Eingänge und Einsatz von mehr Fenstern und Glaselementen;
  • Einführung von Selbstverbuchung und Abschaffung der Ausleihtheken;
  • Verstärkung der Programmaktivitäten, bspw. Filmnächte, Gaming, Englischklassen für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

Der finanzielle Aufwand für die Renovierung lag bei 28 Mio. Dollar, von denen 15 Mio. von der William Penn Foundation übernommen wurden. Bibliotheksdirektorin Siobhan Reardon – die im vorvergangenen Jahr die Auszeichnung „Librarian of the Year“ erhielt – zeigt sich sehr zufrieden mit den ersten Erfolgen. So konnte die im vergangenen Jahr nach der Renovierung neu eröffnete South Philadelphia Branch ihre Besucherzahl vervierfachen, auch durch die Kombination mit einem Gesundheitscenter. Die Zentrale der Free Philadelphia Public Library hat bereits im Jahr 2014 durch die Neueröffnung eines Kochzentrums von sich reden gemacht.

Einen Artikel über die Renovierung der Bibliotheken in Philadelphia finden Sie beim Philadelphia Inquirer.

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