Das Potenzial von Arbeitszeugnissen besser nutzen

05.02.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: arbeitszeugnis-forum.de GbR.

Streit ums Arbeitszeugnis führt laut Statistik des Arbeitsgerichtsverbands jährlich zu rund 30.000 Gerichtsverfahren.

Dabei wird in vielen Fällen darum gestritten, welche Bedeutung einzelne beurteilende Aussagen haben und ob sie versteckte Kritik enthalten. Auch die vielfachen Versuche, die Zeugnissprache zu normieren, haben an diesem Problem nichts geändert. Denn die von Fachautoren veröffentlichten Tabellen zur „Entschlüsselung von Codes“ und zur Benotung von Formulierungen beruhen teils auf unterschiedlichen Gerichtsurteilen und Expertenmeinungen, so dass sie mitunter voneinander abweichen. Zudem ist die Verwendung solcher benoteter Textbausteine laut Bundesarbeitsgericht nicht verpflichtend (BAG 14.10.2003 – 9 AZR 12/03).

Die andauernden Konflikte um die Bedeutung von Zeugnisformulierungen haben mit dazu geführt, dass das Arbeitszeugnis überwiegend als Ärgernis wahrgenommen und immer wieder seine Abschaffung gefordert wird. Diese Forderung ignoriert aber, dass die Ausstellung von Zeugnissen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber – also für die Wirtschaft insgesamt – auch Vorteile hat:

  • Fachgerecht formulierte Arbeitszeugnisse tragen dazu bei, dass zueinander passende Unternehmen und Bewerber schneller und zielgenauer zusammenfinden.
  • Bei der Personalauswahl weisen Arbeitszeugnisse – als die einzigen Dokumente, die nicht vom Bewerber selbst erstellt wurden – oft auf wichtige Fragen hin, die dann im Vorstellungsgespräch geklärt werden können.
  • Bewerbern verschafft die Darstellung ihrer persönlicher Fähigkeiten, Kompetenzen und Arbeitserfolge im Arbeitszeugnis einen Vertrauensvorschuss.
  • Arbeitszeugnisse können im Idealfall die Kultur des ausstellenden Unternehmens positiv nach außen kommunizieren.

Dass diese Vorteile bedeutend sind, zeigt z.B. ein Blick in die USA: Dort haben Arbeitnehmer keinen Zeugnisanspruch, und Arbeitgeber verweigern häufig die freiwillige Ausstellung einer Beurteilung (Letter of Reference). Folglich stellen sich manche Bewerber ausschließlich mit selbst erstellten Unterlagen vor, was den Unternehmen hohe Kosten für Background Checks und Assessment Center verursacht. Aus diesem Grund versuchen Gesetzgeber der US-Bundesstaaten seit den 1990er Jahren, Firmen zur Ausstellung von Letters of Reference zu motivieren, indem sie diese vor unberechtigten Klagen schützen (Qualified Privilege). Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Arbeitnehmerbeurteilung forderten 2009 die Rechtswissenschaftler Matthew Finkin und Kenneth Dau-Schmidt Dau (Indiana University), mit Blick auf die Praxis in Deutschland, eine noch weitgehendere Förderung der Ausstellung von Letters of Reference.

Zurück nach Deutschland: hier haben diverse Gerichtsurteile der letzten Jahre eine individuelle und stellenspezifische (BAG 12.08.2008 – 9 AZR 632/0) sowie persönlich wertschätzende (LAG Düsseldorf 03.11.2010 - 12 Sa 974/10) Zeugnisformulierung angemahnt. Für Personalverantwortliche stellt sich damit mehr denn je die Frage, wie man die rechtlichen Forderungen erfüllen, unnötigen Streit vermeiden und das Arbeitszeugnis als Beurteilungs- und Auswahlinstrument wirtschaftlich sinnvoll nutzen kann.

Die Praxis zeigt, dass die Probleme im Umgang mit Arbeitszeugnissen zumeist sprachlicher Natur sind: neben intransparenten Beurteilungsprozessen führen vor allem mangelnde Individualität und Aussagekraft von Zeugnissen sowie Fragen der „Benotung“ zu Streit. Es empfiehlt sich also ERSTENS eine transparente Zeugniserstellung im Dialog, ZWEITENS eine individuelle und stellenspezifische Beurteilung und DRITTENS ein gründlich durchdachter Einsatz von Textbausteinen und “Benotungen”.

Newsletter:

dasBibliotheks­wissen

Aktuelle News und Informationen zum Bibliothekswesen und zum Bibliotheksmanagement

Aktuelle Ausgabe Jetzt abonnieren
nach oben