Erweiterter Blick: Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten und gerechter Welthandel

21.02.2019  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Deutscher Kulturrat.

Der Diskurs zur Aufarbeitung des Kolonialismus und speziell dem Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, wird weiter intensiv geführt. Gestern fand eine Bundestagsdebatte zum Thema statt. Im Vorfeld veröffentlichte auch der Deutsche Kulturrat eine Stellungnahme.

Morgen findet im Deutschen Bundestag eine Debatte zur Aufarbeitung des Kolonialismus statt. Debattiert wird dort der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Zur kulturpolitischen Aufarbeitung unseres kolonialen Erbes“ (Drucksache 19/7735) sowie die Große Anfrage der AfD-Fraktion „Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen“ (Drucksache 19/3264 und Drucksache 19/6539).

Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat heute seine Stellungnahme mit Vorschlägen zum Umgang mit Sammlungsgut vorgelegt.

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht in seiner Stellungnahme, dass dieses Thema nicht allein die Sammlungen im Humboldt Forum, sondern viele Museen sowie einige Bibliotheken und öffentliche, private sowie universitäre Sammlungen betrifft. Sie werden teils von den Kommunen, teils von den Ländern, teils vom Bund getragen. Einzubeziehen sind auch kirchliche Einrichtungen, die nicht zuletzt durch Missionsarbeit und Missionsstationen über einschlägige Sammlungen und umfangreiche Kenntnisse über koloniales Handeln verfügen. Und auch der Kunsthandel muss Verantwortung übernehmen.

Aus Sicht des Deutschen Kulturrates geht es bei der Debatte um die Kolonialzeit im Allgemeinen und den Umgang mit Objekten aus kolonialen Kontexten im Besonderen um eine grundlegende Erweiterung und Veränderung des westlich zentrierten Blicks. Jenseits der Frage um Restitution stellt sich für Kultur, Kunst und Bildung die Aufgabe, mit dem kulturellen Erbe Kolonialismus umzugehen.

Konkret schlägt der Deutsche Kulturrat vor:

  • die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts unter Einbeziehung der Kirchen, der Wissenschaft und der organisierten Zivilgesellschaft in den Diskussionsprozess,
  • die Prüfung in Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen, ob sich in ihren Beständen Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten befindet,
  • die Diskussion und Befassung mit dieser Fragestellung in den Fachverbänden der Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen wie sie beispielsweise im Deutschen Museumsbund bereits stattfindet,
  • die personelle und sachliche Unterstützung der Provenienzforschung, hier gilt es auch die kleineren Einrichtungen nicht aus dem Blick zu verlieren,
  • die Digitalisierung von Objekten, bei denen ein kolonialer Kontext zweifelsfrei festgestellt wurde, und ihre Zugänglichmachung in einem in öffentlicher Verantwortung stehenden Portal,
  • die Entwicklung eines Konzepts zur Rückgabe von von den Herkunftsgesellschaften zurückgeforderten Objekten, als vordringlich erachtet der Deutsche Kulturrat die Rückgabe menschlicher Überreste,
  • die Einrichtung eines Ombudsmanns oder eines Ethik-Beirats, die in Zweifelsfällen von einer der beiden Seiten angerufen werden kann,
  • die Intensivierung des wissenschaftlichen Austauschs mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Herkunftsgesellschaften,
  • das Vorantreiben des internationalen Dialogs zu dem Thema,
  • die Erweiterung des bisher westlich zentrierten Blicks und ein besserer Zugang für Künstlerinnen und Künstler aus den Ländern des globalen Südens zu den Märkten und Podien der Industrieländer.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Es ist sehr erfreulich, dass in die Diskussion um Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in der letzten Zeit so viel Bewegung gekommen ist. Jetzt muss ein Gesamtkonzept entwickelt werden, damit das Thema in seiner ganzen Breite und Dimension adäquat behandelt werden kann. Hierbei müssen die Kompetenz aus Wissenschaft, Kirchen und organisierter Zivilgesellschaft umfänglich mit einbezogen werden. Denn letztlich geht es um mehr als die Rückgabe von Kulturgut. Es geht um die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und das Eintreten für die Eine Welt. Man muss sich bewusst machen, dass die kolonialen Strukturen auch heute noch fortleben. Deutschland hatte zwar „nur“ wenige Jahrzehnte „eigene“ Kolonien, doch ist Deutschland schon vorher und nachher, bis heute, Teil der kolonialen Strukturen zum Nachteil der Länder des Südens. Deshalb sind wir fest davon überzeugt, dass die Fragen des Umgangs mit kolonialen Gütern nicht getrennt von dem Einsatz für einen gerechten Welthandel behandelt werden kann.“

Die Stellungnahme des Deutschen Kulturrates „Vorschläge zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ ist hier zu finden.


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