Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts

04.05.2017  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Urheberrechtsbündnis.

Das Aktionsbündnis unterstützt weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts. Das Aktionsbündnis bedauert jedoch die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.

Ebenso bedauern wir, dass in keiner Weise den Verbesserungsvorschlägen Rechnung getragen wurde, die nicht nur vom Aktionsbündnis, sondern von vielen Seiten in den (öffentlich zugänglich gemachten) Stellungnahmen zum Referentenentwurf des BMJV vorgebracht wurden. Der Reformweg ist mit dem jetzigen Vorhaben nicht zu Ende. Das Aktionsbündnis muss der Einschätzung widersprechen, dass mit den neuen §§ 60a – 60h die von der jetzigen Bundesregierung im Koalitionsvertrag gegebene Zusage, eine Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke (ABWS) einzurichten, nun eingelöst sei. Auf den weiter bestehenden großen Reformbedarf wird in einer detaillierten Liste hingewiesen.

Zentral wichtig: Pauschale Vergütung und Vorrang gesetzlicher Schrankenregelungen

Das Bundeskabinett hat am 12. April 2017 einen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts beschlossen. Dieser enthält weiter zwei wichtige Aspekte: Den Grundsatz pauschaler Vergütung anstelle von Einzelabrechnungen, die sich als nicht praktikabel und auch nicht als sinnvoll erwiesen haben, sowie den Vorrang gesetzlicher Schranken vor vertraglichen Regelungen. Das Aktionsbündnis sieht hierin eine wichtige Verbesserung im Vergleich zur bisherigen, umstrittenen Rechtslage. Auch der jetzige Vorschlag, der nun in die parlamentarische Beratung geht, verzichtet weitgehend auf die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und erreicht dadurch im Vergleich mit den bisherigen Normen des Gesetzes (wie z.B. in den §§ 52a und b, 53a) größere Rechtssicherheit.

Bedauerliche Verschlechterungen durch den Kabinettvorschlag

Das Aktionsbündnis bedauert jedoch die Verschlechterungen des Kabinettentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf. Zwar scheinen die Eingriffe des Kabinetts auf den ersten Blick nicht gravierend zu sein — zum einen wird der im RefE in den §§ 60a und 60c vorgesehene Umgang der erlaubten Nutzung von Werken von 25% auf nun 15% zurückgenommen. Zum andern wird die bislang vom BMJV eingenommene Position, dass rechtlich verbindliche Schrankenerlaubnisse Vorrang vor Lizenzvereinbarungen haben müssen, durch beide Abschnitte in § 60g zwar nicht gänzlich aufgegeben, aber doch relativiert.

Der Bundestag sollte das zurücknehmen

Angesichts der Tatsache, dass in keiner Weise den Verbesserungsvorschlägen Rechnung getragen wurde, die nicht nur vom Aktionsbündnis, sondern von vielen Seiten in den (öffentlich zugänglich gemachten) Stellungnahmen an das BMJV vorgebracht wurden, ist es doch bedenklich, dass lediglich Änderungen vorgenommen wurden, die den Interessen kommerzieller Verwertungsmodellen entgegenkommen. Warum haben weiter diese Partikularinteressen Vorrang vor den weitaus bedeutenderen Interessen von Bildung und Wissenschaft, die ja tatsächlich die Interessen der Allgemeinheit sind?

Das Aktionsbündnis fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf, die durch das Bundeskabinett vorgenommenen Änderungen wieder zurückzunehmen und keinesfalls weitere Restriktionen in den §§ 60a-60h vorzusehen.

Der Weg zu einem zeitgemäßen Bildungs- und Wissenschaftsurheberrecht ist nicht zu Ende

Auch wenn das jetzige Reformvorhaben ein Schritt nach vorne ist, so ist der Weg zu einem zeitgemäßen und den Bedürfnissen von Bildung und Wissenschaft entsprechenden Urheberrecht nicht zu Ende. Das Aktionsbündnis muss der Einschätzung widersprechen, dass mit den neuen §§ 60a – 60h die von der jetzigen Bundesregierung im Koalitionsvertrag gegebene Zusage, eine Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke (ABWS) einzurichten, nun eingelöst sei.

Mit der folgenden (sicher nicht vollständigen) Liste wird auf den weiter bestehenden Reformbedarf für ein zeitgemäßes Bildungs- und Wissenschaftsurheberrecht verwiesen:

  • Eine jede quantitative Beschränkung der Nutzungserlaubnisse ist unangebracht — alleine der Zweck der Nutzung sollte entscheidend sein. Die Politik sollte nicht entscheiden, was Wissenschaftler in welchem Umfang in ihren Forschungsprojekten brauchen und Lehrende bzw. die Lernenden für ihre Kurse.
  • Der freie kollaborative Austausch von Wissen für Forschung und Lehre darf nicht durch rechtliche Beschränkungen gefährdet werden.
  • Der für das effektive Arbeiten der Wissenschaftler, Lehrenden und Lernenden freie Zugriff zu Bibliotheksleistungen von jedem Ort und zu jeder Zeit z.B. über VPN ist dringend erforderlich und zeitgemäß.
  • Die normale Hochschulforschung darf nicht länger, wie in § 38 Abs. 4 UrhG vorgesehen, von dem Zweitveröffentlichungsrecht ausgeklammert werden.
  • Die Regelung für verwaiste Werke aus dem Jahr 2008 muss offener, ohne die nicht einlösbare Forderung der „diligent search“ gestaltet werden, da diese die an sich politisch gewünschte Massendigitalisierung der Bestände in den Bibliotheken und besonders auch in den Medienarchiven bislang verhindert.
  • Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger muss aufgehoben werden. So gut wie alle davon betroffenen Akteure (bis auf die großen aus dem Pressebereich) halten diese Regelung für kontraproduktiv und innovationsverhindernd. Zudem beeinträchtigt dieses Leistungsschutzrecht auch den freien und durch Schranken an sich erlaubten Zugang zu Presseerzeugnissen in Forschung und Lehre und behindert damit Wissenschaftsfreiheit.
  • Die jetzige in dem Reformvorschlag vorgesehene Regelung für Text und Data Mining droht, vergleichbar zu der früheren Datenbankrichtlinie in der EU und damit in der Umsetzung auch in Deutschland, zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil der europäischen bzw. deutschen Wirtschaft gegenüber Ländern wie den USA zu werden. Zudem behindert der jetzige Vorschlag die Kooperation zwischen öffentlicher und Industrieforschung und das zwingende Erfordernis der Wissenschaft, Ergebnisse der Forschung, auch durch TDM, überprüfbar zu halten. In einer umfassenden ABWS ist eine spezielle TDM-Regelung nicht erforderlich.
  • Auch wenn die jetzige Pauschalabrechnung für schrankenbedingte Nutzungshandlungen als derzeit sinnvoll anzusehen ist, sollte das langfristige Ziel darin bestehen, Vergütungen für Nutzungshandlungen bereits lizenzierter bzw. gekaufter Werke im Rahmen einer ABWS nicht vorzusehen. Die Situation in Bildung und Wissenschaft ist eine gänzlich andere als auf den allgemeinen Publikumsmärkten, bei denen die kreativ Tätigen von der Verwertung ihrer Werke leben müssen.

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